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Woran liegt der Lehrkräftemangel? Der BR geht der Frage nach. Startseite
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Mehr Praxisnähe, bessere Arbeitsbedingungen, weniger Bürokratie – wie wir dem Lehrkräftemangel Herr werden

Lehrkräftemangel ist komplex, die Ursachen vielschichtig. Der BR-Beitrag benennt vor allem die mangelnde Praxisnähe des Studiums und die hohe Arbeitsbelastung durch Bürokratie. Gewarnt wird zu Recht davor, Teilzeitregelungen bei Lehrkräften mit Zwang einzuschränken. Gezielte Anreize und strukturelle Verbesserungen könnten den Lehrberuf dagegen deutlich attraktiver machen.

In der Öffentlichkeit herrscht Unverständnis über den Lehrkräftemangel in Bayern. Warum fehlen tausende Lehrerinnen und Lehrer, wenn dem Kultusministerium die Geburtenraten und damit die Schülerzahlen und Anforderungen an die Unterrichtsversorgung bekannt sind? Das Unverständis seiner Leserinnen und Leser hat der BR zum Anlass genommen, um das Problem des Lehrkräftemangels einer breiten Öffentlichkeit zu erklären. Auf der Suche nach Ursachen und Lösungen hat die Redaktion unter anderem mit Prof. Dr. Klaus Zierer, Professor für Schulpädagogik an der Uni Augsburg gesprochen.

Die Gründe für den Lehrkräftemangel in Bayern sind vielseitig. Einer der offensichtlichsten Gründe ist das sinkende Interesse am Lehramtstudium mit kontinuierlich abnehmenden Studierendenzahlen. Weniger als 7 % der Abiturient:innen in Bayern entscheiden sich für ein Lehramtsstudium, verglichen mit 15 % vor zehn Jahren. Besonders betroffen ist das Lehramt für Mittelschulen mit einem Rückgang von 738 auf 368 Studierende zwischen 2013 und 2022. Prognosen zeigen, dass insbesondere an Mittelschulen die Versorgungsquote in drei Jahren von derzeit 96 Prozent auf 88 Prozent sinken wird - das sind dramatische Zahlen.

Praxisschock und hohe Arbeitsbelastung durch zusätzliche Aufgaben

Hinzu kommt die sehr hohe Abbruchquote: Mehr als die Hälfte der Studierenden bricht ihr Studium in der Praxisphase ab. Als Gründe werden vor allem die fehlende Praxinähe in der ersten Studienhälfte und die mangelnde Vorbereitung auf die Realitäten des Schulalltags genannt. Dieses Phänomen ist unter dem Begriff “Praxisschock” bekannt. Hinzu kommt, dass viele Lehrkräfte der Generation der Babyboomer angehören und bald in Rente gehen, was die Zahlen noch verschärft. Der Lehrberuf gilt als "sehr fordernd" und führt dazu, dass 80 Prozent der Lehrkräfte vorzeitig in Rente gehen. 

Als weitere Gründe nennt der Beitrag die zunehmend heterogene Zusammensetzung der Klassen, zusätzliche Aufgaben wie Bürokratie, die schleppende Digitalisierung, die Einführung der Ganztagsangebote und unerwartete Herausforderungen wie die Integration junger Geflüchteter. Solche zusätzlichen Herausforderungen könnten in einem System, das ohnehin auf Kante genäht ist, nicht mehr bewältigt werden. Zierer betont, dass bestimmte Aufgaben, die nichts mit dem pädagogischen Auftrag zu tun hätten, den „Kindern nichts bringen“ und Lehrkräfte von ihrer eigentlichen Arbeit abhalten.

Teilzeit und Attraktivität des Lehrerberufs

Der BR-Beitrag thematisiert auch die hohe Teilzeitquote bei Lehrerinnen und Lehrern, die oft als einer der Gründe für den Lehrkräftemangel genannt wird. Über 54 Prozent arbeiten in Teilzeit, unter Grundschullehrkräften sogar 63 Prozent. Allerdings machen gerade die Teilzeitmodelle den Beruf so attraktiv. Es ist gerade die Familienfreundlichkeit, die den Lehrberuf vor allem für Frauen so reizvoll macht. Zwei Drittel der Lehrkräfte in Bayern sind Frauen. Immer wieder hatte auch Ministerpräsident Söder die Einschränkung der Teilzeitmöglichkeiten als Lösung für den Lehrkräftemangel herangezogen. Die Teilzeit durch Zwang oder Druck einzuschränken, ist allerdings kontraproduktiv. Dies würde die Stimmung in den Schulen nicht verbessern. Stattdessen sollten finanzielle Anreize geschaffen werden, damit Lehrkräfte freiwillig mehr unterrichten wollen.

Verbesserung der Lehrkräfteausbildung zentral

Der wichtigste Ansatz ist die Verbesserung der Lehrkräfteausbildung, um Studierende besser auf die Realität im Schulalltag vorzubereiten. In dem Zusammenhang nennt Klaus Zierer auch die „Entrümpelung des Schulalltags“: Lehrkräfte sollten von Aufgaben entlastet werden, die keinen pädagogischen Mehrwert haben. Lösungsansätze wie praxisnahere Ausbildung, angepasste Teilzeitmodelle, Entlastung der Lehrerinnen und Lehrer und Förderung von Quereinsteigern könnten Abhilfe schaffen. Im Beitrag wird klar, dass ein ausgewogenes Vorgehen wichtig ist, um die Attraktivität des Berufs nicht zu gefährden. Die bayerische Kultusministerin Anna Stolz hat angekündigt, noch im Winter ein Konzept gegen den Lehrkräftemangel vorzulegen. "Sicher wird das Thema Teilzeit da auch eine Rolle spielen", so Stolz gegenüber BR24. Es bleibt abzuwarten, ob das Kultusministerium endlich den Ratschlägen der Profis aus der Praxis und Wissenschaft folgen wird. Man kann es den Kindern, die direkt vom Lehrkräftemangel geprägt werden, nur wünschen.