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Rechtskolumne Service

Vom Umgang mit Falschbeschuldigungen

Was kann eine Lehrkraft tun, wenn sie von einem Schüler bezichtigt wird, Gewalt anzuwenden? Wenn die Polizei ermittelt? Und wenn sich dann alles als Luftnummer erweist? Dem Verleumdeten bleiben Rechtsmittel. Die aber hängen ab vom Alter des Täters.

Der Fall

Ein Lehrer ruft in der BLLV-Rechtsabteilung an und bittet verzweifelt um Beratung und Vertretung. Seiner Darstel- lung nach behauptet ein Schüler in einer WhatsApp-Grup- pe immer wieder, er, der Lehrer, würde Schülerinnen oder Schüler anschreien, schlagen und in die Ecke stellen. Von der WhatsApp-Gruppe erfuhr der Kollege durch eine Schülerin, die sich ihm anvertraute. Er informierte die Schulleitung über die Vorgänge. Eltern zeigten den Lehrer bei der Polizei an. Der Vorwurf: Körperverletzung im Amt.

Die Sachverhaltsaufklärung

Die Schulleitung ist nach § 35 LDO gehalten, besondere Vorkommnisse der vorgesetzten Behörde und gegebenenfalls auch dem Sachaufwandsträger zu melden. Zuerst muss der Sachverhalt aufgeklärt werden. Die Schulleitung stellte den Schüler, dessen Namen die Mitschülerin genannt hatte, dementsprechend zur Rede; er stritt jedoch alles ab. Daraufhin forderte die Schulleitung den Schüler auf, sein Handy auszuhändigen, was er verweigerte.

Das Einziehen des Handys ist legal, da es sich um ein Beweismittel handelt, auf dem Straftaten dokumentiert sein könnten. Durchsuchen darf die Schule das Handy keinesfalls. Der Schulleiter rief die Polizei, die konfiszierte und durchsuchte das Gerät und befragte die Teilnehmer der Chatgruppe als Zeugen zu den Vorwürfen.


Das Recht auf Aussageverweigerung

Der Dienstherr forderte den Lehrer derweil auf, eine Stellungnahme zu den Vorwürfen abzugeben. Der beschuldigte Pädagoge, Mitglied im BLLV, wirkte im Austausch mit der Rechtsabteilung des Verbandes sichtlich geschockt. Er erklärte, dass es sich um Lügen handle und er sich niemals derartig verhalten würde. Er könne sich die Vorwürfe schlicht nicht erklären.

Die Rechtsabteilung riet der Lehrkraft zuallererst, keinerlei Angaben zur Sache zu machen. Lehrerinnen oder Lehrer, die sich mit Vorwürfen ihren Dienst betreffend konfrontiert sehen, müssen keine Aussage machen oder eine Stellungnahme abgeben. Sie haben grundsätzlich ein Recht auf Aussageverweigerung. Dies gilt auch gegenüber ihrem Dienstherrn.

Eine der Juristinnen der BLLV-Rechtsabteilung bestellte sich als Verteidigerin und beantragte unter Beifügung einer Vollmacht zunächst einmal Akteneinsicht bei der Polizei. Dem Schulamt teilte sie mit, dass sie nach Abschluss der Ermittlungen gegebenenfalls eine Stellungnahme abgeben werde. Die Ermittlungen der Polizei ergaben inzwischen jedoch: Der Schüler hatte die Sache erfunden. In der Befragung durch die Polizei gab er an, dass sich alle Mitschülerinnen und -schüler an ihn gewandt hätten und Mitglied in seiner WhatsApp-Gruppe hätten werden wollen. Er habe den Lehrer einfach nicht leiden können.
 

Die Rechtsmittel des Beschuldigten

Die Vertretung durch die BLLV-Rechtsabteilung war in diesem Fall also nicht mehr nötig, weil der Schüler sein Vergehen ja zugegeben hatte. Doch für den BLLV-Kollegen war der Fall damit nicht beendet. Er wollte wissen, ob er seinerseits gegen den Schüler vorgehen könne. Schließlich sei er zu Unrecht den Vorwürfen und dem Verfahren ausgeliefert gewesen. In der Rechtsabteilung stieß er mit diesen Überlegungen auf offene Ohren. Dort weiß man aus ähnlichen Fällen, wie belastend solche Vorwürfe immer sind, und dass, wie schon ein Sprichwort sagt, „irgendetwas immer hängen bleibt“.

Dem Kollegen wurde erläutert: In Betracht komme eine Strafanzeige wegen Falscher Verdächtigung nach § 164 StGB. Dort heißt es: „Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger (…) oder wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren (…) gegen ihn herbeizuführen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Das Verhalten des Schülers war in diesem Sinne strafrechtlich relevant – auch wenn das diesem offensichtlich nicht bewusst war.

Der Rechtslage zufolge bestehe auch die Möglichkeit, von dem Schüler eine sogenannte Strafbewehrte Unterlassungserklärung zu verlangen. Diese untersagt unter genauer Schilderung der falschen Vorwürfe dem Schüler, ein solches Verhalten zu wiederholen. Im Wiederholungsfall erklärt sich der Schüler mit einer Strafzahlung in erheblicher Höhe einverstanden. Solche Unterlassungserklärungen sind im Fall von gesicherten Tatsachenbehauptungen auch gerichtlich durchsetzbar.

Die Rechtsprechung hat im Fall von Strafbewehrten Unterlassungserklärungen allerdings eindeutig entschieden, dass diese nicht gegenüber Minderjährigen erhoben werden können. Im vorliegenden Fall kamen diese Maß nahmen daher nicht in Frage: Der Schüler war noch keine 14 Jahre alt, war also nicht nur minderjährig, sondern noch nicht strafmündig. Allerdings ist es der Schule unbenommen, den Vorfall mit Hilfe des Ordnungsmaßnahmenkatalogs des Art. 86 BayEUG zu ahnden. Die Eltern des Schülers haben den Anschuldigungen des eigenen Kindes Glauben geschenkt, was sie auch durften. Daher können sie wegen ihrer Strafanzeige nicht belangt werden.

Die Rechtskolumne erschien in der bayerischen schule #6/2022.