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Traurige Realitäten, auf die geschaut werden sollte

Im November empfiehlt das Forum Lesen drei Bücher für Jugendliche, die sich mit schweren Themen wie Mobbing, Rassismus, Depression und Suizid befassen. Lohnende Bücher, da sie wertvolle Handlungstipps geben, ohne die Realität zu verharmlosen.

Alle Farben Grau

Von Martin Schäuble

 

 

 

 

  • Verlag: Fischer
  • ISBN: 978-3-7373-4329-9
  • Preis: 15,50 Euro
  • Seiten: 170
  • Altersempfehlung: ab 14 Jahren

Paul ist sechzehn, Autist, hochintelligent und selbstmordgefährdet. Letztendlich entscheidet er sich bewusst dafür, aus dem Leben zu scheiden.

Das Jugendbuch basiert auf einer wahren Geschichte. Viele Betroffene, Freunde und Pauls Familie kommen zu Wort. Der Autor hat ihre Berichte und Erzählungen in einem bewegenden, emotionalen Roman zusammengefasst.

Inhalt:

Paul ist sechzehn und hat schwere psychische Probleme. Obwohl er hochintelligent ist, Japanisch lernt und sogar in Japan ein Internat besuchen kann, obwohl er eine liebevolle Familie hat und seit Jahren in Therapie ist, zweifelt er an sich und hört auf seine innere Stimme, die ihn ständig kleinmacht. Selbst ein Aufenthalt in einer Akutklinik hilft ihm nicht wirklich. Letztendlich entscheidet Paul sich bewusst dafür, Selbstmord zu begehen und setzt dies auch um. Zurück bleiben seine Familie, seine Freunde, Therapeuten, Lehrer…  

Bewertung:

Der bekannte Autor Martin Schäuble greift mit diesem Roman, der sich an Jugendliche, aber ausdrücklich auch an Erwachsene wendet, erneut ein schwieriges und hochsensibles Thema auf und stellt sich gleichzeitig schonungslos einem Tabu. Basierend auf einer wahren Geschichte, einem Suizid, den ein Sechzehnjähriger in Frankfurt verübt hat, erzählt er von Paul, einem Jungen, der schon immer anders als die anderen war. Er lässt dessen Leidensweg lebendig werden, denn Paul hat mit quälenden Depressionen und Suizidgedanken zu kämpfen, aus denen er zum Schluss keinen Ausweg mehr sieht.

Für sein Buch hat sich der Autor intensiv mit dem Thema befasst, hat in Frankfurt mit den Hinterbliebenen und Betroffenen gesprochen und ihre Gedanken und Erlebnisse in einem Roman zusammengefügt. Eltern, Freunde, Lehrer, Mit-Patienten aus der Jugendpsychiatrie kommen zu Wort, aber auch Paul selbst.

Schäuble, aber auch Pauls Eltern wollen, dass die Gesellschaft psychische Erkrankungen wahrnimmt, dass sie sich damit auseinandersetzt und Betroffenen zu helfen versucht. Pauls Geschichte bewegt und nimmt den Leser mit. Gleichzeitig kann sie den Leser auch sensibilisieren, einen Anlass für intensive Gespräche bieten und so vielleicht dafür sorgen, dass anderen betroffenen Jugendlichen geholfen wird, indem frühzeitig Warnsignale von ihrem Umfeld wahrgenommen werden und darauf reagiert wird.

Sicherlich ist dies keine einfache Lektüre und Jugendliche sollten damit auf keinen Fall allein gelassen werden. Andererseits steigt die Zahl der Jugendlichen, die mit Depressionen zu kämpfen haben. Insofern besitzt Schäubles Roman eine traurige Aktualität.

Für den Einsatz im Unterricht gibt es hierzu auch Unterrichtshilfen.

Unsichtbar

Von Eloy Moreno

 

 

 

 

  • Verlag: Fischer-Sauerländer
  • ISBN: 978-3-7335-0729-9
  • Preis: 9,90 Euro
  • Seiten: 335
  • Altersempfehlung: ab 14 Jahren

Der Protagonist, der namenlos bleibt, ist ein fleißiger Schüler, dem seine schulischen Leistungen wichtig sind. Als er einem seiner Mitschüler beim Mathetest das Abschreiben verweigert, wird dieses NEIN zum Auslöser für eine beispiellose Mobbingjagd, die fast ein tragisches Ende findet.

