Der Fall
Das Schriftstück war mehrere Seiten stark. In ihrer Dienstaufsichtsbeschwerde behaupteten die Eltern einer Schülerin, die Klassenlehrerin schreie ihre Tochter ständig an und behandle sie grundsätzlich ungerecht. Seit dem ersten Schultag sei die Lehrkraft voreingenommen und stachele Mitschüler dazu an, das Mädchen zu hänseln und zu kränken. Dies werde in der Schule seit Jahren geduldet, die Schulleitung sei mehrfach auf die Problematiken aufmerksam gemacht worden und unternehme einfach nichts. Zudem falle die Benotung immer falsch und zu Ungunsten der Tochter aus. Aufgrund der ständigen Misshandlungen habe sie sich in psychologische Behandlung begeben müssen; eine Fachärztin habe attestiert, dass die diagnostizierten Störungen auf das Fehlverhalten der Lehrkraft zurückzuführen seien. Zudem stelle die Lehrerin Inhalte von Telefongesprächen nicht wahrheitsgemäß dar. Und überhaupt steckten in Schule und Schulamt alle unter eine Decke.
Die Reaktion der Regierung
Die zuständige Bezirksregierung fasste in einem Schreiben an die Lehrkraft einige der Vorwürfe zusammen und forderte sie auf, innerhalb von zwei Tagen eine Stellungnahme zu verfassen. Die Bitte der Beamtin, ihr die Beschwerde komplett zur Kenntnis zu bringen, wurde ohne Begründung schriftlich abgelehnt. Außerdem wurde sie in dem entsprechenden Schreiben daran erinnert, ihre Dienstpflichten wahrzunehmen; sie habe sich achtsam und respektvoll gegenüber ihren Schülerinnen und Schülern zu verhalten. Für die Lehrerin war das ein Schock – sie fühlte sich nicht nur nicht unterstützt, sondern von ihren Vorgesetzten auch noch vorverurteilt.
Das gesetzeskonforme Vorgehen
Zunächst muss der Dienstherr den Sachverhalt klären. Dazu gehört, dass die Dienstaufsichtsbeschwerde der beschuldigten Person ausgehändigt wird. Verbunden mit der Aufforderung, eine Stellungnahme zu den Vorwürfen zu verfassen und mit dem Hinweis, dass sie nicht verpflichtet ist, sich zur Sache zu äußern. Die Rechtsabteilung des BLLV hilft in solchen Fällen gern weiter und nimmt gegebenenfalls Kontakt zu den Dienstvorgesetzten auf – so wie in diesem Fall.
Ein Anspruch auf Herausgabe der Beschwerde in Form einer kostenlosen Kopie ergibt sich über das Recht auf Akteneinsicht, Art. 107 BayBG. In aller Regel empfiehlt die Rechtsabteilung, sich schriftlich zu äußern und zu den Vorwürfen sachlich Stellung zu nehmen. Gibt es Zeugen für die Vorwürfe, sollten diese in der Stellungnahme benannt werden, damit der Dienstherr hierüber informiert ist und diese unter Umständen befragen kann. Eine solche Stellungnahme ist ausschließlich für den Dienstherrn bestimmt und darf nicht den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebracht werden.
Wenn die Vorwürfe in der Dienstaufsichtsbeschwerde und die Schilderung in der Stellungnahme einander widersprechen – was zu erwarten ist – muss der Dienstvorgesetzte sich bemühen, den Sachverhalt mittels Zeugenaussagen und/oder anderen Beweismitteln zu klären. Die Schulleitung kann Mitglieder des Kollegiums ebenso wie Schülerinnen und Schüler ergebnisoffen zu den Vorwürfen befragen. Weiter können Gespräche geführt werden, die Klarheit in die Sache bringen. Zu veranlassen hat dies die vorgesetzte Dienstbehörde.
Ist der Sachverhalt aufgeklärt, werden die Beschwerdeführer informiert. Entweder darüber, dass sich die Vorwürfe nicht bestätigt haben und die Angelegenheit damit erledigt ist – oder darüber, dass den Vorwürfen nachgegangen wurde und die geeigneten Maßnahmen getroffen wurden. Keinesfalls dürfen den Beschwerdeführern die Interna über das Dienstverhältnis bekannt gegeben werden. In der Regel wird dies auch nicht passieren.
Die Lösung
Im geschilderten Fall gab die Lehrkraft eine ausführliche Stellungnahme ab, in der sie sämtlichen Vorwürfen entgegentrat. Sie benannte drei Mitglieder des Kollegiums, die ebenfalls in ihrer Klasse unterrichteten und über ungehöriges und sozial höchst auffälliges Verhalten der Schülerin von der ersten Klasse an berichteten. Die Eltern waren auch deren Aussage zufolge zu keiner Kooperation mit der Schule bereit, kamen keiner einzigen Aufforderung zu Kontaktaufnahme und Elterngespräch nach und unterzeichneten Proben nicht. Auch das Angebot der Schulleitung zu einem gemeinsamen Gespräch ignorierten die Eltern.
Bereits bei der Einschulung hatte die Mutter der Schülerin die Schulleitung darauf hingewiesen, dass ihre Tochter sehr schwierig sei und sich aufgrund diverser Störungen schon länger in psychologischer Behandlung befinde. Die später vorgelegten Atteste hatten nicht den Inhalt, den die Mutter behauptet hatte. Nachdem sich auch die Vorwürfe gegen die Schulleitung, diese habe nichts unternommen, als gegenstandslos erwiesen hatten, wurde die Dienstaufsichtsbeschwerde zurückgewiesen. Die Regierung musste einräumen, dass der Hinweis an die Lehrkraft entbehrlich gewesen sei. //
Die Rechtskolumne erschien in der bayerischen schule #2/2023.