Justin Fränklin (1896 bis 1984)

Herkunft

Justin Fränkel wurde am am 28. Oktober 1896 in Obbach im Landkreis Schweinfurt geboren. Er wuchs mit seiner Schwester Berta in einer jüdisch-orthodoxen Familie auf. Die Eltern, Mendel und Fanny Fränkel, waren Landwirte und Viehhändler.

Kindheit und Jugend

Ab 1903 besuchte Fränkel die jüdische Volksschule und wurde dort von seinem zukünftigen Schwiegervater, Nathan Blatt, unterrichtet.

Ausbildung

Seine Ausbildung zum Volksschullehrer begann er 1911 an der Israelitischen Präparandenschule in Höchberg bei Würzburg. Zwischenzeitlich musste er das Studium unterbrechen, da er nach freiwilliger Meldung in den Kriegsdienst einberufen wurde. Er beendete sein Studium an der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in Würzburg erst 1919.Im Oktober 1921 nahm er an der 10. Anstellungsprüfung für Kriegsteilnehmer in Würzburg teil, um als voll ausgebildeter Volksschullehrer arbeiten zu können.

Familie

Am 13. August 1923 heiratete Justin Fränkel Frieda Blatt aus Obbach. Mit ihr zog er nach Erlangen in die Nürnberger Straße 30. Dort wurden ihre beiden Kinder geboren, Ernst (geb. 1924) und Edith (geb. 1927).

Berufsleben

In seinen Anfangsjahren als Lehrer hatte Fränkel häufig nur befristete Anstellungen oder Praktikumsverträge an verschiedenen Schulen. Seine Vorgesetzten äußerten sich immer positiv über seine Arbeit. Am 1. April 1924 bekam er zum ersten Mal eine unbefristete Stelle als Religionslehrer für Schüler aller Schularten. Er unterrichtete in Erlangen und Forth. Neben seinem Beruf als Lehrer stand Fränkel einmal monatlich den jüdischen Patienten an der Heil- und Pflegeanstalt am Maximiliansplatz in Erlangen bei. Vermutlich tat er dies, um seiner Familie einen höheren Lebensstandard zu ermöglichen. Er erhielt dafür eine jährliche Bezahlung von 100 RM.

Antisemitismus

Fränkel war des Öfteren antisemitischen Handlungen bzw. Übergriffen ausgesetzt. Am 6. Mai 1932 wurde er wegen seines Berufes als Schächter von der nationalsozialistischen Wochenschrift "Kampf" angegriffen, da er angeblich immer wieder gegen das seit 1929 geltende Schächtverbot verstieß. Der Artikel endete mit den Worten: "Denkt stets daran: Die Juden sind unser Unglück." (Ilse Sponsel: Das Schicksal der Erlanger Juden in der NS-Zeit, Erlangen 1982, S. 643.)

1933 empfand Fränkel die negative Stimmung ihm gegenüber als so bedrohlich, dass er sich nur noch bei Dunkelheit zu seinen Gemeindemitgliedern traute. Einige Erlanger Bürger belästigten und beleidigten ihn und spuckten unter anderem vor ihm aus.

Am 13. September 1934 wurde Fränkel auf dem Weg zum Bahnhof von einem SA-Mann angegriffen. Der SA-Mann provozierte Fränkel, es folgte eine verbale Auseinandersetzung, schließlich schlug der SA-Mann mit einer Fahrradpumpe mehrmals auf Fränkels Kopf ein. In der NS-Presse wurde jedoch Fränkel als Täter dargestellt. Der SA-Mann musste sich nie für seine Tat verantworten. Die lokale Presse stellte zudem fest, dass die Sicherheit für Juden in Forth ab sofort nicht mehr gewährleistet werden könne, und ermunterte die Bevölkerung, Fränkel anzugreifen.

Zum 1. November 1936 wechselte Fränkel nach Bamberg. Er übernahm dort die Betreuung der zwangsweise errichteten Sonderklasse, in der mit Beginn dieses Schuljahres alle jüdischen Schüler unterrichtet werden mussten, um sie von den nicht-jüdischen zu trennen. Fränkel blieb jedoch der Erlanger Gemeinde treu und arbeitete dort nebenamtlich als Religionslehrer und Kantor weiter. Bald konnte er beide Stellen nicht mehr ausüben: Er wurde beschuldigt, an einem Mord beteiligt gewesen zu sein und deshalb am 28. April 1937 inhaftiert.

Der Mordvorwurf

17. März 1929: Die Leiche des vierjährigen Karl Kessler wird in einem Waldstück zwischen Manau und Walchenfeld im Landkreis Haßberge gefunden. Der Fall kann trotz zweier polizeilicher Untersuchungen 1929 und 1934 nicht aufgeklärt werden. 1937 wird er wieder aufgerollt und Fränkel wird im Zuge dessen Ende April desselben Jahres festgenommen.

Bei der späteren Kontrolle der Wiedergutmachungsansprüche wurde von staatlicher Stelle festgestellt, "daß die geheime Staatspolizei den Fall, […] 1937 nur deshalb wieder aufrollt [sic!] und ausschließlich Juden beschuldigt hat, um dadurch eine antisemitische Stimmung in der Bevölkerung zu erzeugen." (BayHStA, LEA 11703, 75453/VII/17858, Entwurf eines Bescheids über Haftentschädigung wegen Schadens an Freiheit.)

Bereits 1929 war diese Stimmung durch die Berichte des Zahnarztes Dr. Hellmuth verstärkt worden. Er hatte bei der Leiche eine unnatürliche Blutung diagnostiziert und diese als Beweis für einen jüdischen Blutmord angesehen. Der zuständige Untersuchungsrichter stellte jedoch bereits im April 1929 fest, dass es keinerlei Hinweise auf einen Blutmord gebe.

