Die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die im vergangenen Schuljahr 2021/2022 eine Klassenstufe wiederholt haben, ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes deutlich gestiegen. Gemessen am Vorjahr haben demnach 67 Prozent die Klasse ein zweites Mal durchlaufen. Nicht immer sind nur die schulischen Leistungen ausschlaggebend, viele haben sich freiwillig dazu entschieden. Trotzdem zeigen die Zahlen, was politisch nicht eingestanden wird: „Kinder sind die Corona-Verlierer!“
Mehr Zeit zu haben ist gut - mangelnde Fördermöglichkeiten sind aber eine Bankrotterklärung
Drei Jahre Pandemie gepaart mit einem massiven Lehrkräftemangel hätten nichts anderes erwarten lassen, sagt Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV). „Die Kinder haben in der Corona-Zeit durchaus gelitten.“ Sie hätten Wissensdefizite und es fehle ihnen vielfach an notwendigen Kompetenzen. Viele Lehrer würden den Schülern deshalb zum Wiederholen raten, auch wenn diese vielleicht die entsprechenden Noten erreichen könnten. Grund dafür: Aufgrund des Personalmangels gebe es in der höheren Klassenstufe dann zu wenig Zeit für die benötigte Individualförderung. Für Simone Fleischmann ist das verständlich – kommt aber dennoch einer Bankrotterklärung gleich. „Denn eigentlich ist es unser Auftrag, jedes Kind mitzunehmen.“
Zurück aus dem Krisenmodus?
Doch um zu verhindern, dass Kinder länger- oder gar langfristig untergehen, müsse Druck herausgenommen werden. Bereits zu Beginn der Pandemie habe der BLLV geraten: „Jeder Schüler, der merkt, dass er es auf langer Strecke nicht schafft, sollte ein Jahr mehr bekommen.“, so Fleischmann. „Also faktisch genau das, was gerade eben passiert!“ Die Politik indes habe auf kurzfristig geänderte Versetzungsregeln gesetzt. Jetzt gelte es vom Krisenmodus zurück in einen normalen Umgang mit der neuen Situation zu finden. „Wir wünschten auch, dass es keine Corona-Verlierer gebe. Aber die Möglichkeiten, die wir haben, ein Kind gut aufzufangen, sind schlechter als sie es ohnehin schon waren. Die Kompetenzdefizite kommen erschwerend hinzu. Und mehr Herausforderungen bei weniger Personal – das schaffen wir nicht!“
Dennoch rät Fleischmann die Zahl der (freiwilligen) Wiederholer nicht überzuinterpretieren. Während ihrer zwölfjährigen Tätigkeit als Schulleiterin habe sie mehrfach erlebt, dass sich Kinder und Jugendliche bei ihrer Entscheidung, ein Schuljahr freiwillig zu wiederholen, an ihren Klassenkameraden orientieren.