Güll möchte die Menschen mitnehmen
Typisch ist die politische Karriere von Martin Güll nicht. Sein Einzug in den Landtag überraschte ihn damals selbst. Der ehemalige Schulleiter nutzte die Chance, um seine Erfahrungen in die bayerische Politik einfließen zu lassen. Gleichzeitig brachte er eine große Neugier und viel Hartnäckigkeit mit.
Nah am Menschen sein – für Martin Güll ist das nicht nur ein Spruch. Als er 2008 in den Landtag einzog, besorgte er sich deshalb ein rotes Sofa und startete die Veranstaltungsreihe „Treffpunkt Landtag“. Einen thematischen Schwerpunkt gab es nicht. Güll suchte Menschen, die etwas Interessantes zu erzählen hatten, denen er Fragen stellen und zuhören konnte. Nach seiner Wiederwahl als Landtagsabgeordneter packte er dann das Sofa in seinen Anhänger und besuchte verschiedene Orte im Landkreis Dachau. „Wo halt Platz war“, meint er. Ob ihm ein Gespräch in besonderer Erinnerung geblieben ist? Da muss er gar nicht überlegen: „Max Mannheimer. Daran erinnere ich mich noch wie heute. Das war immer mein Traum.“
Ich bin da zufällig reingeschlittert
32 Jahre lang hat Martin Güll als Lehrer und später als Schulleiter gearbeitet. Seinen Sprung von der Hauptschule Markt Indersdorf in den Bayerischen Landtag beschreibt er selbst als „überraschend“. Der Kandidat der SPD war kurzfristig ausgefallen. „Ich bin da zufällig reingeschlittert, weil mein Schulleiter-Vorgänger, ein etablierter SPDler im Landkreis Dachau, kurz vor der Wahl fragte, ob ich für den Landtag kandidieren möchte“, erinnert sich Güll. „Dabei war ich gar kein SPD-Mitglied.“ Er sprach mit seiner Familie darüber und entschied sich dann dafür. „Aber ehrlich gesagt, ich habe mir nicht viele Chancen ausgerechnet.“
Es klappte auf Anhieb. Martin Güll blickt inzwischen auf zwei Legislaturperioden als Abgeordneter im Landtag zurück. Nichts verrät, dass er erst mit 55 Jahren in seine politische Karriere startete. Er ist Vorsitzender des Bildungsausschusses im Landtag, bildungspolitischer Sprecher der SPD und inzwischen auch Gemeinderat in Hilgertshausen-Tandern sowie Mitglied im Kreistag des Landkreises Dachau. Natürlich sind die Jahrzehnte als Lehrer prägend. Martin Güll ist durch und durch Bildungspolitiker. Und seine Erfahrungen fließen in die Politik ein.
„Eines meiner letzten Erlebnisse als Schulleiter war, dass ich die erste Stelle für Jugendsozialarbeit an Schulen bekommen habe. Das war wie der Himmel auf Erden“, sagt Güll. „Da kommt eine Sozialpädagogin an die Schule und betreut die Schüler.“ Das Programm ist eine Leistung der Jugendhilfe. Sozialarbeit hatte zuvor einen großen Teil von Gülls Arbeitszeit ausgemacht. Mit der zusätzlichen Unterstützung, erzählt er, gab es plötzlich Freiräume. „Ich hatte den Kopf frei zum Beispiel für Schulentwicklung.“
Wir brauchen für alle Schulen Sozialarbeiter
Durch diese Erfahrung ist für ihn klar: „Wir brauchen für alle Schulen Sozialarbeiter, die der Staat bezahlt. Zehn Jahre hat es gedauert. Jetzt stehen in diesem zweiten Nachtragshaushalt die ersten 60 Sozialpädagogen.“ Güll fügt hinzu: „Nicht dass ich jetzt sage, ich habe das geschafft.“ Ein Bildungspolitiker in Bayern, sagt er, muss hartnäckig sein. Er muss immerzu bohren.
Was braucht ein Bildungspolitiker noch? Ideen und viel Einfühlungsvermögen, sagt Güll. Er möchte die Menschen mitnehmen und Schritt für Schritt die Bildung in Bayern verbessern. Bloß nicht überrumpeln. „Es funktioniert nicht sich etwas auf dem Papier auszudenken, wenn die Leute nicht dabei sind“, erklärt der Politiker. Eines seiner dringendsten Anliegen für die kommende Legislaturperiode ist die Situation der Lehrer. „Eines der Kernprobleme in der Bildungspolitik – gerade in der Schulpolitik – ist, dass wir es seit Jahren nicht mehr schaffen die Realität abzubilden. Also was in den Schulen wirklich los ist“, erklärt Martin Güll. „Es hat sich so viel verändert, aber die Strukturen sind weitgehend die gleichen.“ Der ehemalige Schulleiter kennt die Herausforderungen vor der Lehrer stehen, wenn sie versuchen, den individuellen Bedürfnissen ihrer Schüler gerecht zu werden. „So ein Lehrer sagt, ich bin alleine hier, wie soll ich das machen. Das ist das Kernthema: Wie schaffen wir es, denen die Bildung machen, den Lehrern, die Unterstützung zukommen zu lassen, die sie brauchen. Es braucht eine pädagogische Unterstützung, die schnell zielgerecht, bedarfsgerecht da sein muss.“
Von: Julia Halbig, BLLV Online-Redaktion