Paul Possenheimer (1913 bis 1965)

Kindheit und Jugend

Paul Possenheimer ist am 29. Juli 1913 in Burgkunstadt geboren. Er ist der Sohn von Max und Bella Possenheimer, welche in Burgkunstadt über ein Kurzwaren-en-gros-Geschäft verfügen. Seine Schullaufbahn beginnt im Alter von 6 Jahren. Seine Eltern schreiben ihn in die Volksschule Burgkunstadt ein. Pauls Zeugnisse belegen seine Intelligenz. Er erhält stets positive Bemerkungen und Noten. Musikalisch hingegen zeigt sich Paul eher uninteressiert und erzielt dementsprechende Leistungen. Mit 10 Jahren kommt er in die Realschule Lichtenfels, dort erhält er im Frühjahr 1930 das Reifezeugnis. Ab 1929 besucht er die Israelitische Präparandenschule Höchberg, von 1930 bis 1933 studiert er an der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt Würzburg (ILBA), die er 1933 mit Abschlussexamen und hervorragenden Noten verlässt. Im Schuljahr 1933/1934 besucht er in Frankfurt am Main einen religionswissenschaftlichen Kurs. Von nun an ist er im Vorbereitungsdienst vom 12. April 1934 bis zum Herbst 1938 als Religions- und Volksschullehrer tätig.    

Pauls Leben in der Zeit des Nationalsozialismus

Pauls Zeugnissen kann man entnehmen, dass er genug Ehrgeiz und Fleiß für das Lehrerstudium aufbringen kann. In den Jahren von 1934 bis 1937 ist er in München und Lübeck als Schulamtsbewerber tätig. Im Herbst 1937 bewirbt er sich an der jüdischen Sonderklasse in Bamberg. Dort wird er am 15. November 1937 angestellt und tritt die Stelle am 1. Januar 1938 an. So zieht er zum Jahreswechsel nach Bamberg. Bis zu seiner Inhaftierung und Emigration wohnt er in der Franz-Ludwig-Straße 26.

Während der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wird die Bamberger Synagoge niedergebrannt, ebenso die jüdische Sonderklasse mit ihrem gesamten Inventar. Paul Possenheimer wird in Gefangenschaft genommen und am 11. November1938 in das KZ Dachau gebracht. Das Konzentrationslager Dachau ist das erste durchgehend betriebene Konzentrationslager und ist dadurch bedingt auch eines der bekanntesten. Für die jüdischen Häftlinge ist das Leben in Dachau sehr schwer. Besonders quälend sind die stundenlangen Appelle, die sie regungslos, ohne sprechen oder austreten zu dürfen, durchstehen müssen. Hunger und Kälte führen dazu, dass manch einer zusammenbricht. Niemand darf helfen. Den Tag verbringen die Häftlinge beim Appell oder mit Marschieren, Kniebeugungen und anderen „Übungen“, ohne Rücksicht auf Alter oder Kondition. Die Häftlinge müssen mitansehen, wie Mitgefangene brutal geschlagen, getreten oder „auf der Flucht“ erschossen werden, wenn sie versehentlich oder aus Verzweiflung dem Zaun zu nahekommen. Während seines Aufenthalts im Konzentrationslager erhält Paul die Mitteilung, dass seine Zulassung zum 2. Staatsexamen widerrufen worden ist. Paul verliert im Januar 1939, zum einen durch seine Inhaftierung im KZ Dachau und zum anderen durch die Schließung der Jüdischen Sonderklasse, seine Arbeitsstelle. Er wird am 20. Januar 1939 aus dem KZ entlassen.

Emigration und Leben nach dem Nationalsozialismus

Nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager schreibt er am 8. März 1939 einen Brief an den Oberbürgermeister von Bamberg. In diesem bittet er um eine Erlaubnis zur Emigration nach England. Mit der Begründung, dass „keine steuerlichen Bedenken“ bestehen, erhält er eine Genehmigung und flieht am 26. April 1939 nach England. In England lässt er sich später in der nordwestlich gelegenen Stadt Salford, in der Bury New Road 234, nieder.

Paul Possenheimer ist in England nicht als Lehrer, sondern als Polsterer tätig. Dort lernt er seine Frau Ruth Rösel Mannes kennen, die Tochter des ehemaligen Schwabacher Distriktrabbiners Dr. Salomon Mannes. Die beiden heiraten am 20. Dezember 1942, als Paul 29 Jahre alt ist. Mit ihr zusammen bekommt Paul 3 Kinder. Das erste, Judith, wird am 30. März 1944 geboren. Sein zweites Kind Esther wird am 7. Mai 1945 geboren. Sein jüngstes Kind heißt Meir. Er kommt am 5. November 1946 auf die Welt und ist im Jahre 2016 70 Jahre alt.

Da der Nationalsozialismus das Ziel verfolgt, die jüdische Kultur mitsamt ihrem Schulwesen zu zerstören, zerstört er auch die Berufslaufbahn des jüdischen Lehrers Paul Possenheimer. Er wird dem Staatsdienst entzogen und während der Inhaftierung im Konzentrationslager Dachau vom 2. Staatsexamen ausgeschlossen. Daher beantragt er am 10. März 1953 Entschädigung beim Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in London.

Tod

Paul Possenheimer stirbt am 4. April 1965 im Alter von nur 51 Jahren in Lancashire, im Nordwesten Englands. Sechs Jahre später, im Jahre 1971 stirbt seine Frau. Sein Vater Max Possenheimer ist am 20. April 1940 in Burgkunstadt gestorben. Nach Angaben von Nachkommen ist er zuvor von Seiten der Nationalsozialisten schwer verletzt worden anschließend seinen Verletzungen erlegen. Pauls Mutter Bella und seine Schwester Jette wurden mit dem Transport vom 25. April 1942 aus Würzburg/Nürnberg nach Krasnystaw im Kreis Lublin und von dort in das Ghetto Krasniczyn deportiert. Auch sie haben nicht überlebt. Paul Possenheimers Angehörige führen seinen viel zu frühen Tod auf die schrecklichen Erfahrungen in der Zeit des Nationalsozialismus und das Leid zurück, das er durch die Ermordung seiner Angehörigen erlitten hat.

Quellen

  • Bayerisches Hauptstaatsarchiv: MK 49607
  • Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau: Eingangsbuch,
  • National Archives Washington RG 238/190/190/13/25/01
  • Stadtarchiv Bamberg: C9+64,Brief
  • Stadtarchiv Bamberg: C9+58a, Familienmeldekarte
  • Stadtarchiv Bamberg: C3+539, Personalkarte
  • Standesamt Burgkunstadt: Reg.-Nr. 33/1913, Personanstandsurkunde
  • Yad Vashem: Pages of Testimony Names Memorial Collection

 

Die Verfasserin Gülperi Yardmici

Ich heiße Gülperi Yardmici, bin 19 Jahre alt und besuche aktuell die 12. Klasse des Eichendorff-Gymnasiums in Bamberg (2017). Dieses Gedächtnisblatt habe ich im Rahmen meines Wissenschaftspropädeutischen Seminars „Jüdisches Leben in Bamberg und Umgebung im 20. Jahrhundert“ erstellt und verfasst. Die Arbeit an diesem Projekt brachte mir vielfältige Sichten und gab mir die Möglichkeit neue Erfahrungen zu sammeln. Für diese bin ich sehr dankbar.