Ich unterstütze, weil...
...ich als fast erblindete Frau sehr hellhörig bin, wenn es um unbedacht genutzte Worte und Aussagen geht. Ich höre besonders aufmerksam und genau hin. Sprache, Stimme und die für meinen intensiv genutzten Hör-Kanal ankommende Botschaft des Gesagten prägen meine Wirklichkeit, das Miteinander oder auch die Grenzen in unserem Zusammenleben.
Neben diesem eher privaten Blickwinkel fordert und prägt mich auch mein beruflicher Alltag: Meine Aufgabe, unsere bayerische Staatsregierung als Beauftragte in allen Belangen von uns Menschen mit Behinderung zu beraten, fordert mich in allen Lebensbereichen, vom lebenslangen Lernen, über das Arbeitsleben bis hin zu barrierefreien, öffentlichen und privaten Angeboten aller Art. Genauso muss ich alle Lebensphasen, von ethischen Debatten über das ungeborene Leben, über die Kindheit und das Erwachsenen- oder Familienleben und das Senioren-Alter in den Blick nehmen.
In jedem dieser Bereiche stoße ich nach wie vor zu oft auf die so genannten "Barrieren im Kopf". Wann ist es endlich vorbei, dass wir zu unerfahren, teils unwissend und viel zu schnell mit Vorurteilen beladen sind? Warum ist es nach bald 50 Jahren der so genannten "Selbstbestimmt-leben-Bewegung" noch immer so, dass ich höre, wie erwachsene Menschen, die im Rollstuhl unterwegs sind, einfach so geduzt werden? Warum höre ich eine Gruppe Jugendlicher an einer Bergbahn, beim Einsteigen sagen, dass sie lieber die nächste Bahn nehmen, um nicht mit "denen" (eine kleine Gruppe mehrfach-beeinträchtigter Menschen mit ihren Begleitern) so eng zusammenstehen zu müssen? Warum werde ich selbst immer wieder einfach so am Arm gepackt, um mich in guter Absicht, als scheinbar orientierungslose Person, in die Lauf-Richtung zu drehen?
Wollen wir immer noch so unsicher, uninformiert und teilweise wirklich würde- und respektlos miteinander umgehen? - Ich hoffe und denke nicht! Aber, was brauchen wir in unserer von Informationen und Bildern überfluteten Gesellschaft, hier und jetzt in unserem Umgang miteinander? Ich meine eine HALTUNG, die menschliche Vielfalt als Reichtum wahrnimmt, Respekt in jedem Umgang miteinander lebt und vor allem auch über zahlreiche Grenzen und Unterschiede hinweg in Toleranz geübt ist.
Was tue ich und was kann jede und jeder von Ihnen genau für eine solche Haltung tun? Als ehrenamtlich Aktive in meiner Zeit als bundesweit Zuständige für uns wenig sehende Menschen, die zwischen den Stühlen sitzen, nicht sehend - aber auch (noch) nicht erblindet, habe ich mich im Zuhören und Verstehen von ganz persönlichen Entscheidungen und damit auch Lebenswegen geübt. Niemand in einer solchen Situation ist vollständig mit anderen vergleichbar.
Toleranz bedeutet dabei für mich, eine Krise oder ein Scheitern auch zuzulassen und als Teil des heilsamen Weges anzuerkennen. Persönlich und privat bin ich ein sehr neugieriger, reiselustiger und vielseitig interessierter Mensch. Mit einem Lächeln auf den Lippen und gespitzten Ohren trete ich üblicherweise in Kontakt mit Gästen bei beruflichen Veranstaltungen, einem Fest oder fremden Menschen, um sie kennen zu lernen oder auch, um kleine, sehende Hilfe beim Unterwegs-Sein zu erbitten. "Helfen zu können" ist dabei das Geschenk, das ich meinen Mitmenschen mache, und so ist es ein Gewinn für uns beide!