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Tabuthema Wechseljahre – auch am Arbeitsplatz Schule

Im Herbst 2024 befragte der BLLV seine Mitglieder zum Thema Wechseljahre am Arbeitsplatz Schule. Die Resonanz war spannend und ernüchternd zugleich. Manche Antworten überraschten auch die BLLV-Präsidentin und Schirmherrin der Befragung Simone Fleischmann.

Jede vierte Frau reduziert wegen Wechseljahresbeschwerden ihre Arbeitszeit, wie die Studie “MenoSupport” der “Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin” (HWR Berlin) zeigt. Die Folgen eines unzureichenden Gesundheitsmanagements sind erheblich:

  • 8 von 10 Frauen erleben gesundheitliche Beschwerden in den Wechseljahren.
  • Jede vierte Frau reduziert ihre Arbeitszeit oder geht früher in Rente.

„Unternehmen, die Frauen in den Wechseljahren unterstützen, profitieren von gut ausgebildeten, erfahrenen Mitarbeiterinnen", sagt die Studienleiterin und Professorin für Wirtschaftswissenschaften Andrea Rumler von der HWR Berlin. 

Das gilt auch für Schulen. Um ein umfassenderes Bild über Frauen in den Wechseljahren am Arbeitsplatz Schule zu erhalten, startete der BLLV eine Umfrage. Alle weiblichen BLLV-Mitglieder zwischen 40 und 59 Jahren waren aufgerufen, ihre Erfahrungen zu teilen. 

Wechseljahre sind immer noch ein Tabuthema – auch unter Frauen!

Simone Fleischmann: “Frauen erleben verschiedene hormonelle Phasen. In jungen Jahren sprechen wir viel über Familienplanung oder Schwangerschaft. In der Lebensmitte beginnen die Wechseljahre, über die wir weniger reden.” 

Im Vorfeld war es besonders interessant, die Reaktionen von Kolleginnen und Kollegen im BLLV zu hören, so Simone Fleischmann. Kritische Stimmen fragten: „Haben wir nicht andere Probleme?” Auch fühlten sich Kolleginnen durch das Thema als „schwaches“ Geschlecht dargestellt. „Muss man das wirklich ansprechen?“ war eine häufige Frage. Viele männliche Kollegen gaben zu, wenig über die Wechseljahre zu wissen. Aufklärung ist dringend nötig.

In einem Beitrag der Apotheken Umschau im Juni 2024 zum Thema „Heiße Phase: Voll im Job, voll in den Wechseljahren“ wurde unter anderem der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes Stefan Düll befragt. Seine Antwort: „Die Menopausen-Thematik habe ich so für meinen Berufsstand noch nicht wahrgenommen.“ Die Autorin des Beitrags kommentierte diese Aussage verblüfft mit „Thema fertig”. Der Vorsitzende Düll ist der Auffassung, dass dadurch, dass Lehrerinnen sehr viel im Home Office arbeiten würden, Vieles aufgefangen werde. „Die Frauen sind letztlich Herrin der eigenen Zeit, so lange sie nicht im Unterricht stehen“, so Düll weiter. 

Ob seine Aussagen tatsächlich die Lebensrealität von Lehrerinnen widerspiegeln? Das wollte der BLLV aus erster Hand wissen und initiierte eine Umfrage unter seinen weiblichen Mitgliedern. Ziel: Aufklärung zur Lebensphase der Wechseljahre auf allen Ebenen. 

Die Ergebnisse der BLLV-Umfrage

Unter der Schirmherrschaft von BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann startete im Oktober 2024 die Umfrage. Der BLLV wollte wissen: Wo informieren sich Frauen, welche Angebote können in ihrem Beruf helfen und wie wirken sich Wechseljahresbeschwerden auf ihre Arbeit aus?

Denn nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch in der Medizin werden Frauen in den Wechseljahren systematisch benachteiligt. Krankenkassen haben nicht einmal einen Abrechnungsschlüssel für Wechseljahresbeschwerden, weswegen eine gründliche Behandlung für Frauenärzte wirtschaftlich nicht relevant ist. Erstaunlich ist auch, dass die Wechseljahre im Grundstudium Medizin überhaupt kein Thema sind und in der fachärztlichen Ausbildung nur am Rande und “stiefmütterlich” behandelt werden, so die Gynäkologin Claudia Sievers im Interview mit der BLLV-Akademie.

Wenn Frauenärzte kein wirtschaftliches Interesse an Frauen in den Wechseljahren haben, wo informieren sich Betroffene? Die Antworten: Nur die Hälfte informiert sich bei Fachärzten, der Großteil bei Freunden und Bekannten.

1.852 Mitglieder, darunter Lehrerinnen, Schulleiterinnen, Fachlehrerinnen, Verwaltungsangestellte und Förderlehrerinnen, nahmen teil. Ihr Durchschnittsalter lag bei 52 Jahren. 77% schätzten ihr Wissen über Symptome und Auswirkungen als (sehr) gut ein. Interessant ist, wo und wie sich die Befragten informieren. 

 

Mehr Verständnis und Aufklärung

Auch die Umfrage bestätigt, dass es dringend mehr Aufklärung braucht. Von allen 1.852 Befragten gab nur eine Person an, dass sie sich mit ihrem Arbeitgeber über das Thema Wechseljahresbeschwerden ausgetauscht hat. Durchaus bedenklich, wenn man berücksichtigt, dass der Frauenanteil im Lehrberuf an allgemeinbildenden Schulen in Bayern 2023 bei 74 % lag.

