Dr. Elisabeth Ehrlich (1900 bis 1975)

Herkunft

Elisabeth Ehrlich wurde am 18. Juni 1900 in München geboren. Ihr Großvater war deutscher Staatsbürger und nach Ungarn ausgewandert. Dort wurde 1857 ihr Vater Wilhelm Ehrlich geboren, der als Schriftsteller und Redakteur arbeitete. Ihre Mutter Berta Ehrlich (geb. Brody) wurde 1867 ebenfalls in Ungarn geboren und hat in Budapest das Staatslehrerinnenseminar besucht. Elisabeth Ehrlich hatte drei ältere Schwestern, die alle noch in Budapest geboren wurden. Irma 1889, Gisela 1892 und Margit 1894. 1899 zog die Familie nach München. Der Vater verstarb im März 1929 in München. Die Mutter wurde am 20. April 1943 nach Theresienstadt und am 18. Dezember 1943 weiter nach Auschwitz deportiert, wo sie am 30. Dezember 1943 ermordet wurde.

Kindheit und Jugend

Elisabeth Ehrlich lebte mit ihren Eltern zunächst in der Fraunhoferstraße 6 in München, 1902 zog die Familie in die Ickstattstraße 20/III. Von 1906 bis 1911 besuchte Ehrlich die Klenzeschule in München. Danach zog die Familie in die Platenstraße 4/I, Elisabeth besuchte die Städtische Höhere Mädchenschule in der Luisenstraße. Nach der dritten Klasse trat sie in die dazugehörige humanistische Gymnasialabteilung über und erlangte dort 1920 das Abitur.

Ausbildung

Zum Wintersemester 1920/1921 begann Elisabeth Ehrlich ihr Studium in den Fächern Deutsch, Geschichte und Französisch an der Ludwig-Maximilians-Universität. Während der Sommerferien 1922 war sie als Hauslehrerin der Töchter des Verlagsbuchhändlers Hermann Meyer aus Leipzig tätig, außerdem arbeitete sie stundenweise als Privatsekretärin bei Geheimrat Professor Reinhart von Frank. Der Beschäftigung als Hauslehrerin ging sie auch später immer wieder nach. Ihr Studium schloss sie am 15. Oktober 1924 mit der 1. Lehramtsprüfung vor der staatlichen Prüfungskommission in München ab. Von November 1924 bis zum Ende des Sommertrimesters besuchte sie ein pädagogisch-didaktisches Seminar zur staatlichen Vorbereitungsprüfung an der Giselarealschule. So erwarb sie die Zulassung zum 2. Prüfungsabschnitt des Staatlichen Lehramtsexamens. Sie legte die Prüfung im Juni 1925 ab und erlangte damit die Lehrerlaubnis. Die Zulassung zur Lehramtsprüfung war für Ehrlich jedoch nicht selbstverständlich, in der Prüfungsordnung waren nur Reichsangehörige vorgesehen. In einem Schreiben an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus fragte sie deshalb im April 1924 nach, ob ihrer Zulassung ein Hinderniss entgegenstehe. Ehrlich beteuerte, sie sei in München geboren und zur Schule gegangen, sei "völlig deutsch erzogen" und könne "das Ungarische gar nicht sprechen".

Berufsleben und Doktorarbeit

Trotz des bestandenen Lehramtsexamens fand Ehrlich keine Anstellung im Staatsdienst und begann, während sie weiter als Hauslehrerin arbeitete, ihre Doktorarbeit über "das französische Element in der Lyrik Chamissos". Drei Jahre nach ihrem Austritt aus der jüdischen Gemeinde 1926 trat sie der katholischen Kirche bei. 1929 schloss Ehrlich ihre Promotion ab und erlangte den akademischen Doktorgrad. Anschließend zog sie nach Passau in die Freyungerstraße 34. Im September genehmigte das Ministerium für Unterricht und Kultus "die Verwendung des Studienassessors Elisabeth Ehrlich" am Mädchenlyzeum der englischen Fräulein mit Oberrealschule in Passau-Niedernburg. Sie wurde jedoch nicht in den öffentlichen Dienst aufgenommen. Im April 1930 verfasste sie ein Gesuch zur Erlangung der bayerischen Staatsangehörigkeit. Sie hoffte, dadurch die Möglichkeit zu bekommen, in den öffentlichen Dienst einzutreten. Auch ihr Übertritt vom jüdischen zum katholischen Glauben kann als Schritt in diese Richtung gesehen werden. Sie erwähnte in ihrem Gesuch mit keinem Wort ihre jüdische Vergangenheit. Über ihre Konfession schrieb sie lediglich: "Ich bin katholisch." Dem Antrag wurde stattgegeben. Ehrlich wurde am 16. Januar 1932 zur bayerischen und damit deutschen Staatsbürgerin. Am 26. Oktober 1933 teilt das Bayerische Ministerium für Unterricht und Kultus  dem Provinzialrat der Englischen Fräulein mit, dass "der Studienassessorin Dr. Elisabeth Ehrlich [...], da sie nicht arischer Abstammung ist, zum nächsten zulässigen Termin zu kündigen" sei. Nach ihrer Entlassung im März 1934 hielt sich Ehrlich einige Monate in Ebenhausen und dann in Lübeck auf. Vermutlich versuchte sie, als Hauslehrerin oder mit einem anderen Beruf ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Im November 1937 fand Elisabeth Ehrlich wieder eine Anstellung. An der privaten jüdischen Realschule in Fürth war sie als Fachlehrerin für Deutsch, Geschichte und Französisch tätig. Die Genehmigung durch das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus wurde jedoch nur in widerruflicher Weise erteilt und am 24. Juli 1938 endgültig entzogen.

