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Späterer Unterricht, besseres Lernen?

Dänische Schulen testen den Unterrichtsbeginn um 9:15, weil Schlafforschende dann gesteigerte Aufnahmefähigkeit messen. BLLV-Präsidentin Fleischmann bestätigt Lernprobleme am frühen Morgen, für Anpassungen gebe es an bayerischen Schulen kleine Spielräume.

„Die hatten die Augen auf, aber die Hirnwellen haben noch Schlaf gezeigt.“ So fasst Schlafforscher Michael Feld Studien aus Finnland zusammen, bei denen über Messelektroden die Hirnaktivität Jugendlicher in den ersten Schulstunden untersucht wurden.

Das kennen Lehrkräfte aus dem Schulalltag nur zu gut, berichtet auch BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk: „Viele sind um 8 Uhr noch nicht wirklich leistungsfähig. Ich kenne etliche bayerische Lehrerinnen und Lehrer, die darauf Rücksicht nehmen – und falls möglich keine Probe in der ersten Stunde schreiben lassen.“

Darum tun sich junge Menschen besonders schwer

Früh aufstehen liegt dabei zwar vielen Menschen nicht, aber für Jugendliche ist es aus biologischen Gründen tatsächlich besonders schwierig: Denn im Körper von Erwachsenen wird für den Aufwachprozess das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet, um den Organismus sofort leistungsbereit zu machen. Bei Jugendlichen wird das Cortisol dagegen deutlich verzögert freigesetzt, sodass die morgendliche Leistungskurve langsamer ansteigt und die Aufnahmebereitschaft entsprechend später hochfährt.

In Dänemark haben Verantwortliche nun auf die Ergebnisse dieser medizinischen Erkenntnisse reagiert. 20 Schulen haben den Unterrichtsbeginn testweise auf 9:15 gelegt. Das bisherige Fazit eines Schulleiters: Schülerinnen und Schüler sind ausgeruhter, weniger gestresst, freundlicher und lernbereiter.

Bayern macht keine verbindlichen Vorgaben

Wäre das hierzulande auch eine Möglichkeit? "Eigentlich gibt es in Bayern keinen starr vom Kultusministerium vorgeschriebenen Schulbeginn", stellt Simone Fleischmann dazu klar. Theoretisch können Schulen also durchaus in Eigenregie später beginnen. In der Praxis scheitert das aber oft daran, dass die Zeiten des Schulalltags weitreichend verwoben sind mit beispielweise den Arbeitszeiten der Eltern oder dem öffentlichen Nahverkehr.

„Das ist eine Veränderung, die man gemeinsam angehen muss, da es viele Variablen gibt, auf die zu achten ist“, hatte BLLV-Präsidentin Fleischmann daher mit Blick auf einen ähnlichen Versuch in Baden-Württemberg gesagt. Eltern und letztlich das gesamte Schulumfeld müssen einbezogen und im Dialog Lösungen erarbeitet werden. „Flexibilität muss trainiert werden, man kann nicht einfach einen Schalter umlegen“, so Fleischmann.

Besseres Zeitmanagement

Die Herausforderung, dass Schülerinnen und Schüler möglicherweise komplett eigenständig in den Tag starten müssten, weil die Eltern eben schon in der Arbeit sind, hat dabei zwei Seiten: In Dänemark registrierten Lehrkräfte an den Versuchsschulen bei den Jugendlichen einen spürbaren Anstieg an Eigenständigkeit und selbstverantwortlichem Handeln und ein besseres Zeitmanagement auch in der Schule.

Darüber hinaus sei Arbeit insgesamt selbst einem dynamischen Flexibilisierungsprozess, analysiert BLLV-Präsidentin Fleischmann: „Die Arbeitswelt der Eltern hat sich auch verändert. Wer sagt denn, dass es immer so bleiben muss?“

Altersabhängig staffeln?

Einige Schlafforschende konstatieren zudem altersunabhängige Unterschiede und regen daher eine entsprechende Staffelung des Unterrichtsbeginns an: beispielsweise ab 13 Jahren um 9 Uhr und ab 16 Jahren um 10 Uhr. Bayerns Landesschülerrat setzt sich für einen generellen Beginn ab 9:30 ein.

Ein flexibles Modell könnte dabei möglicherweise für alle Seiten von Vorteil sein: „Es gibt auch bei den Lehrkräften Lerchen und Eulen, Frühaufsteher und Langschläfer", sagt Simone Fleischmann. In einer idealen Welt könnte das bei einem gestaffelten Unterrichtsbeginn sogar berücksichtigt werden. Für eine solche Flexibilisierung müsste allerdings zuerst der akute Lehrkräftemangel behoben werden, der bayerische Schulen bei der Unterrichtsplanung auch so schon vor teils kaum lösbare Probleme stellt.

Für die Attraktivität des Berufs und damit letztlich auch für die dringende – aber leider stockende – Nachwuchsgewinnung wäre es ebenfalls ein gutes Argument. Zudem auch die Arbeitswelt in der freien Wirtschaft dem weithin grassierenden Fachkräftemangel mit weitgehenden Flexibilisierungen zu begegnen versucht …

» zum Bericht bei BR 24: „Länger schlafen, später in die Schule – in Bayern undenkbar?“