Mit seinem packend geschriebenen, hochemotionalen Roman berührt der Autor den Leser zutiefst. Es ist ein eindringliches Plädoyer für das Hinsehen und Eingreifen, ein Buch, dem man viele Leserinnen und Leser wünscht.

Inhalt

Der Protagonist, der namenlos bleibt, ist ein fleißiger Schüler, dem seine schulischen Leistungen wichtig sind. Als er einem seiner Mitschüler, der im Roman mit MM bezeichnet wird, beim Mathetest das Abschreiben verweigert, wird dieses NEIN zum Auslöser für eine beispiellose Mobbingjagd, die MM zusammen mit zwei anderen Mitschülern über Monate gegen ihn inszeniert. Es vergeht kaum ein Tag, an dem der Rücken des Opfers nicht im Unterricht mit allen möglichen Gegenständen von hinten malträtiert wird, sein Pausenbrot wird ihm entrissen und zertreten, sein Rucksack ausgeleert und der Inhalt verteilt, die drei lauern ihm auf, schubsen und schlagen ihn, er wird auf Social Media verspottet u.v.m.

Helfen könnten ihm sein Freund Zaro und seine Mitschülerin Kiri, in die er heimlich verliebt ist, doch beide setzen sich nicht offen für ihn ein und so zieht er sich nach und nach auch vor ihnen zurück, weil er sich dafür schämt, dass er sich aus lauter Angst nicht gegen die Attacken von MM wehrt.

Eines Tages, als er auf einer Parkbank sitzt und voller Panik dem Nahen seiner Peiniger entgegensieht, gehen diese zu seiner Überraschung einfach an ihm vorbei, ohne ihn zu schlagen. Er erklärt es sich so, dass er sich möglicherweise unsichtbar machen kann. Diese Unsichtbarkeit ist für ihn auch die Erklärung dafür, dass ihm niemand in seiner verzweifelten Situation hilft, nicht seine Eltern, die mit der Alltagsbewältigung beschäftigt sind, nicht Passanten, die Zeugen von Attacken werden und nicht eingreifen, nicht die Lehrkräfte, die sich einfach abwenden und den Dingen nicht auf den Grund gehen, und schon gleich gar nicht die Mitschüler:innen, deren Applaus MM erst richtig anstachelt.

Hilfe erhält er erst von einer Lehrerin, die selbst als Kind Mobbingopfer war und weiß, dass sie eingreifen muss. Dennoch kann sie nicht verhindern, dass er sich in seiner Verzweiflung fast von einem Zug überfahren lässt. Erst in letzter Sekunde weicht er aus, wird aber noch gestreift und schwer verletzt.  

Bewertung

Der Roman, der ausbuchstabiert, was sich bei Mobbing abspielt und welche Folgen es hat, wird vom Ende her erzählt: Der Lesende erfährt, dass der Ich-Erzähler im Krankenhaus liegt und von sich selbst sagt, er sei nicht verrückt. Dann beginnt er der Psychologin, die sich um ihn kümmert, zu erzählen, warum er versucht hat, unsichtbar zu werden. Erst ganz zum Schluss erfährt der Lesende, wie es zu der schweren Verletzung gekommen ist, deretwegen er im Krankenhaus liegt. So zieht sich ein Spannungsbogen vom Beginn der erschütternden Handlung bis zum Schluss.

Im Wechsel berichten ein Ich-Erzähler und ein auktorialer Erzähler. Letzterer löst den Ich-Erzähler immer wieder ab, führt das Geschehen weiter und stellt dem Leser das Handeln der Figuren dar, gibt aber auch Einblick in deren Gedanken und in Lebenssituation. Sein Blick auf die Geschehnisse ist fast noch ergreifender als die Erzählung des Opfers in der Ich-Perspektive, wenn er das Verhalten der Figuren beschreibt und aus der Beobachterrolle heraus erklärt.

Mit seinem packend geschriebenen, hoch emotionalen Roman berührt der Autor den Leser zutiefst. Es ist ein eindringliches Plädoyer für das Hinsehen und Eingreifen, ein Buch, dem man viele Leserinnen und Leser wünscht.

Der Autor selbst hat der Geschichte noch Erklärungen hinzugefügt, die die typischen Phasen von Mobbingprozessen beleuchten und Betroffenen Handlungstipps geben. Des Weiteren bietet der Verlag kostenfreies Unterrichtsmaterial zu diesem Buch. Lehrkräfte finden hier zahlreiche Anregungen und Begleitmaterial zur Lektüre.

