Die beste Bildung gibt’s in Bayern, so verkauft es die Politik und verweist trotz überlasteter Lehrkräfte, Personalmangels, Digitalisierungsbaustellen und vielem mehr gerne auf Studien, die das angeblich belegen, wie aktuell das ifo Bildungsbarometer. Die Realität in bayerischen Schulen sieht allerdings anders aus – und im schlimmsten Fall riecht sie auch anders.
In der Augsburger Ulrichschule beispielsweise stank es auf dem maroden Schulklo derart bestialisch, dass Schülerinnen und Schüler sich den Toilettengang so lang verhoben, bis sie Bauchweh bekamen, oder sich lieber von ihren Eltern abholen ließen, um zuhause aufs Klo zu gehen. Das Treppenhaus ist derart baufällig, dass eine abenteuerliche Holzbalkenkonstruktion angebracht werden musste, um unter den Schritten der Schülerinnen und Schüler in der Pause nicht zusammenzubrechen. Und falls ein Feuer ausbricht, läuft der Fluchtweg über eine Hilfstreppe außen an der Fassade, die für Kinder und Jugendliche des Förderzentrums aufgrund ihrer besonderen Herausforderungen wie beispielsweise autistischen Veranlagungen kaum zu bewältigen ist.
So geht’s nicht: Eltern schleppen stinkende Kloschüsseln
Das Klo stinkt bestialisch, das Treppenhaus droht jede Pause einzustürzen: Weil das klamme Augsburg eine Schule mit ihrem maroden Gebäude alleine lässt, haben nun Ehrenamtliche in den Ferien angepackt. Für BLLV-Präsidentin Fleischmann ein peinliches Unding.
Sieht aus wie in Südamerika
Dass nun zum Schulstart zumindest der Gestank aus den Klos nicht mehr das gesamte Schulhaus verpestet, ist nicht etwa politischem Einschreiten zu verdanken. Denn die notorisch klamme Stadt Augsburg hat keine Mittel zur Sanierung bereitgestellt und auch sonst hat niemand finanzielle Verantwortung übernommen. Stattdessen haben in den Ferien ehrenamtliche Helfer, darunter viele Eltern, selbst Hand angelegt. „Eigentlich braucht man eine Atemmaske hier drin“, sagte einer der jungen Hilfsmonteure dabei.
Der Bayerische Rundfunk berichtet über den Fall und zeigt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann Aufnahmen von freiwilligen Helfern, die verdreckte Pissoirwände, Kloschüsseln und Bauschutt durch die Schule schleppten. „Solche Bilder kenne ich sonst nur, wenn in unserem Kinderhaus in Peru etwas repariert werden muss“, zeigt sich Fleischmann schockiert. „Aber sowas bitte doch nicht in Augsburg! Nein, so geht es nicht!“
Bankrotterklärung in Sachen Bildung
Verantwortlich für die Finanzierung der Schulen sind in Bayern die Schulträger – und das können sehr unterschiedliche sein. Der BLLV kritisiert seit Langem, dass dadurch die Verantwortung für den allseits sichtbaren Finanzierungsstau hin- und hergeschoben wird. Das Ergebnis kann aber nicht sein, dass dann Dritte die Last zu tragen haben, stellt Simone Fleischmann klar: „Wir können nicht auf die Finanzkraft der Eltern zurückgreifen, wenn es um Schulgebäude geht. Wir können nicht hoffen, dass es einen Finanzier gibt, der eine Million da reinsteckt, weil er nicht weiß, wo er sein Geld hinpacken soll. Wir können nicht hoffen, dass eine Stiftung diese Schule gut ausstattet.“ Stattdessen müsse hier endlich politische Verantwortung übernommen und gehandelt werden.
Denn ansonsten geht das Wegschauen zulasten der Bildungschancen einer ganzen Generation: „Das ist nochmal mehr Bildungsungerechtigkeit“, kritisiert BLLV-Präsidentin Fleischmann und fragt: „Was machen wir denn dann in einem armen Stadtviertel, in dem 95 % Migration ist, wo keiner mitfinanzieren kann, wo es keine Eltern gibt, die den Förderverein stemmen und die Schule unterstützen? Diese Kinder haben dann ganz verloren!“
Es braucht viel mehr als funktionierende Klospülungen
Schulleiter Michael Böck freut sich umso mehr, dass wenigstens das drängendste Problem an seiner Schule – das viele andere bayerische Schulen leider ebenfalls nur zu gut kennen – inzwischen behoben ist: „Es ist unglaublich, dass dieser Geruch raus ist. Es ist einfach alles weg. Das ist unglaublich.“
Die anderen Baustellen im Augsburger Förderzentrum bestehen indes weiter. Derzeit bleibt nur das Prinzip Hoffnung, dass diejenigen, die in Bayern gelingende Bildung verantworten, bald Lösungen finden, damit Kinder und Jugendliche, die eigentlich beste Bildung und besondere Förderung brauchen, noch nicht einmal im Brandfall einen vernünftigen Fluchtweg haben.
Denn der Anspruch müsste eigentlich ein ganz anderer sein: Schulen sollten Lern- und Lebensräume sein, die eine aktivierende, motivierende Atmosphäre vermitteln, die Rückzugsmöglichkeiten und flexible Räume für zeitgemäße Lernformate bieten. Bildungsforschende nutzen für so etwas gerne den Begriff des „dritten Pädagogen“ als ideale Zielvorstellung.
Pädagogisches Ideal und bayerische Realität
Selbst wenn das schwer erreichbar scheint, zeigt ein aktueller Bericht der Süddeutschen Zeitung zumindest, wie viel besser Schule funktioniert, wenn mit großen, flexibel nutzbaren Räumen geplant wird, breite Schulflure und großzügige Aulen realisiert und multiple Nutzungskonzepte bedacht werden – denn auch Architekten weisen darauf hin, dass Schulgebäude oft langlebiger sind als pädagogische Konzepte.
Solange aber Eltern den Sanierungsstau der vergangenen Jahrzehnte buchstäblich auf den eigenen Schultern durch den Freistaat schleppen müssen, ist Bayern davon definitiv noch sehr weit entfernt.
» zum Beitrag in der Abendschau: „Ehrenamtliche Sanierung an der Ulrichschule“
Weitere Medienberichte
Aussagen aus dem Bericht in "quer":
"Die Dreifachsporthalle aus den 70er Jahren steht da schon noch, aber Schuldirektorin Susanne Täufer wird diese Vorzeigehalle wohl nie wieder benutzen. Sie wird nicht mehr saniert. Diese Halle wird jetzt vor sich hin rotten."
"Es ist nur ein Beispiel für den maroden Zustand vieler bayerischer Schulen landauf, landab. Meldungen von sogenannten Wanderklassen auf der Suche nach intakten Räumen von Schülern, die mit Dixieklos vorlieb nehmen müssen, von Lehrplänen, die wegen der Zustände nicht erfüllt werden können."
