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Wir brauchen einen zeitgemäßen Leistungsbegriff

Auf dem Neujahrsempfang des BLLV Kreisverbands Starnberg werden Herausforderungen im bayerischen Bildungssystem deutlich: Personalmangel, Teilzeitmodelle und die überholte Leistungskultur werden mit Präsidentin Simone Fleischmann diskutiert.

Soll sich Schule auf Lernerfolge der Kinder konzentrieren oder darauf, sie paragraphensicher zu sortieren? Das war eine zentrale Frage beim Neujahrsempfang des BLLV Starnberg in Maising, über den der Münchner Merkur und die Süddeutsche Zeitung berichten. Auf jahrelanges intensives Hinwirken des BLLV sind nun an den Grundschulen immerhin die Zwischenzeugnisse dem Lernentwicklungsgespräch gewichen. „Das ist natürlich aufwendiger, aber viel zeitgemäßer als eine bloße Zahl“, konstatiert BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann.

Im Dialog über persönliche Fortschritte, Stärken und gemeinsame Ziele fürs zweite Halbjahr lernen Kinder so, ihre eigene Leistung einzuschätzen, zu reflektieren und Verantwortung für ihren Lernfortschritt zu übernehmen. Wie vom BLLV mit Blick auf den heutigen Stand der Erziehungswissenschaften gefordert, wird so nicht der absolute Vergleichswert fokussiert, sondern der individuelle Lernprozess, Engagement und Fortschritte dabei. Das ist deutlich motivierender und trägt langfristig zu einem höheren Leistungsniveau bei.

Druck auf alle hilft am Ende keinem

Das ist beim puren Auswendiglernen und Reproduzieren für die gute Note nicht der Fall: „Dieses Hintrimmen auf gewisse Inhalte genügt heutzutage nicht mehr“, stellt dazu auch Katharina Baur klar, Vorsitzende des BLLV-Kreisverbands Starnberg und fordert weitere Schritte.

Die sind auch aus Sicht von Hans Petter Etter nötig, Geschäftsführer im KV Starnberg, langjähriger Leiter der Rechtsabteilung und Ehrenmitglied des BLLV: „Gegen schlechte Noten gehen Eltern schon mal mit dem Anwalt vor“, berichtet er und beklagt, dass es in der Folge zu immer mehr Frühverrentungen komme. Der Druck, den auch Eltern heutzutage bei der Frage verspüren, ob ihr Kind auf die möglichst höchstangesehene Schulform gehen darf, landet letztendlich oft im Lehrerzimmer – besonders in einem Landkreis mit so viel wohlhabenden Eltern wie in Starnberg. So werden Lehrkräfte zwischen Sortierdruck und pädagogischem Anspruch zerrieben, statt, wie vom BLLV immer wieder gefordert, im partnerschaftlichen Dialog mit Eltern konstruktive pädagogische Entscheidungen für den Lernerfolg der Kinder treffen zu können.

Beim bloßen Löcher stopfen leidet die Bildungsqualität

Wenn Lehrkräfte so in die Frühverrentung getrieben werden, verschlimmert sich wiederum der ohnehin eklatante Personalmangel weiter: „Wir stopfen dauernd Löcher“, warnt Nicole Bannert, stellvertretende Kreisvorsitzende in Starnberg. Zwar seien Schulassistenzen, pädagogische Unterstützungs- und Substitutionskräfte hilfreich, es sei aber bürokratisch immer noch enorm aufwändig, diese zu engagieren. Der BLLV begrüßt in prekären Zeiten natürlich jeder Unterstützung, sorgt sich aber bei der zunehmenden Zahl von Quereinsteigern auch um die Bildungsqualität. „Man schaut ja immer runter auf Berlin, wo 60 Prozent keine richtigen Lehrer mehr sind – aber so weit sind wir in Bayern davon auch nicht entfernt“, gibt Präsidentin Simone Fleischmann zu bedenken und verweist auf 40 Prozent ungelerntes Personal in der mobilen Reserve.

Zwang geht nach hinten los

Da ist es natürlich höchst kontraproduktiv, wenn der Freistaat bei der Gestaltung der Arbeitszeit statt auf die Flexibilität, die für viele Lehrkräfte ein unerlässlicher Vorteil des Berufs ist, auf ungehörigen Zwang setzt, wie zuletzt der ehemalige Kultusminister Piazolo. Dessen Griff in den Giftschrank der Personalreglementierung mit zwangsweise verordneter Mehrarbeit, Streichung von Sabbatjahren und Einschränkung bei früherem Ruhestand hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof jetzt als das entlarvt, was der BLLV in einer gemeinsamen Klage mit einer betroffenen Lehrerin moniert hat: einen Rechtsbruch. Das Kultusministerium muss daher nun für das damals eingeführte Arbeitszeitkonto eine neue, legale Regelung erarbeiten. „Die Lehrer stellen sich natürlich ihrer Verantwortung, aber solche Regelungen müssen freiwillig sein“, stellt Simone Fleischmann klar.

In der Politik ist das mit der Verantwortung aber mitunter so eine Sache, kritisiert die BLLV-Präsidentin. Wenn beispielsweise der Ministerpräsident mit pädagogisch wenig fundierten Schnellverordnungen die eigentlichen Zuständigkeiten mit Füßen tritt, ist das kontraproduktiv: „Das hat zum Teil wenig mit der Realität zu tun“, findet Fleischmann. Zugleich erlebe man bei der Frage nach drängenden ungelösten Problemen im Bildungssystem häufig einen Verschiebebahnhof der Verantwortung: „Dieses Dreiecksspiel zwischen Bund, Land und Kommunen muss endlich aufhören“, fordert Simone Fleischmann daher.

» zum Bericht auf merkur.de: “Harte Zeiten für Lehrer”