Auf die Frage, ob die Aufregung um die Pisa-Ergebnisse eigentlich berechtigt sei, spricht Simone Fleischmann im Interview mit dem Donaukurier Klartext: „Wir Lehrerinnen und Lehrer brauchen keine Pisa-Untersuchung, um zu schnallen, wo’s brennt – das schnallen wir die ganzen Jahre über!“
Die BLLV-Präsidentin ist das ständig gleiche Spiel leid, dass Studie auf Studie folgt, die öffentliche Aufregung hochkocht und statt nachhaltiger Lösungen halbgare bis populistische Kurzfristvorschläge folgen – wie zuletzt die Kürzung von kreativen Fächern und Englischunterricht, damit mehr Deutsch und Mathematik unterrichtet werden kann.
Vergrößern statt schütteln
„Warum ist dieses Streichkonzert überhaupt in der Diskussion?“, fragt Fleischmann daher. „Eigentlich nur, weil der Ministerpräsident lauthals davon sprach: „Eine Stunde mehr Deutsch! Da setzen wir als BLLV klar dagegen: Bei uns fällt nichts weg! Es geht nicht darum, dass die Kinder weniger von dem oder von dem brauchen und wir im bestehenden Fassl sozusagen das Wasser hin und her schütten. Sondern wir brauchen ein größeres Fass! Wir bezweifeln, dass die Kinder in Mathematik und Deutsch besser sind, wenn man kreative Fächer wie Werken kürzt. Die Kinder brauchen mehr Förderung. Wir fordern mehr Personal und eine Aufstockung der Stundentafel!“
Allerdings ist die Personalsituation aus Sicht des BLLV ohnehin schon brisant, betont Simone Fleischmann: „Ich sage deswegen brisant, weil die Gesellschaft jetzt halt auch merkt, dass es eng wird. Dass die Kinder öfter früher nach Hause kommen. Weil Kinder, wie in der Pisa-Studie festgestellt, die Kernkompetenzen nicht haben. Und weil manche Politiker jedes Jahr ein neues Fach erfinden – und was wir noch so alles tun könnten.“
Für mehr Kinder und mehr Herausforderungen braucht es mehr Profis
Die Situation werde sich sogar noch verschärfen, wenn demnächst 30.000 Kinder mehr an Grund- und Mittelschulen kommen, prognostiziert die BLLV-Präsidentin: „Dann ist die Lage noch brisanter, weil mehr Kinder mehr Lehrer bedeuten würden. Mehr Herausforderung würden mehr Profis bedeuten. Und mehr Nachholen nach Corona und wegen der Pisa-Defizite würde noch mehr bedeuten: Dreimal mehr. Aber wir haben nicht dreimal mehr, sondern wir haben weniger! Vor allem an den Mittelschulen ist es sehr schwierig.“
Apropos populistische Schnellschüsse: Überlegungen, den Personalmangel womöglich durch eine Reduzierung der Teilzeitquote lösen zu können, verweist die BLLV-Präsidentin ins Fabelreich: „Wir sind 90 Prozent Frauen in der Grundschule, 60-70 Prozent am Gymnasium. Und das Leben da draußen funktioniert nur noch, wenn Frauen Care-Arbeit machen. Wenn der Anteil von Frauen in einem Beruf so hoch ist, dann ist es logisch, dass der Anteil derer, die in Teilzeit arbeiten, so hoch ist. Nehmen sie einen Männerberuf, dann haben sie eine andere Teilzeitquote.“
Aufwerten statt einschneiden
Angehörige pflegen, eigene Kinder erziehen, das ist für Frauen eben oft nur mit einer Teilzeit-Konstruktion möglich, betont die BLLV-Präsidentin.
Gleichzeitig entscheiden sich aber auch immer mehr Kolleginnen und Kollegen einfach aus Überlastungsgründen für Teilzeit, stellt Simone Fleischmann klar: „Aktuelle Studien zeigen, dass zwei Drittel der befragten Kolleginnen und Kollegen in Teilzeit ihre Stundenzahl erhöhen würden, wenn sie die entsprechenden Arbeitsbedingungen hätten. Die müssen wir verbessern!“
>> Das komplette Interview erschien im Donaukurier vom 7.5.204 und ist als kostenpflichtiges pdf erhältlich im Online-Kiosk des Donaukurier
„Wir brauchen ein größeres Fass!“
Wie die Pisa-Ergebnisse zu werten sind und was daraus eigentlich folgen müsste, erläutert BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann im Gespräch mit dem Donaukurier – und räumt resolut mit der Mär auf, weniger Teilzeit sei eine Lösung für den Lehrkräftemangel.
UPDATE: Landtag entscheidet über Protest-Petition
So gibt die Abendzeitung die Aussagen von BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann wieder:
Lehrerverband: "Die Staatsregierung muss sich fragen, ob sie alle Kinder im Blick hat"
Aufgebracht ist auch Simone Fleischmann. Sie ist die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV). "Die Staatsregierung muss sich fragen, ob sie wirklich alle Kinder im Blick hat", sagt Fleischmann der AZ. Denn durch die Kürzungen im künstlerischen Bereich hänge man zahlreiche Schüler ab, die sich zum Beispiel im Musikunterricht entfalten.
Die Forderung der Lehrerin: Insgesamt mehr Stunden statt Streichungen an Grundschulen. Außerdem warnt Fleischmann vor einem Auseinanderdriften des Bildungsniveaus, wenn Schulen an keine übergeordneten Vorgaben mehr gebunden sind.