Emigration nach England

Am 26. Juni 1939 emigrierte Ehrlich nach Oxford in England. Als 1941 die Elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz in Kraft trat, infolge derer allen im Ausland lebenden Juden die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen wurde, verlor Ehrlich die deutsche Staatsbürgerschaft. 1949 wurde sie auf Antrag britische Staatsbürgerin. In England arbeitete sie weiter als Lehrerin. Von September 1942 bis Juli 1946 war sie an einer privaten Vorschule, an der Cummor Hill Preparatory School, von dort wechselte sie als Deutschlehrerin an die Royal School Bath, wo sie bis Juli 1949 lehrte. Im September 1949 trat sie dann ihre Stelle als Deutsch- und Französischlehrerin am St. Michael's Burton Park in Petworth, Sussex an. Dort blieb sie bis Juli 1960 angestellt.

Antrag auf Wiedergutmachung

Am 18. Dezember 1965 reichte Elisabeth Ehrlich erstmals einen Antrag auf Wiedergutmachung ein. Der Münchner Anwalt Dr. Hans Raff leistete ihr Rechtsbeistand. Nach einjährigem Rechtsstreit wurde der Antrag vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen abgewiesen. Die Ablehnung wurde zum einen damit begründet, dass Ehrlich nicht im öffentlichen Dienst angestellt war, zum anderen wurde bemängelt, dass nicht genug Schädigungstatbestände vorlagen. Nach dem verlorenen Prozess verbrachte Dr. Elisabeth Ehrlich ihr restliches Leben zusammen mit ihrer Schwester Margit Ehrlich in Oxford. Sie verstarb am 3. Mai 1975 und wurde im Rose Hill Cemetery, in der Church Cowley Road in Oxford, begraben. Im Oktober 1976 wurde ihre Schwester im selben Grab beigesetzt.

Quellen

Archivdokumente

  • BayHStA MK 49581
  • BayHStA MK 32466
  • StadtA Passau IIB 1315
  • StadtA München EWK 65(F); Konzeptdruck vom 1.3.2012
  • The Royal High School, Bath, Auskunft per Email von Alison Mottran vom 21.6.2012

Der Verfasser Michael Salewski

Ich wurde am 12.1.1995 in München geboren. Mit dem Schicksal von Elisabeth Ehrlich habe ich mich im Rahmen meines Seminars "Namen statt Nummern" in der 11./12. Klasse des Franz-Marc-Gymnasiums beschäftigt. Frau Ehrlich habe ich ausgewählt, weil sie zeitweise am Gymnasium der Englischen Fräulein in Passau gearbeitet hat, das Jahre später meine Mutter besuchte. Somit war ein erster Bezugspunkt gegeben. Für mich persönlich war das Recherchieren über Elisabeth Ehrlich eine völlig neue Erfahrung. Eine anfangs unbekannte Frau begann mit fortschreitender Recherche, vor meinem inneren Auge Gestalt anzunehmen. Leider war es mir nicht möglich, im Rahmen dieses Projekts Zeitzeugen zu finden, die mir etwas über Elisabeth Ehrlich hätten erzählen können. Ein solcher persönlicher Bezugspunkt wäre für mich ein schöner Abschluss dieses Projekts gewesen. Trotzdem wird mir und hoffentlich vielen anderen die Geschichte von Elisabeth Ehrlich immer im Gedächtnis bleibe.