Fränkels Inhaftierung belastete die Familie sehr. Da war die Angst, dass der geliebte Mann und Vater womöglich für längere Zeit nicht mehr freigelassen wird. Außerdem konnte Fränkel durch die Haft die Bar Mizwa seines Sohnes Ernst nicht miterleben. Auch in finanzieller Hinsicht durchlebte die Familie eine schwere Zeit. Fränkel blieb sechseinhalb Monate in Haft, bevor er am 11. November 1937 wieder entlassen wurde, da es nichts gab, das ihn belastete und sich sein Alibi bestätigte.

Zu der Aussage "Ich fühle mich nicht als Deutscher", die er angeblich bei der Veranstaltung "Freunde der Sowjetunion" gemacht haben sollte, schrieb er, dass er das niemals so gesagt habe. Die dort anwesenden Gäste hätten eine andere Äußerung von ihm falsch aufgefasst und falsch verbreitet.

Emigration in die USA

Fränkel gab trotz seiner Inhaftierung die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft in Deutschland nicht auf. Seine Frau hatte jedoch keine Zweifel mehr, dass die Familie Deutschland verlassen müsse, sobald ihr Mann aus der Haft freikomme. Sie bereitete die Emigration bereits während seiner Inhaftierung vor. So konnte die Familie Europa am 10. August 1938 an Bord der "Normandie", die von Southampton nach New York fuhr, verlassen. Nach fünftägiger Fahrt erreichten sie ihr Ziel. Dort wurden sie bereits von Verwandten erwartet, die sie für sieben Wochen aufnahmen. Aufgrund seiner religiösen Überzeugung, die ihm verbot samstags zu arbeiten, konnte Fränkel auf dem ohnehin angespannten Arbeitsmarkt keine Anstellung finden. Schließlich zog die Familie auf Anraten eines Verwandten nach Cincinatti, wo Fränkel bei der "E. Kahn's Sons Company", einer Schlacht- und Fleischverpackungsfirma, als Vorarbeiter in der Abteilung für rituelles Schlachten arbeitete.

Seine Frau Frieda war in Heimarbeit für die von deutschen Juden gegründete Firma "Standard Textile Company" tätig und versorgte die Untermieter der Familie mit Essen und frischer Wäsche. Der Familie gelang es, sich in Cincinatti ein neues soziales Umfeld aufzubauen. Die offene, kontaktfreudige Art Fränkels war dabei hilfreich. Er gründete zusammen mit Dr. Teitz, einem aus Deutschland ausgewanderten Arzt, eine orthodoxe, deutsch-jüdische Glaubensgemeinschaft. Die Gemeinde, der sie den Namen "New Hope" gaben, bildete fortan den sozialen Lebensmittelpunkt der Fränkels.

Tod

Justin Fränkel starb am 19. Oktober 1984, seine Frau Frieda am 15. Juni 1992. 

Quellen

Archive

  • BayHStA, LEA 11703
  • StABa, K3DII 9524.
  • StadtA.Ba, C9 58a
  • StadtA.Ba, C3 539
  • StadtA.Erl, III. 154.F.1
  • StadtA.Erl, 33.3.F.1-127
  • StAWü, 6023
  • StA.Wü, 672
  • Auskünfte per E-Mail von Edward Frankel am 30. Oktober 2013
  • Interview mit Frau Edith Fränkel-Schwarz am 4. April 2013 Interview mit Herrn Edward Frankel am 27. Mai 2013  


Foto

Privatbesitz Edward Frankel 

Literatur

  • Sponsel, Ilse / Friederich, Christoph (Hg.): Juden und Judenpogrom 1938 in Erlangen (Veröffentlichungen des Stadtmuseums, 40), Erlangen 1990.
  • Sponsel, Ilse: Justin Fränkel, der letzte jüdische Religionslehrer, Vorbeter und Schochet in Erlangen. Ein Beitrag zur Geschichte der Juden in Erlangen, in: Nachrichten für den jüdischen Bürger Fürths vom September 1984, S. 29 f.

 

Die Verfasserin Jana Schmitt

Mein Name ist Jana Schmidt und ich wurde am 9. April 1996 geboren. Am Eichendorff-Gymnasiums in Bamberg habe ich mich im Rahmen des Wissenschaftspropädeutischen Seminars "Menschen aus Bamberg und Umgebung als Opfer der Nationalsozialisten. Jüdische Lehrer und Lehrerinnen in Bayern" mit der Person Justin Fränkel beschäftigt. Im Verlauf meiner umfangreichen Recherche fügten sich die einzelnen Puzzleteile seines Lebens Schritt für Schritt zu einem beeindruckenden Bild zusammen.

Oft war ich erschüttert, wütend und sehr traurig, weil Justin Fränkel so viel Unrecht widerfahren ist. Genauso oft empfand ich aber auch eine tiefe Bewunderung für ihn, weil er sich von den Nationalsozialisten nicht einschüchtern ließ. Im Gegenteil, er setzte sich auch dann noch für seine jüdischen Mitbürger ein, als er selbst immer wieder Opfer gewalttätiger Übergriffe wurde. Am bewegendsten war für mich der Kontakt zu seinen Verwandten in Amerika. Ich konnte sowohl mit der Tochter als auch mit dem Enkel ein Telefoninterview führen und dadurch einen ganz persönlichen Einblick in das Leben Justin Fränkels gewinnen. Dabei war es einerseits sehr beklemmend, die tiefe Traurigkeit zu spüren, die sowohl die Tochter als auch den Enkel ergriff, als sie über die schwere Zeit kurz vor und kurz nach der Emigration sprachen. Andererseits hat es mir gut getan, dass beide sich offensichtlich sehr freuten, dass ich eine Biografie über Justin schrieb.