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DSLK 2024 - Hauptvortrag zum Thema "Schulkultur" Startseite Topmeldung
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Simone Fleischmann: Demokratiepädagogik an Schule – wichtiger denn je!

Die demokratische Gesellschaft steht in weltweiten Krisenzeiten unter Druck. Alle sind sich einig: Demokratiebildung in den Schulen ist das Fundament der Gesellschaft heute und morgen. Der Hauptvortrag der BLLV-Präsidentin beim DSLK 2024 war damit hochaktuell.

Der Deutsche Schulleitungskongress (DSLK) richtet sich mit seinem Kongressprogramm an Schulleitungen, die die Schulen der Zukunft mitgestalten. Ziel ist der Ausstausch zu aktuellen Themen, die die Schulfamilie bewegen. Und das mit renommierten Top-Speakern, zukunftsweisenden Vorträgen, Workshops, Praxisforen und Diskussionsrunden zu Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Schulkultur, Führung. Schul- und Unterrichtsentwicklung.

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann war dieses Jahr Keynote Speaker zum Thema Schulkultur. Wie wichtig politische Bildung und Demokratiepädagogik sind, weiß die BLLV-Präsidentin. Mit klarer Haltung die Zukunft von Schule stärken, ist eines der Kernthemen des BLLV. Lesen Sie dazu das BLLV-Manifest "Haltung zählt" zum Schutz der Demokratie.

Keynote zum Thema "Schulkultur": Die Demokratie kippt! Demokratiebildung nicht!

Simone Fleischmann: "Demokratie steht weltweit unter Druck, sowohl durch Populismus als auch durch schwindendes Vertrauen in politische Institutionen. Die Rolle von Schule als Ort der Demokratieerziehung wird daher wichtiger denn je.

Die aktuellen Herausforderungen der Demokratie benannte die BLLV-Präsidentin wie folgt:

  • Die Gesellschaftliche Krise: Das Vertrauen in etablierte Parteien schwindet; der zunehmende Populismus und Extremismus belasten das demokratische Klima - auch an der Schule!
     
  • Die Internationale und nationale Instabilität: Der wiedergewählte US-Präsident Trump und politische Instabilität in Deutschland (Ampel-Koalition) sorgen für Unsicherheiten, auch unter jungen Menschen.
     
  • Was ist der Jugend in Bezug auf Politik wichtig? Die Jugend ist nicht politikverdrossen, sondern misstraut zunehmend den Institutionen. Ihre Hauptsorgen sind Krieg, Inflation, soziale Spannungen und Klimakrise. Der Wunsch nach Sicherheit ist groß.


Bildungsauftrag der Schule sei klar, so Simone Fleischmann: Schule vermittelt demokratische Werte und fördert politisches Engagement. Kinder und Jugendliche zeigen starkes Interesse an Mitbestimmung und politischen Themen. Zugleich haben Schulen die Aufgabe, mit der Verbreitung von Verschwörungstheorien und Falschinformationen umzugehen.




Beim Thema "Neutralität und Verantwortung der Lehrkräfte" in einer aktuellen, diversen politschen Landschaft, erinnerte Simone Fleischmann an den Beutelsbacher Konsens: Lehrkräfte sind zur Vermittlung demokratischer Grundwerte verpflichtet. Der Beutelsbacher Konsens sieht keinen Zwang zur politischen Neutralität, sondern betont die Aufgabe, kontroverse Themen aufzugreifen.




Fünf zentrale Thesen für die Demokratiebildung

1. Demokratie muss als Bildungsziel stärker im Schulalltag verankert werden.

2. Politische Bildung fördert das Verständnis für demokratische Prozesse sowie das politische Engagement und muss gestärkt werden.

3. Die Stärkung der Medienkompetenz ist entscheidend für eine informierte und kritische Teilhabe an der Demokratie.

4. Demokratischer Unterricht fördert eine respektvolle Lernumgebung und stärkt die Eigenverantwortung der Schüler:innen.

5. Demokratiepädagogik in der Lehrkräftebildung istentscheidend für die Förderung eines demokratischen Unterrichts und einer demokratischen Schulkultur.

Simone Fleischmann im Interview


"Wir müssen hinstehen, Haltung beweisen und diejenigen sein, die diese Demokratie hochhalten!"

