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Kommentar zu den Ergebnissen der PISA-Studie der BLLV-Präsidentin Startseite
Bildungsgerechtigkeit Bildungsqualität

Bildungsland Bayern: Fakt oder Illusion?

"Die aktuelle PISA-Studie ist ein Schlag ins Gesicht unseres Landes, und zwar nicht Bayerns, sondern Deutschlands" so Ministerpräsident Dr. Markus Söder zu den Ergebnissen der PISA-Studie. Wunschdenken - denn die Ergebnisse gelten natürlich auch für Bayern.

In seiner Regierungserklärung am 5. Dezember im Bayerischen Landtag relativierte Ministerpräsident Dr. Markus Söder die alarmierenden Ergebnisse der PISA-Studie 2022. Die Aussage mag verwundern, denn aus der PISA-Studie lassen sich keine Ergebnisse für Bayern entnehmen. Es werden schließlich nur Daten für ganz Deutschland erhoben. Worauf fußt der Ministerpräsident dann aber seine Argumentation? Steht das Bildungswesen in Bayern wirklich so gut dar oder haben wir es mit einer Wunschvorstellung zu tun?

Die PISA-Studienergebnisse gelten natürlich auch für Bayern

Wer heutzutage wirklich noch geschockt ist über die besorgniserregenden Ergebnisse der PISA-Studie, der hat in den vergangenen 23 Jahren die Augen vor der Realität verschlossen. Die PISA-Studie zeigt erneut auf, dass es um die schulischen Leistungen der Schülerinnen und Schüler schlecht steht. Damit reiht sich die PISA-Studie 2022 ein, in eine Vielzahl von internationalen Vergleichsstudien, die in den vergangenen Jahren und Monaten die alarmierenden Kompetenzrückgänge der Schülerschaft dokumentierten. In den Bereichen, Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften sind die Kompetenzeinbußen überdurchschnittlich groß. Fast jeder sechste Jugendliche hat in allen drei Bereichen deutliche Defizite. Deutsche Schülerinnen und Schüler schneiden so schlecht ab wie nie zuvor. Hinzu kommt, dass die Bildungsungleichheiten in Deutschland enorm sind und nach wie vor stark von sozialen und herkunftsbezogenen Faktoren abhängig.
 

Allgemeine Infos zur PISA-Studie

  • Die PISA-Studie ist eine international vergleichende Schulleistungsuntersuchung und wird üblicherweise im Drei-Jahres-Rhythmus erhoben.
  • Deutschland beteiligt sich seit Beginn der Erhebung im Jahr 2000 zum achten Mal.
  • Weltweit beteiligten sich rund 690.000 Schülerinnen und Schüler an PISA 2022, repräsentativ für 29 Millionen 15jährige in 81 Staaten und Volkswirtschaften.
  • In Deutschland haben 6116 Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 Jahren in 257 Schulen den PISA-Test absolviert.
  • Aufgrund der Schulschließungen durch die Corona-Pandemie wurde die aktuelle PISA-Studie um ein Jahr verschoben. Die Ergebnisse von PISA-2022 wurden gestern vorgestellt.

Der gesamte Berichtsband steht unter dem folgenden Link kostenlos zum Download bereit
» www.pisa.tum.de/pisa/pisa-2022/



Äpfel mit Birnen vergleichen

Möchte man dem Ministerpräsidenten glauben, gibt es trotz der Ergebnisse keinen Grund zur Sorge – zumindest nicht, solang man eine Schule in Bayern besucht. Doch wie kommt er zu so einer Einschätzung? Um dies nachvollziehen zu können, reicht es eben nicht aus, nur auf die PISA-Studie zu schauen. Das hat auch die bildungspolitische Sprecherin der CSU-Fraktion Dr. Ute Eiling-Hüttig erkannt:

Die Ergebnisse lassen sich nämlich nicht 1 zu 1 auf Bayern herunterbrechen. Teilweise werden aufgrund der unterschiedlichen Erfassungsquoten Äpfel mit Birnen verglichen. Es fehlt eine länderspezifische Auswertung, sodass wir aus den Zahlen für Deutschland keine genauen Aussagen zu den bayerischen Schulen ableiten können.‘

Es braucht also innerdeutsche Vergleichsstudien, die die Ergebnisse tatsächlich differenzieren und für die einzelnen Bundesländer ausweisen. Diese Daten werden seit 2009 u. a. im Rahmen der IQB-Bildungstrends erhoben.
 

Allgemeine Infos zu den IQB-Bildungstrends

  • IQB-Bildungstrends sind Teil der Gesamtstrategie der KMK zum Bildungsmonitoring und liefern Beschreibungen von Ergebnissen zur Bildungsqualität als Rückmeldung an verantwortliche Akteure und Öffentlichkeit
  • Im IQB-Bildungstrend 2022 wurde zum dritten Mal das Erreichen der Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz (KMK) in den Fächern Deutsch, Englisch und Französisch in der Sekundarstufe I überprüft
  • Die Erhebung findet in allen 16 Bundesländern statt
  • IQB Bildungstrends 2022: Im Fach Deutsch haben 32.990 Schülerinnen und Schüler aus 1.610 Schulen teilgenommen und im Fach Englisch haben 31.159 Schülerinnen und Schüler aus 1.542 Schulen teilgenommen



Doch die Ergebnisse sind nicht weniger ernüchternd. Denn auch hier zeigt sich im Fach Deutsch ein starker Abwärtstrend. Die Lese-Kompetenz der Neuntklässler in Bayern ist 2022 im Vergleich zum Jahr 2015 um 17 Prozentpunkte – das entspricht fast einem ganzen Schuljahr ! – gesunken. Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards im Lesen nicht erfüllen, haben Schwierigkeiten, grundlegende Informationen aus einfachen und kurzen Texten zu entnehmen und diese mit ihrem vorhandenen Weltwissen zu verknüpfen.

Wenn auch Bayern in einigen Bereichen im Vergleich zu anderen Bundesländern besser abschneidet, verdeutlicht dies nicht zwangsläufig eine herausragende Bildungsqualität. Besser ist nicht gleich gut!

Es ist nicht hilfreich, die Misserfolge des bayerischen Bildungswesens mit den noch schlechteren Ergebnissen anderer Bundesländer zu relativieren. Wie viele Studien braucht es noch, um zu erkennen, dass es so nicht weitergehen kann? Die Ergebnisse müssen endlich ernstgenommen werden. Bildungsqualität muss priorisiert werden und die dafür notwenigen politischen Maßnahmen ergriffen werden.  Es müssen Taten folgen! Ansonsten ist „Bildungsland Bayern“ bald nur noch eine schöne Illusion.“

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