Die Tasche

Von Houssein Kahin und Kornelia Wald

 

 

 

 

  • Verlag: Arena
  • ISBN: 978-3-401-60782-5
  • Seiten: 217
  • Preis: 15,00 €
  • Altersempfehlung: ab 14 Jahren

Mohammed soll stellvertretend für seine Mitschüler:innen den jährlich verliehenen Diversity-Preis für seine Schule entgegennehmen. Allerdings sieht er den Preis kritisch, da er selbst immer wieder Opfer von Vorurteilen und Rassismus wird. Daher will er die Preisverleihung boykottieren.

Ein packender Roman, der den alltäglichen Rassismus entlarvt und zeigt, dass es noch ein weiter Weg bis hin zur echten Integration von Menschen mit Migrationshintergrund und zu gelebter Diversität in Deutschland ist.

Inhalt

Der 17jährige Mohammed besucht ein deutsches Gymnasium, das sich Diversity auf die Fahnen geschrieben hat und für seine Projekte den alljährlichen Diversity-Preis verliehen bekommen soll. Mohammed wurde ausgesucht, diesen im Rahmen eines Festaktes gemeinsam mit seiner Englischlehrerin entgegenzunehmen, da er ein ausgezeichneter Schüler ist, der durch Fleiß und hervorragende Mitarbeit glänzt. Allerdings hält er diese Preisverleihung für zutiefst verlogen, weil er sich als gebürtiger Libanese überall in seinem Alltag, insbesondere aber ganz massiv auch an seiner Schule, jeden Tag Vorurteilen, Intoleranz und Rassismus ausgesetzt sieht. So wurde er erst kürzlich eines Diebstahls bezichtigt, den er nicht begangen hatte.

Daher will er die Preisverleihung boykottieren und, anstatt den Preis entgegenzunehmen, mit seinen Freunden zum Sport gehen. Allerdings hat er seine schwarze Sporttasche in der Aula der Schule vergessen. Diese steht, als die Veranstaltung beginnt, unter der Bühne. Als die versammelte Festgemeinschaft vor einem vermeintlichen Bombenanschlag gewarnt wird, bricht Panik unter den Gästen aus. Zeitgleich wird aber von einer Gruppe rechtsradikaler Jugendlicher, die sich um Mohammeds Mitschülerin Emilia gesammelt hat, ein Anschlag auf die Veranstaltung verübt. Im allgemeinen Chaos kommt es zu dramatischen Szenen. In der Presse ist anschließend sofort von einem islamistischen Terroranschlag die Rede.

Bewertung

Ganz verschiedene Protagonisten kommen in diesem packenden Roman in unterschiedlichen Formaten zu Wort. Mohammeds Freunde Jakob und Musa haben nämlich, wie im Vorwort erklärt wird, beschlossen, Dokumente zusammenzutragen, die die Ereignisse dieses denkwürdigen Tages lebendig werden lassen, um ein authentisches Bild davon wiederzugeben und die Deutungshoheit nicht Außenstehenden zu überlassen.  Wiedergegeben werden u.a. die Aufnahmen eines Audio-Tagebuchs, das Mohammed ausgerechnet an diesem Tag eingesprochen hat, um seine Situation als „Nicht-Bio-Deutscher“ zu beleuchten, der Bericht eines Erzählers aus der Sicht der direkt beteiligten Lehrkräfte, Chatprotokolle und Interviews.

In diesen Dokumenten wird ein lebendiges Bild einer schicksalhaft zusammengewürfelten Gemeinschaft gezeichnet und ein deutlicher Blick auf die Unzugänglichkeiten aller beteiligten Personen geworfen, insbesondere auch derer, die eigentlich wohlmeinend sind, und zugleich wird der alltägliche Rassismus entlarvt. Daneben geht es um viele andere aktuelle Themen wie z.B. Pubertät, Mobbing oder Wohlstandsverwahrlosung von Jugendlichen.

Mit seinem geschickten Spannungsbogen packt der Roman, der Gewinnertext des Vielfalter-Literaturpreises 2023, den Leser von der ersten Seite an. Die dramatischen Ereignisse am Ende lassen ihn tatsächlich atem- und sprachlos zurück.

Ein sehr empfehlenswerter Roman, der sich hervorragend als Klassenlektüre eignet.