Rund 94 % der Befragten gaben an, dass nie oder nur selten am Arbeitsplatz über das Thema "Wechseljahre" gesprochen wird. Zeitgleich wünschen sich 82 % eine offenere Kommunikation.

50 % der Befragten sagten, dass Wechseljahre an ihrem Arbeitsplatz ein Tabuthema sind. 26 % verneinten dies, 23 % waren sich unsicher.

Eine Befragte wünschte sich „…mehr Verständnis seitens unseres Arbeitgebers und die Möglichkeit zur Stundenreduzierung aufgrund von Wechseljahresbeschwerden. Oft wird man als Frau in den Wechseljahren belächelt.“

Welche Symptome erlebten die Befragten und inwieweit wurden diese als Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz wahrgenommen?

Belastungen im Arbeitskontext

Die Belastungen der Wechseljahre sind vielseitig und machen sich auch im Arbeitsalltag bemerkbar. Erschöpfung (76 %) und Reizbarkeit (51 %) zählten zu den Symptomen, die die Befragten am meisten im Arbeitskontext beeinträchtigen. Auf Platz zwei landeten Hitzewallungen und Schwitzen (43 %) sowie hormonbedingte Migräne und Kopfschmerzen (40 %).

Trotz Beschwerden ließen sich nur 14 % der Befragten krankschreiben. Eine Krankmeldung sei oft nur mit „schlechtem Gewissen“ möglich. Insgesamt gab es unter allen Befragten ein großes Bedürfnis nach Wissen und Kommunikation zum Thema Wechseljahre. 

„Eine Aufklärung über dieses Thema wäre für das gesamte Kollegium sinnvoll, denn Kolleginnen und Kollegen, die nicht betroffen sind, können sich nicht so gut in die Lage versetzen und begegnen den Älteren mit Vorurteilen, wenn diese über Erschöpfung klagen und nicht mehr so viele neue Aufgaben freiwillig übernehmen."

Aufklärung, Kommunikation, Verständnis: Mögliche Entlastungen

40 % gaben an, dass sie ihre Stunden wegen der Wechseljahre reduziert haben. Was kann der Arbeitgeber Schule tun, um Lehrerinnen zu entlasten? Die vier wichtigsten Wünsche von Betroffenen:

  1. Flexible Teilzeitmöglichkeiten
  2. Sensibilisierung für die Thematik in Gesellschaft und Schule (Führungskräfte, Kollegium)
  3. Flexibilität im Arbeitspensum & Rücksichtnahme bei der Stundenplanung
  4. Klimatisierung der Klassenräume, Rückzugsmöglichkeiten und gepflegte Sanitäranlagen


» Die Ergebnisse der BLLV-Umfrage im Detail (pdf)
Wissenschaftliche Leitung der BLLV-Umfrage: Juliane Dahlke



Fazit

"Es gibt Redebedarf! Das hat die Umfrage bestätigt und das wurde in Gesprächen mit den Mitgliedern an mich herangetragen. Der Austausch unter den Kolleginnen war spannend und die Reaktionen auf die Umfrage ganz unterschiedlich. Besonders hat mich die Empathie und das Interesse vieler männlicher Kollegen berührt. Es hat mir auch gezeigt, es gibt keinen Grund, etwas zu tabuisieren, was so viele Lehrerinnen und Fachkräfte an Schulen belastet.

Es geht hier um wertvolle Mitarbeiterinnen mit viel Erfahrung. Die Studie ”MenoSupport" zeigt, dass wir mehr auf diese Fachkräfte achten müssen! Und: Ja, wir haben auch andere Probleme. Aber Lehrkräftegesundheit ist eine große Herausforderung, die sich direkt auf den Lehrkräftemangel auswirkt. Diese Umfrage ist ein erster Schritt auf dem Weg. Den wollen wir weitergehen”, so BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann.

#wirsindneunmillionen

Die Initiative “Wir sind neun Millionen” ruft zum Austausch auf und sieht Aufklärung als erstes Ziel: “Die Alterung der Gesellschaft stellt den Zusammenhalt vor immense Herausforderungen. Vorsorge und Prävention sind somit fast als politischer Akt zu verstehen. Die Wechseljahre spielen dabei schon aus quantitativen Gründen eine zentrale Rolle: Laut einer Studie werden 2030 eine Milliarde Frauen weltweit in den Wechseljahren sein. Dabei könnte man jetzt schon Hilfe leisten. In Großbritannien haben das Parlament sowie 1000 Unternehmen, darunter PwC, BBC und diverse Banken, ein Menopause-Pledge unterschrieben, nach dem Unternehmen Maßnahmen für Mitarbeitende anbieten – allen voran Aufklärung.”

Die BLLV Akademie im Gespräch mit Frauenärztin Dr. Claudia Sievers

"Mittlerweile haben ja auch die großen Unternehmen erkannt, dass Menopause ein Thema ist, mit dem sie sich beschäftigen müssen. Es ist ein ökonomischer Zwang in Zeiten des Fachkräftemangels. Kluge Unternehmen investieren in Strukturen, die Frauen in den Wechseljahren unterstützen."




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