Die Schulleitungen in Bayern stehen vor einem großen Problem. Vor circa eineinhalb Wochen wurde ihnen von Seiten des Kultusministeriums angekündigt, dass ab dem 04.10. schwangere Lehrkräfte wieder in die Schule zurückkehren dürfen. Das allgemeine betriebliche Beschäftigungsverbot wird aufgehoben und die Schwangeren sollten nach einer individuellen Gefährdungsbeurteilung durch die Schulleiterin oder den Schulleiter wieder in der Schule arbeiten. Ein Praxisleitfaden für die Schulleitungen wurde versprochen und mit entsprechendem Musterschreiben sollten dann die Schulleitungen ihre Aufgabe hier erfüllen. Auch die betroffenen Schwangeren warteten gespannt, wie es laufen wird.
Schwangere zurück in die Schule – wie denn?
Mit Update 11.10.: Schwangere dürfen wieder in die Schule zurückkehren. Der versprochene Praxisleitfaden und das Musterschreiben erschienen wie erwartet auf den letzten Drücker. Die Verantwortung und der bürokratische Aufwand für Schulleitungen ist enorm.
UPDATE 11.10.: Simone Fleischmann im Deutschlandfunk "Campus & Karriere": "Lehrermangel und Schwangere Lehrerinnen zurück an den Schulen"
Simone Fleischmann, Präsidentin des BLLV zum Thema Gefährdungsbeurteilung durch die Schulleitungen und zu den praktischen Herausforderungen beim Versuch, schwangere Lehrerinnen zurück in den Präsenzunterricht an den Schulen zu bringen:
"Ob wir Schulleiterinnen und Schulleiter das jetzt leisten können ist natürlich eine große Frage. Es geht hier nur im Zusammenspiel mit den Ärzten und eben mit einer ärztlichen Beurteilung der individuellen Infektionsgefährdung. Die ist ganz entscheidend und dann ist der nächste Schritt, welche erforderlichen Maßnahmen sind am Arbeitsplatz in Betracht zu ziehen.“ Die Verantwortung werde an die Schulleitungen abgegeben, die als Nicht-Mediziner unter Berücksichtigung des Datenschutzes die gesundheitliche Situation der schwangeren Lehrerinnen beurteilen und das entsprechende Tätigkeitsfeld ausgestalten müssten. Aufwand und Ertrag stünden in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander. „Verdammt komplex, verdammt verantwortungsbewusst und das alles soll ein Schulleiter gerade jetzt im Grund- und Mittelschulbereich neben der Verwaltung oder dem Management oder dem Chaos durch den Lehrermangel hinkriegen, das ist einfach in vielen Fällen nicht machbar."
>> Nachhören im Deutschlandfunk, Sendung "Campus & Karriere" (Beitrag ab Minute 12:24, Statement Simone Fleischmann ab Minute 16:08)
Schulleitungen fehlt das medizinische Fachwissen für diese Entscheidung - Verantwortung wird nach unten abgewälzt
Schon bei der Ankündigung dieser Maßnahme stellten wir und auch andere Lehrerverbände fest, dass es nicht angehen könne, wenn die Verantwortung in einer solch wichtigen Frage, die medizinisches Fachwissen erfordert und gesundheitliche Auswirkungen auf die Schwangere und das ungeborene Leben haben kann, auf die Schulleitungen von oben nach unten abgewälzt wird.
Was ist seither geschehen? Nichts!
Am Morgen des 30.09. lag den Schulleitungen – wohlgemerkt am letzten Arbeitstag bevor die Schwangeren wieder in die Schule zurückkehren sollen – kein Musterschreiben und auch keine Praxishilfe vor. Jetzt kamen der Leitfaden und die Musterschreiben viel zu spät im Laufe des letzten Arbeitstages an den Schulen an. Von den Schulleitungen wird dann wieder einmal erwartet, dass sie das am Freitag auf den letzten Drücker Erhaltene, gleich am nächsten Arbeitstag umsetzen sollen – ohne Zeit für vernünftige Vorbereitung und Information.
Davon abgesehen, bleiben wir bei unserer Meinung. Gerade jetzt in einer Zeit, in der in Bezug auf die Coronapandemie der „Oktoberfestturbo“ gezündet hat, die Infektionszahlen bayernweit steigen und auch die medizinischen Experten sich in inzwischen wohl bekannter Uneinigkeit über Auswirkungen und Maßnahmen in der Pandemie streiten, kann es nicht sein, dass die Beantwortung der Frage, die nicht einmal Mediziner eindeutig beantworten können - ob Schwangere in dieser Situation in den Schulen einem geringen oder hohen Risiko ausgesetzt sind – auf medizinische Laien, die Schulleiterinnen und Schulleiter, delegiert wird. Aber nicht nur das medizinische Laientum, sondern auch die Tatsache, dass Schulleiterinnen und Schulleiter bisher nicht wirklich eine besondere Ausbildung in Sachen Arbeitssicherheit oder Arbeitsschutz erhalten haben, steht dieser neuen Aufgabe nun diametral entgegen.
Und dann schafft es der Dienstherr wieder nicht, dass diejenigen, die nun diese Aufgabe erledigen sollen, mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf mit dem entsprechenden Handwerkszeug und Material ausgestattet werden.
Was sollen nun also die betroffenen Schulleiterinnen und Schulleiter tun?
In einer Situation, in der sie durch die Informationspolitik ihres Dienstherrn, wie schon so oft im Verlauf der Pandemie, viel zu kurzfristig informiert und lange im Ungewissen gelassen werden, müssen die Regelungen jetzt geprüft und bewertet werden, auch hinsichtlich der Frage ob diese von den Schulleitungen tatsächlich vernünftig umgesetzt werden können. Erst, wenn dies feststeht, kann mit der Arbeit begonnen und eine individuelle Gefährdungsbeurteilung verantwortungsvoll erstellt werden. Dies geht nicht von heute auf morgen und braucht Zeit. Diese Zeit muss nun allen Beteiligten gegeben werden. Es darf hier keine Schnellschüsse geben. Denn es geht schließlich um die Gesundheit.
>> Hans Rottbauer, Leiter der Abteilung Dienstrecht und Besoldung im BLLV