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PISA: Lernbegriff entstauben statt Stunden kürzen!

Mehr Mathe und Deutsch, weniger kreative Fächer: Der BLLV kritisiert die PISA-Offensive der Staatsregierung als kontraproduktiv. Das zeigt auch die Erfahrung von Lehrkräften in Mittelfranken, stellt BLLV-Bezirksvorsitzender Markus Erlinger klar.

Die Grund- und Mittelschule Bechhofen im Kreis Ansbach zeigt täglich, was es wirklich braucht, damit Schülerinnen und Schüler besser lernen und sich nachhaltig weiterentwickeln: Der Unterricht ist in offenen Lernräumen und Lernwerkstätten organisiert, es wird selbstständig in kleinen Lerngruppen statt im Frontalvortrag gearbeitet und dabei großer Wert auf praktische Tätigkeiten gelegt. Schulvertreter, die sich aus Mittelfranken hier trafen, zeigten sich entsprechend beeindruckt.

Nur leider muss auch die Bechhofener Schule nun auch das umsetzen, was die Staatsregierung als Antwort auf die schlechten PISA-Ergebnisse 2023 ersonnen hat: Eine Stunde mehr Deutsch und Mathematik zulasten von Musik, Kunst, Werken/Gestalten und Englisch. Diese starre Vorgabe in einem offenen Konzept umzusetzen, ist natürlich eine Herausforderung – und zudem wenig sinnvoll, meint Markus Erlinger, Vorsitzender des BLLV Mittelfranken, im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk: "Die Flexibilisierung der Stundentafel ist eine Reaktion auf das schlechte PISA-Ergebnis. Die eine Stunde mehr Mathematik und Deutsch werden aber nicht viel bringen. Davon bin ich überzeugt."

Fatal: Wenn die Staatsregierung kürzt, geht es nur über AGs ...

Stattdessen braucht es endlich ein zeitgemäßes Verständnis von Lernen und Leistung, das Kinder und Jugendliche nachhaltig weiterbringt, fordert Erlinger: „Außerdem haben wir mittlerweile einen verstaubten Lernbegriff. Wir fordern seit Jahren einen innovativen Lernbegriff. Lernen und Schule muss einfach modern werden und sich den Erfordernissen der Gesellschaft anpassen und das geht leider viel zu langsam.“

Die Grund- und Mittelschule Bechhofen versucht nun durch eigene Initiative die negativen Folgen der PISA-Offensive aufzufangen, erläutert Schulleiter Gerhard Bräunlein: "Wir sind eine praxisnahe Schule. Und natürlich ist Mathematik und Deutsch wichtig. Aber diese Kürzungen wollen wir nicht einfach hinnehmen. Ich bin der Meinung, dass gerade Musik ein so wichtiger Transmitter ist. Genau wie alle anderen praktischen Fächer auch. Deshalb haben wir auch unseren AG-Bereich und versuchen so, die kreativen Fächer an unserer Schule weiterhin zu stärken."

Lehrermangel und falsche Sachentscheidungen addieren sich

Wenn Schulen die Maßnahmen, die seit Jahren erziehungswissenschaftlicher Konsens für gelingendes Lernen sind, nun gegen anderslautende Ansagen der Staatsregierung treffen müssen und dafür zusätzliche Zeit und Energie von Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern mobilisieren müssen, dann läuft definitiv etwas falsch – erst Recht, wenn eben diese Ressourcen rar sind: "Der Lehrermangel ist eine Stellschraube, auf die man großen Wert legen muss: Man muss diese Mangelerscheinung bekämpfen!“, fordert Markus Erlinger daher.

Denn nicht jede Schule kann es sich leisten, gegen die Vorgaben der Staatsregierung eine lernwirksame Schulkultur zu entwickeln. Markus Erlinger weist auf die zunehmende Heterogenität der Schülerschaft hin und „viele Kinder aus sozioökonomischen Verhältnissen kommen, die ein Lernen erschweren im Vergleich zu anderen Schülerinnen und Schülern.“ Wenn dann auch noch –  wie besonders in den Städten – massiv Personal fehlt, ist es eben schwierig, trotz kontraproduktiver Vorgaben gute Bildung anzubieten, bedauert Markus Erlinger: „Wir haben gerade in den Ballungsgebieten Schulen, die nicht gerade lernfördernd sind.“

Wenn Mangel Dauerzustand ist, bleibt die Bildungsqualität auf der Strecke

Wenn sich also in Sachen Lernbegriff in Bayern schon wenig bewegt, wäre es hilfreich, wenn Vorzeigeschulen wie die in Bechhofen wenigstens ausreichend Personal und weniger Bürokratie hätten. Das hofft jedenfalls Schulleiter Gerhard Bräunlein: „Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir einfach wieder mit weniger Mangelversorgung arbeiten können.“
 
» zum Beitrag bei BR24: „Mehr Mathe und Deutsch – Kritik an der neuen Stundentafel“