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Kommentar von Dr. Christoph Vatter, Landesfachgruppenleitung Fremdsprachen im BLLV Startseite Topmeldung

Darum muss der Englischunterricht in der Grundschule bleiben!

Die Überlegungen des Ministerpräsidenten zur Lösung der PISA-Misere und die Möglichkeit von Streichungen beim Englischunterricht in der Grundschule, oder sogar dessen Abschaffung, ist wieder ein gefundenes Fressen für den Bayerischen Philologenverband (bpv), dem der Englischunterricht in der Grundschule schon immer ein Dorn im Auge war. Man sehe den Mehrwert von Englischunterricht in der Grundschule nicht. Daher kam es bereits in der Vergangenheit immer wieder zu starker Kritik. Jetzt wird auch noch eine Umfrage unter Gymnasiallehrkräften nachgeschoben, die das Fach, trotz erwiesener Erfolge, streichen würde. Wir raten dringend davon ab den Englischunterricht zu beschneiden – zum Wohl unserer Schülerinnen und Schüler! Denn der Englischunterricht (EU) ist ein wahrer Allrounder und ein Gamechanger unter den heutigen Unterrichtsfächern.

Englischunterricht ist mehr als die bloße Vermittlung von Sprache. Durch den Englischunterricht an den Grundschulen kann die grundlegende kommunikative Handlungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler steigen. Zudem werden Aussprache und Intonation geschult und die Voraussetzungen für das Sprachenlernen in der 5. Klasse geschaffen. Sprachliches Wissen und Können muss geübt, erprobt und ausgebaut werden. Aber das Fach Englisch kann noch mehr: Es vermittelt auch Zugang zu einer anderen Kultur. So wird von Schülerinnen und Schülern die Verschiedenheiten der englischen und deutschen Kultur bewusst wahrgenommen und dies hilft grundsätzlich bei der Auseinandersetzung mit anderen und fremden Kulturen.

Fremdsprachen fördern interkulturelle Kompetenzen

Durch den Einsatz von Lernstrategien und sprachlichem Wissen und Können bringt der Englischunterricht auch einen besseren Zugang zum Lernen allgemein. So wird die methodische Kompetenz und insbesondere die Sprachlernkompetenz der Schülerinnen und Schüler gefördert. Studien haben gezeigt, dass der Englischunterricht positive Auswirkungen auf das Lernen, die Sprachentwicklung und den interkulturellen Zugang der Kinder sowie zu Sprache allgemein hat. Auch das Fach Deutsch kann durch den Englischunterricht profitieren. Oft ist Englisch bei zugewanderten Kindern die Brücke zum Deutschen und zur Kommunikation mit ihren deutschen Mitschülern. Viele von ihnen können eher Englisch als Deutsch. Dabei erhalten auch deutsche Schülerinnen und Schüler einen Eindruck für die sprachlichen Hürden ihrer neuen Klassenkameraden. Alle Vorteile können z.B. auf der Homepage des BLLV in den verlinkten Artikeln nochmals nachgelesen werden.


Insgesamt gilt, dass weniger Englisch nicht die Lösung für ein Mehr an Deutschunterricht ist. Stattdessen würde es beispielsweise helfen die grundlegenden Fähigkeiten des Lesens und Schreibens wieder stärker in allen Fächern in den Fokus zu nehmen. In jeder Unterrichtsstunde das stille, laute, betonende, überfliegende, sinnentnehmende Lesen, sowie das Schreiben noch mehr in den Vordergrund zu stellen und auch Eltern in die Pflicht zu nehmen, damit sprachliche Bildung durchgehend gefördert und ausgebaut werden kann. Auch dazu gibt es fachwissenschaftliche Evidenz, die eine solche Vorgehensweise stützen kann, zum Beispiel unter www.stiftunglesen.de. Grundsätzlich gilt aber: Mehr Lehrerinnen und Lehrer, kleinere Klassen und besondere Sprachförderungsangebote für alle Schülerinnen und Schüler wären wünschenswert.

Kritik an Englischunterricht ist nicht neu, aber immer noch falsch!

Die Kritik des Bayerischen Philologenverbands am Englischunterricht, die immer wieder aufkeimt, kommt daher, dass man in den Gymnasien vielfach noch immer leider die Früchte des EU in der Grundschule nicht erntet. Die Kluft zwischen dem Unterricht in der Grundschule und den Gymnasien ist noch immer zu groß – trotz der Bemühungen der vergangenen Jahre, die im Austausch zwischen den Schularten (Kleeblätter) begründet waren. Dies war aber leider nicht flächendeckend der Fall und ist über die Jahre wieder „eingeschlafen“.


In der Grundschule wird spielerisch gearbeitet und gelernt, um sprachliche Kompetenzen zu entwickeln. Diese Art der Didaktik, die nicht in erster Linie das Leistungsprinzip in den Vordergrund stellt, scheint im Gymnasium eher verpönt. Dort steht die bloße Leistung im Fach - also Noten - im Vordergrund. An dieser Stelle müssen beide Schularten noch mehr aufeinander zugehen. Beide leisten Großartiges – jede auf ihre Art. Miteinander wird es aber noch besser. Wenn das Gymnasium die Leistungen des Englischunterrichtes in der Grundschule endlich entsprechend aufgreift und nicht weiter angreift, anerkennt und weiter vorantreibt, können die Gymnasien enorm profitieren.

Das Statement des Bayerischen Philologenverbands, das vor kurzem in Medien aufgegriffen wurde, zeigt leider, dass evidenzbasierte Studien nicht wahrgenommen werden. Übrigens gibt es hierzu auch aus anderen Bundesländern wissenschaftliche Studienergebnisse und Erfolgsgeschichten - diese werden leider ebenfalls erfolgreich ignoriert. Als Fremdsprachendidaktiker gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass auch die Kolleginnen und Kollegen am Gymnasium in Zukunft den Mehrwert von Englischunterricht an Grundschulen nicht nur an Leistung messen.


Dr. Christoph Vatter


Dr. Christoph Vatter ist Fremdsprachendidaktiker und Leiter der Landesfachgruppe Fremdsprachen im BLLV. Außerdem arbeitet er als Konrektor an der Mittelschule Wörth an der Donau und ist Kreisvorsitzender des BLLV-Kreisverbandes Regensburg-Stadt.

 


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