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Arbeitsbelastung

Zur höchsten Instanz

Gelegentlich beschweren sich Eltern direkt bei der Regierung über eine Lehrkraft. Das ist ihr gutes Recht. Problematisch wird es, wenn eine Regierungsbeamtin eine Dienstaufsichtsbeschwerde als Auftrag sieht, die Lehrkraft zu maßregeln und bloßzustellen.

Der Fall

Die Eltern einer Grundschülerin sind mit der Arbeit der Klassenlehrerin nicht zufrieden und beschweren sich. Insbesondere der Ausschluss ihres Kindes von einem Ausflug als Folge mehrerer Regelverstöße erbost sie. Die zuständige Regierung fordert Stellungnahmen ein. Sowohl die betroffene Lehrerin als auch die Schulleiterin müssen sich dazu gegenüber der Regierung äußern. Eine Stellungnahme der betroffenen Lehrerin einzuholen, ist Standardverfahren. Dass sich auch die Schulleitung äußern soll oder muss, kommt nicht regelmäßig vor, ist aber – abhängig vom Vorwurf – auch nicht außergewöhnlich. Die Lehrerin ist kein Mitglied des BLLV und muss ihre Stellungnahme daher ohne Hilfe durch die Rechtsabteilung erstellen. Die Schulleiterin ist Mitglied, sie erteilt eine Vertretungsvollmacht, sodass die Expertin der Rechtsabteilung sich in ihrem Namen gegenüber der Regierung äußern und die Stellungnahme abgeben kann. Zu diesem Zweck übergibt das Mitglied alle relevanten Unterlagen sowie eine Schilderung des Sachverhalts an den BLLV. Sie werden gesichtet und zur Weitergabe an die Bezirksregierung „in Form gebracht“. Und das war bitter nötig. Denn die Regierung hat alles andere als regelkonform gehandelt.

Klärung der Begriffe

Zur korrekten Form gehört, die einschlägigen Begriffe zukennen und anwenden zu können. Man unterscheidet zwei Arten von Aufsichtsbeschwerden. Da ist zum einen die Fachaufsichtsbeschwerde, die richtet sich gegen den sachlichen Inhalt einer Maßnahme. Dem gegenüber wendet sich eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Verhaltensweisen von Angehörigen der Verwaltung. Die kritisierten Verhaltensweisen können sowohl innerhalb als auch außerhalb der Dienstzeit liegen. Der Begriff „Fachaufsichtsbeschwerde“ ist im allgemeinen Sprachgebrauch wenig verbreitet. Häufig wird fälschlicherweise der Begriff „Dienstaufsichtsbeschwerde“ auch bei Fachaufsichtsbeschwerden angewandt oder man spricht ganz allgemein von „Aufsichtsbeschwerden“ oder gar nur von „Beschwerden“. Im schulischen Bereich wenden wir daher auch gerne den Begriff „Elternbeschwerde“ an, ohne diesen näher zu differenzieren.

Die Rechte der Eltern

Anders als für Lehrkräfte existiert für Eltern und Erziehungsberechtigte kein Dienstweg. Sie können sich bei der Lehrkraft beschweren, aber auch bei der Schulleitung, dem Schulamt oder bei anderen dienstvorgesetzten Stellen, bishin zur Regierung, dem Kultusministerium oder dem Landtag. Dieses Recht ist grundgesetzlich verbrieft: „Jedermann hat das Recht, sich (…) mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zuwenden.“ (Art. 17 Grundgesetz) Dabei sind Eltern und Erziehungsberechtigte weder an eine bestimmte äußere Form noch an eine Frist gebunden, was gar nicht so selten dazu führt, dass erst dann „nachgetreten“ wird, wenn die Lehrkraft das Kind schon nicht mehr unterrichtet. Nur inhaltlich gibt es eine Einschränkung: die Wortwahl. Für die regelt die AGO (Allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern; zuletzt geändert am 19. April 2024) in § 17: „Enthält ein Eingang grobe Beschimpfungen oder Beleidigungen (…), wird dem Absender mitgeteilt, dass der Eingang wegen der ungehörigen Form nicht bearbeitet wird.“

Das Vorgehen der Regierung

Zwei Punkte am Umgang der Regierung mit der Angelegenheit erkannte die BLLV-Expertin als inakzeptabel und – im zweiten Fall – sogar als rechtswidrig. Zum einen schickte die Regierung bereits mit der Aufforderung zu einer Stellungnahme eine Pflichtenbelehrung mit. Sowohl Lehrkraft als auch Schulleiterin wurden an ihre Dienstpflichten und die ordnungsgemäße Amtsführung erinnert. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch noch gar nicht klar, ob die Elternbeschwerde auch nur die geringste Substanz habe. Zum anderen wurden die Stellungnahmen der Kolleginnen ungefiltert an die Eltern weitergereicht. Man schrieb sie kurz und einfach von der ersten in die dritte Personbeziehungsweise die indirekte Rede um und formulierte daraus das Antwortschreiben an die Beschwerdeführer. Dabei wurden auch dienstliche Interna, welche die Schulleiterin zur Klärung des Sachverhaltes der Regierung mitgeteilthatte, weitergereicht.

