Tipps zur Bewältigungsstrategie für den Schulalltag
Innehalten und bewußt wahrnehmen, was ist und was man fühlt: Das steckt hinter dem Konzept der Achtsamkeit. Es kann helfen, belastende Situationen zu bewältigen.
Beziehungsberufe wie der Lehrerberuf sind besonders herausfordernd. Lehrkräfte müssen eine Menge Empathie investieren, um ihre Schüler zu erreichen und eine gute Bindung zu ihnen herzustellen. Denn ein guter Kontakt zwischen Lehrkraft und Schüler trägt wesentlich zum Lernerfolg bei. Angesichts der immer schwierigeren Schülerschaft und ungünstigen Rahmenbedingungen eine echte Herausforderung, die einen an die eigenen Grenzen bringt.
Das Gedankenhamsterrad erzeugt Stress
Wie belastend der Schullalltag empfunden wird, hängt von den individuellen Bewältigungsstrategien ab. In Stresssituationen greifen wir automatisch auf unbewusste Denk- und Verhaltensmuster zurück. Wir bewerten bestimmte Situationen und merken nicht, dass wir uns längst in einer Denkfalle verfangen haben, die uns quält und körperliche Anspannung auslöst. Ob uns etwas stresst, ist also eine Frage der Perspektive. Das gilt nicht nur für Situationen, sondern auch für Personen. Viele im Lehrerberuf haben ihren persönlichen Typ von Alptraum-Schüler, der sie an den Rand des Wahnsinns treibt.
Das Konzept der Achtsamkeit hilft, unbewussten, stresserzeugenden Bewertungen auf die Spur zu kommen, sie zu hinterfragen. Achtsamkeit bedeutet, „auf eine bestimmte Art und Weise aufmerksam zu sein: bewusst im gegenwärtigen Augenblick und ohne zu beurteilen“, schreibt der amerikanische Geundheits-Wissenschaftler Jon Kabat-Zinn, Erfinder der MBSR-Trainings (Mindfulness-Based-Stress-Reduction)(1). Es beruht auf Erfahrungen fernöstlicher Meditationstechniken.
Sich von unbewußten Denkmustern befreien
Wer sein Verhalten reflektiert, seine emotionalen Muster erkennt und verändert, kann die Belastungen des Lehrerberufs auf Dauer besser aushalten, weil er oder sie seine Einstellung dazu anpasst oder ihnen zumindest nicht hilflos ausgeliefert ist. „Indem wir lernen, auf unserer Gedanken und Gefühle Einfluss zu nehmen, können wir uns gesund erhalten“, schreibt Vera Kaltwasser, Expertin für Achtsamkeit im Lehrerberuf und in der Schule (2). Jeder Mensch hat sein eigenes, durch persönliche Erfahrungen in der Kindheit geprägtes Bewertungssystem, das ständig alle Wahrnehmungen einordnet und bewertet. Diese Automatismen zu entlarven, kann man trainieren. Zum Beispiel in Instituten, die entsprechende Seminare und Kurse anbieten, etwa nach der MBSR-Methode. Oder ganz einfach mit Hilfe von Yoga.
Die Beziehung zu Schülern verbessern
Dann muss auch der persönliche Alptraum-Schüler nicht länger Stressfaktor Nummer eins sein. Nämlich dann, wenn es gelingt, die Einstellung und das persönliche Verhalten ihm gegenüber zu reflektieren und zu verändern. Ein Weg dorthin kann gegenseitiges Coaching im Kollegenkreis sein. Das stärkt nicht nur die eigene Distanzierungsfähigkeit. Wer reflektiert denkt, fühlt und handelt, kann auch dem Schüler helfen, sein eigenes Verhalten zu hinterfragen. Vera Kaltwasser weiß: „Dazu bedarf es eines Klimas der Wertschätzung und Anerkennung. Hier spielt die ausgereifte Persönlichkeit des Lehrers eine große Rolle.“(3)
Kleine Achtsamkeitsübungen für den Alltag:
- Fünf Minuten aufrecht sitzen und auf den Atem achten.Wenn die Gedanken abschweifen wieder mit der Aufmerksamkeit zum Atem zurückkehren.
- Gewöhnliche Vorgänge des Alltags verrichten und dabei bewusst die damit verbundenen Empfindungen und Gedanken wahrnehmen, zum Beispiel beim Duschen, Zähneputzen oder Sitzen.
- Zwischendurch im Alltag immer wieder einmal innehalten und den gegenwärtigen Moment bewusst wahrnehmen.
- Beim Warten, zum Beispiel an Ampeln oder an der Kassen, sich auf den eigenen Atem konzentrieren und diesen bewusst wahrnehmen.
Fußnoten: (1) Kabat-Zinn, Jon (2007): Im Alltag Ruhe finden. S. 18; (2) Kaltwasser, Vera (2012): Die Haltung der Achtsamkeit, In: Lernchancen 87, 2012, S. 83; (3) Kaltwasser, Vera (2012): Die Haltung der Achtsamkeit, In: Lernchancen 87, 2012, S. 84;