Für viele Kinder beginnt der Stress in der vierten Klasse schon mit dem ersten Schultag. Schuld sind der Übertritt und das zugehörige Übertrittszeugnis - ein Dauerthema für die Kinder und die Eltern an der Schule und auch für den BLLV, der das Thema jetzt unter anderem auch mit einer neuen Veranstaltungsreihe angeht, die am 12. Oktober ihren Auftakt hatte. Seit Jahren fordert der BLLV, die bayerische Praxis zu hinterfragen. Denn die individuelle Förderung sowie die Chancen- und Bildungsgleichheit sind im aktuellen System nicht gegeben. Im Vergleich der Bundesländer basiert fast nur noch in Bayern die Übertrittsempfehlung in der 4. Klasse vor allem auf dem Durchschnitt der drei Noten der Schülerinnen und Schüler in den Fächern Deutsch, Mathematik, Heimat- und Sachunterricht.
Schon vor einiger Zeit betonte deshalb Simone Fleischmann, die Präsidentin des BLLV: „Die Stellen nach dem Komma entscheiden heute in Bayern erstmal über den weiteren schulischen Weg eines neun- oder zehnjährigen Kindes. Dieses Prinzip widerspricht einem modernen Menschenbild sowie der kindgerechten Ermöglichung von Bildungs- und Lebenschancen ebenso wie den Prinzipien einer individuellen Sicht auf die Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern. So sorgt dieses System für eine weiter wachsende Ungerechtigkeit im bayerischen Bildungssystem." Dass Bayern auch deshalb das Schlusslicht bei der Bildungsgerechtigkeit in Deutschland bildet, ergab zuletzt die ifo-Studie vom 14. Mai 2024.
Leistung unter Angst und Stress
Dabei ist der Übertritt in der vierten Klasse nur der Höhepunkt von all dem Leistungsstress, dem die Kinder schon in der Grundschule ausgesetzt sind. Auch die aktuelle Diskussion rund um die "Exen" in Bayern wirft ein Licht auf das größere Thema. "Wir haben derzeit die Diskussion über unangekündigte Exen und allein diese zeigt deutlich, in welch leistungsorientierter Gesellschaft wir in Bayern leben. Es ist für viele selbstverständlich, dass Kinder unter Angst Leistung bringen sollen. Die Exen abzuschaffen bedeutet für manche, die Leistungsgesellschaft abzuschaffen. Wir Lehrkräfte bemerken aber, unter welch enormem Druck Kinder bereits im zweiten Halbjahr der zweiten Klasse stehen, wenn es zum erstenmal Noten gibt, wenn der Leistungsvergleich wirklich sichtbar wird. In der jetzigen vierten Klasse endet das Schuljahr für viele Anfang Mai mit dem Übertrittszeugnis. Das Schuljahr wurde mit dem Blick auf April 2025 begonnen und das Kind muss bis dahin 'performen'. Der Stress beginnt mit dem ersten Schultag", so BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann im Interview mit der Abendzeitung (AZ), das am 19. Oktober in der Printausgabe erschienen ist.