Die Reaktion der Rechtsabteilung

Die Juristin des BLLV wandte sich mit einem Schreiben an die Regierung und brachte ihre Verwunderung darüber zum Ausdruck. Dieser sei der Umgang mit Dienstaufsichtsbeschwerden bedauerlicherweise wohl nicht geläufig. Sie kritisierte, dass Beamtinnen und Beamte nicht auf eventuelle Versäumnisse hingewiesen werden dürfen, bevor diese nachweisbar belegt sind. Das reine Erheben von Vorwürfen durch Eltern oder deren Rechtsvertretungen bedeute ebengerade nicht schon den Nachweis für die Richtigkeit der erhobenen Vorwürfe. Neben dem BLLV, vertreten durch die Rechtsabteilung, intervenierte auch der zuständige Bezirkspersonalrat gegenüber der Regierung und prangerte beide Punkte mit deutlichen Worten an. Die Rechtsabteilung betonte insbesondere, dass die Eltern überhaupt kein Recht hätten, eine derart ausführliche Stellungnahme als Antwort auf ihre Beschwerde zu erhalten. Dies konnte auch durch Auszüge auseinschlägigen Kommentierungen (Beamtenrecht in Bayern;Weiß / Niedermaier / Summer; Stand: April 2024) belegt werden. „Ziel der Dienstaufsichtsbeschwerde ist die Veranlassung dienstaufsichtsrechtlicher Maßnahmen gegen den betreffenden Beamten einzuleiten. Dies gilt vor allem dann, wenn der Beamte eine Dienstpflicht missachtet hat.

Die Behörde kann dem Wunsche des Beschwerdeführers entsprechen. Es besteht aber kein Rechtsanspruch auf ein bestimmtes Tätigwerden oder auf eine formelle Entscheidung der Behörde (etwa auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens). Nach Art. 17 GG (Petitionsrecht) hat der Bürger nur Anspruch darauf, dass die Behörde seine Eingabe annimmt, prüft und dem Einsender die Art der Erledigung formlos mitteilt. Die Mitteilung braucht nicht begründet zu sein.“

Keinesfalls sind den Eltern ergriffenen Maßnahmen gegenüber Bediensteten zu nennen oder diese durch Kritik an ihrer Amtsführung gegenüber Dritten bloßzustellen. Dies widerspräche der Fürsorge- sowie der Verschwiegenheitspflicht. Es wäre daher ausreichend gewesen, den beschwerdeführenden Eltern kurz und knapp mitzuteilen: „Wir haben Ihre Beschwerde überprüft und stellen abschließend fest, dass eine Verletzung der Dienstpflicht seitens der Lehrkraft aus Sicht der Regierung nicht vorliegt. Die Anschuldigungen werden somit zurückgewiesen.“

Fazit

Wie die Regierung tatsächlich mit der Elternbeschwerde gegen die Lehrkraft weiter verfuhr, ist uns nicht bekannt, da die Kollegin ja kein Mitglied ist. In einem anderen derartigen Fall jedoch konnten wir bei der entsprechenden Regierung eine Veränderung in der Vorgehensweise feststellen. Auf eine Serie von Vorwürfen eines (Querdenker-)Anwalts gegen einen Kollegen und dessen Schulleiterin widerlegte die selbe Sachbearbeiterin wie im obigen Fall zunächst alle Punkte und schloss dann kurz und knapp: „Abschließend kann festgestellt werden, dass aus Sicht der Regierung (…) kein begründetes Fehlverhalten von Herrn X und Frau Y vorliegt. Die Anschuldigungen werden somit zurückgewiesen.“

Kommentar: Unangebrachte Belehrung

Liebe Kolleginnen und Kollegen, stellen Sie sich doch mal folgende Situation vor: Sie stehen mit ihrem Wagen auf einem öffentlichen Parkplatz, wollen gerade losfahren, da kommt die Polizei und bittet Sie zu einem Gespräch darüber, wie Sie sich im Straßenverkehr ordnungsgemäß zu verhalten hätten. Vermutlich würden Sie als erstes fragen, was denn der Anlass für diese Belehrung sei.

Ungefähr so verwundern muss das Gebaren einer Bezirksregierung, die Lehrkräfte aufgrund einer Elternbeschwerde über ihre Dienstpflichten belehrt, bevor überhaupt klar ist, ob an der Beschwerde auch nur das Geringste dran ist. Die Regierung berief sich darauf, dass sie ja eine Fürsorgepflicht gegenüber den Lehrkräften habe und man sicherstellen wolle, dass diese sich (auch künftig) nicht angreifbar machen würden.

Das ist eine Misstrauensbekundung, kein Erfüllen der Fürsorgepflicht. Als Beschäftigte können wir erwarten, dass der Dienstherr davon ausgeht, dass wir unsere Tätigkeiten nach bestem Wissen ausführen. Eine Belehrung, wie man seinen Job anständig macht, tut dann Not, wenn Pflichtverletzungen in irgendeiner Form nachweisbar vorliegen, aber nicht schon dann, wenn sie von Eltern unterstellt werden.

>> zur bayerischen schule #6: Vielfalt leben



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