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann im Gespräch über Demokratiebildung mit Schulentwicklungsexperten von schultransform.org:

"Wir als Lehrerinnen und Lehrer müssen uns besinnen, was eigentlich unser Kernauftrag ist – der Pythagoras oder vielleicht politische Bildung und Demokratiebildung im Sinne von: Wie ordne ich Medien politisch ein? Wie informiere ich mich? Was mache ich eigentlich, wenn ich irritiert bin und nicht mehr weiter weiß und Angst habe in dieser Welt? Jetzt, nach einer Woche, in der wir international und national erlebt haben, dass irgendwie alles im Wanken ist, stellt sich schon die Frage, ob wir bei ‘A Quadrat plus B Quadrat ist C Quadrat‘ bleiben können, oder ob wir uns besinnen sollten, welche Gefahren entstehen, wenn Schülerinnen und Schüler das alles nicht verstehen.

Als 2015 die Flüchtlingswelle – die ich gar nicht so bezeichnen möchte – kam, da habe ich im Parlament in Bayern erlebt, wie Menschen teilweise über diese Menschen gesprochen haben. Das führte dazu, dass wir als Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband ein Manifest herausgegeben haben mit dem Thema HALTUNG ZÄHLT. Wir haben uns ganz klar dafür ausgesprochen, dass wir in den Schulen die Demokratie hochhalten wollen. Wir wollen das vielfältige Zusammenleben begleiten, wir wollen respektvollen Umgang miteinander bei den Kindern.

Wenn Politik verbal aufrüstet, beeinflusst das die Schulen

Das gelingt uns aber nur, wenn wir einerseits diese Themen wichtig nehmen und andererseits auch ab und an der Politik mal sagen: ‘Könnt ihr euch vielleicht auch mal zusammenreißen?‘ Deswegen ist die Frage, wie wir mit den gesellschaftlichen Herausforderungen in der Schule umgehen, für uns eindeutig beantwortet: Wir müssen sie in der Schule thematisieren! Warum ist eine Ampel am Ende? Was bedeutet Trump? Was ist eine AfD? Was bedeuten Juniorwahlen, bei denen 40 % die AfD wählen? Da stimmt doch irgendwas nicht. Das müssen wir zum Thema machen. Wenn Schülerinnen und Schüler mich fragen: ‘Für wen bist du im Kriegsgeschehen?‘ Dann wird zurückziehen und den Kopf in den Sand stecken gefährlich! Nein, wir müssen hinstehen, Haltung beweisen und diejenigen sein, die diese Demokratie hochhalten!

Ich muss als Lehrerin schauen, was meine Kinder beschäftigt und besprechen: Was wollt ihr diskutieren, was habt ihr in den Medien gehört, was ist euch auf Tiktok begegnet? Warum sagst du ‘Du Judenschwein!‘? Was sagst du da? Ich muss also annehmen, was da gerade passiert, ich muss mit den Kindern die gesellschaftlichen Themen angehen. Ich muss aber auch als Person hinstehen und einstehen für die Demokratie, für eine Haltung und dann auch die Eltern mitnehmen, die ja oftmals lieber den Pythagoras unterrichtet hätten, als dass die Kinder zu kritischen Mediennutzern erzogen werden.

Gesunder Menschenverstand, Herz und Mut

Festhalten am Lehrplan mit Scheuklappen links und rechts und die Ohren zu machen, das wird nichts. Wir müssen unsere Systemrelevanz, wie es in Corona hieß, wahrnehmen. Wir müssen mit der Gesellschaft Diskussionen führen: Was wollt ihr denn als Auftrag der Schule? Kinder müssen lesen, rechnen und schreiben können, gar keine Frage. Wir müssen uns aber gleichzeitig aufschließen für neue Aufgaben und mit der Gesellschaft diskutieren: Was soll Schule eigentlich leisten? Das sehe ich als eine große Herausforderung. Wir müssen jetzt schauen, was hier in Deutschland passiert, wenn drei unterschiedliche Parteien es nicht mehr schaffen, dieses Land zu regieren. Was passiert in Kriegsgebieten? Warum hast du Angst vor Armut? Die Welt bietet – leider – so viele Themen, die wir alle nicht dachten, dass diese zu thematisieren sind. Aber das muss jetzt mitten rein in die Schule.

Ich muss mich dazu als Lehrerin auch mal frei machen von Vorgaben, ich muss meinen Menschenverstand einsetzen und mutig hinstehen, denn ich habe das Herz am rechten Fleck. Wir sind Pädagogen geworden, weil wir mit Kindern arbeiten wollen und nicht, weil wir Lehrpläne abarbeiten wollen. Wir wollen nicht Haken setzen und Wissen abprüfen, sondern die Gesellschaft von morgen gestalten. Wenn wir das nicht tun, wenn wir immer alles andere wichtiger nehmen, dann verlieren wir die Kinder von heute."

» Das komplette Interview (Video) bei LinkedIn


Den Nerv der Zeit getroffen: Der DSLK in den Sozialen Medien

Alle sind sich einig, dass Demokratiebildung in den Schulen das Fundament der Gesellschaft von morgen ist. Im Vortrag wurden die grundlegenden Bausteine der Demokratiepädagogik anhand von Beispielen, wie den Schul- und, Klassensprecherversammlungen, Klassenräten, Schülersprechstunden und der Kommunalpolitik, benannt, reflektiert und politisch eingeordnet.

Denn eine Schule für Demokratie braucht eine Praxis der Demokratie und keine Theorie. Die Schulleitungen prägen in hoher Eigenverantwortlichkeit und Professionalität den Schulalltag in Deutschland. Dies tun sie im Bereich der Demokratie, indem Formate der Partizipation initiieren und begleiten, aber auch Raum dafür in den Schulen schaffen. Letzteres trotz enormer Herausforderungen, seien es Krisen oder der Fachkräftemangel. Schulleitungen sind der Garant für eine funktionierende Schule im Sinne einer bestmöglichen, professionellen und demokratischen Bildung aller Schülerinnen und Schüler.

Pressemitteilung des BLLV-Dachverbands VBE

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) betont auch in seiner Pressemitteilung zum Abschluss des Deutschen Schulleiterkongresses die enorme Bedeutung der Demokratiebildung und zitiert dazu BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann aus ihrer Keynote:

"Nach dem Beutelsbacher Konsens sind Lehrkräfte zur Vermittlung demokratischer Grundwerte verpflichtet. Er sieht keinen Zwang zur politischen Neutralität, sondern betont die Aufgabe, kontroverse Themen aufzugreifen."

Die Pressemitteilung des VBE im Wortlaut:
» DSLK hatte Demokratiebildung zum Schwerpunkt



In den Medien

Auszug aus dem "Hey diggies!" Podcast: "Die Champions League der Schulleitungen oder warum Teilen die Zukunft der Bildung ist."

Simone Fleischmann: " Anhand der Diskussion zu den unangekündigten Tests entdecken wir, welches Leistungsverständnis in der Gesellschaft unterwegs ist. Und das ist eigentlich das Thema. Dahinter steckt ja, dass man meint, Leistung müsste wehtun, dass man meint, Kinder müssen aussortiert werden, Kinder müssen schlechte Noten haben, damit sie motiviert sind, weiter zu lernen. Und das ist so tradiert und so alt, dass wir deswegen ganz scharf gegen dieses Festhalten sind. Was wir wollen, ist einen modernen Leistungsbegriff, der auch den Prozess reflektiert, der Noten geben kann, aber der auch andere Rückmeldungsformate hat. Und deswegen ist es gut so, dass jetzt in Bayern über die unangekündigten Tests diskutiert wird, weil damit machen wir ein Fenster auf zur Diskussion der Leistungskultur.

Alternative Leistungsfeedbacks sind genau das, was wir brauchen. Also wir können einerseits Kindern Rückmeldung geben über ein Produkt, was man jetzt vielleicht überraschenderweise gerade erzeugt hat. Es wäre dann so eine unangekündigte Ex. Wir können Prozesse beurteilen: Wie weit hast du dich entwickelt. Wir können mit Portfolios arbeiten. Wir haben ein sehr modernes Verständnis von Leistungsfeedback im Sinne auch der 360 Grad Feedback Geschichten. Wir würden ja auch gerne haben wollen, dass Kinder ihren Unterrichtsgegenstand mitbestimmen. Darf ich das dann nicht bewerten, wenn sich der selber einen Lerngegenstandsbereich aussucht? Also wir sind schon an der Schnittstelle: Wie geht überhaupt lernen anders und dann natürlich in der Folge: Wie kann man Leistung anders rückmelden? Note kann man machen, ein sehr starkes Gespräch über Leistung führen. Lernentwicklungsgespräche gibt es in Bayern schon in den Grundschulen. Das wäre was, was man weiterführen könnte. Selbsteinschätzung Fremdeinschätzung übereinander bringen und irgendwie mal aufhören zu meinen, dass Kinder dann gute Kinder und schlau sind, wenn sie Einser haben."



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