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Pressekonferenz: Ein Jahr Corona Startseite Topmeldung
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Realität in Blitzlichtern

Mit Herzblut, Ehrlichkeit, aber auch Verzweiflung schilderten Lehrer und Lehrerinnen sowie eine Erzieherin und eine Verwaltungsangestellte die Situation in Bayern. Ein Einblick in die Bildung vor Ort nach einem Jahr Ausnahmezustand.

„Wir jammern nicht. Wir machen auch keine Angst", betonte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann zu Beginn der Pressekonferenz Ein Jahr Corona. "Wir berichten hier von der Realität, wie wir sie als Experten in der Praxis erleben."

"Das Bildungssystem krankt nicht erst seit Corona. Corona ist ein Verstärker, aber nicht Verursacher. Die Krise des Lehrermangels, die fehlende digitale Ausstattung, der fachfremde Einsatz von Fach- und Förderlehrkräften, der überfrachtete Lehrplan, der Proben- und Notendruck fallen uns jetzt vor die Füße", schilderte Fleischmann die Situation.

Zwischen den einzelnen Beteiligten darf beim Gesundheitsschutz kein Unterschied gemacht werden. Alle müssen gleich gut geschützt werden.

„Uns Lehrerinnen und Lehrern geht zu Herzen, dass wir merken, wie Schülerinnen und Schüler, die es ohnehin im Leben nicht leicht haben, in der Corona-Krise durchs Netz fallen.“ Gleichzeitig hätten die Kollegen und Kolleginnen auch Angst um ihre eigene Gesundheit: "Weil sie noch kein Impfangebot bekommen haben, weil noch kein Konzept aus Test- und Hygieneregeln an den Schulen etabliert wurde. Trotzdem öffnen die Schulen weiter und weiter.“ Und eines ist ihr ganz wichtig: "Alle Schüler sind Schüler, alle Lehrer sind Lehrer. Damit meine ich: Zwischen den einzelnen Beteiligten darf kein Unterschied gemacht werden was den Gesundheitsschutz angeht. Alle müssen gleich gut geschützt werden."

Der BLLV möchte Aufmerksamkeit schaffen für die schwierige Situation vor Ort. Dazu ließ er bei der Pressekonferenz neun Experten und Expertinnen zu Wort kommen:

"Ich bin sehr froh, dass wir die Schülerinnen und Schüler ab nächster Woche wieder in echt sehen. Wir haben Kinder und Jugendliche, um die wir uns große Sorgen machen, weil sie erzählen, dass sie es nicht mehr aushalten. Aber ich bin auch verantwortlich für die Lehrkräfte. Viele sagen, dass sie Angst haben und fragen nach Schutzmaßnahmen."

Almut Wahl (Schulleiterin an MS in München)

"Wir ersetzen zunehmend fehlende Lehrkräfte, weil wir in der Kompensation des Lehrermangels eingebunden werden. Ich muss jetzt in die Notbetreuung oder Proben beaufsichtigen. Wir Förderlehrer wollen fördern. Die Kinder brauchen diese Förderung."

Jochen Fischer (Förderlehrer an der GS in Otterfing und Leiter FG Förderlehrer)

"Lehrkräfte am Gymnasium kommen schnell auf 300 Schüler. Da ist es im Distanzunterricht schwierig, alle aufzufangen. Zudem ist es ein enormer Aufwand jede Woche jeder Schülerin und jedem Schüler auf ihre Rücksendungen eine Antwort zu geben. Das ist belastend."

Dr. Fritz Schäffer (Seminarleiter am Gymnasium in Ingolstadt und BLLV-Abteilungsleiter Schul-/Bildungspolitik)

"Ich konnte meinen Beruf unter guten Bedingungen lernen, aber die Referendare haben unter den aktuellen Bedingungen dazu keine Chance. Sie erleben eine unglaublich stressige Referendariatszeit mit nicht existierende Planbarkeit."

Monika Faltermeier (MS-Lehrerin in Wartenberg und Vors. Junger BLLV)

"Wir können seit einem Jahr unserem Bildungsauftrag nicht mehr nachkommen. Wir haben komplett veränderte Rahmenbedingungen. Die Eingewöhnung hat mit einer Mund-Nasen-Bedeckung stattgefunden, wie soll man da eine Beziehung aufbauen?"

Sarah Heße (Leiterin FG Sozial- und Erziehungsdienst)

“Unsere Kinder brauchen Erfolgserlebnisse. Und praktische Fächer unterstützen dieses Bedürfnis wesentlich. Dafür brauchen wir dringend eine Verbesserung unserer Arbeitsbedingungen."

Dimitri Telent ( Fachlehrer, Mittelschule in Nürnberg und Leiter FG Fachlehrer musisch/technisch )

"Unser Arbeitsplatz bringt die meisten Kontakte in der Pandemie mit sich. Der Arbeitsaufwand ist durch Corona gestiegen. Die Belastung ist enorm und dann müssen wir uns auch noch Sorgen um unsere Gesundheit machen. Wir fühlen uns als die Vergessenen in der Pandemie."

Monika Engelhardt (VA am Staatl. Schulamt Kronach und Leiterin FG Verwaltungs­angestellte)

"Wir wollen Kindern und Jugendlichen Nähe, Schutz und individuelle Zuwendung geben. Ich bewundere den großen Idealismus im Kollegium und ich sehe die große Belastung. Wir brauchen körperlichen, aber auch emotionalen Schutz für unsere Schüler und für alle Kolleginnen und Kollegen."

Thomas Beschorner (Sonderschulkonrektor in Unterfranken und Leiter FG Förderschule)

"Schulleiter agieren als Feuerwehr im Dauereinsatz. Ich versuche die Notbetreuung zu stemmen, ohne dass uns zusätzliches Personal zur Verfügung gestellt wird. Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir uns allen Herausforderungen stellen, aber irgendwann können wir nicht mehr."

Sabine Bösl (Schulleiterin GS in Holzkirchen, stellv. BLLV-Abteilungsleiterin Schul- und Bildungspolitik)


Schule in Zeiten der Corona-Pandemie
Die Corona-Pandemie zeigt den hohen gesellschaftlichen Wert von Schule. Damit sie trotz akutem Lehrermangel funktionieren kann, fordert der BLLV in einer politischen Erklärung, die Fürsorgepflicht des Dienstherrn in maximalen Gesundheitsschutz für Lehrkräfte umzusetzen, insbesondere im wichtigen Präsenzunterricht. Entscheidungen und deren Kommunikation müssen regional, klar, verlässlich, frühzeitig und transparent sein und schulische Eigenverantwortung stärken. Fairness muss vor Leistungsdruck gehen, digitale Ausstattung schnell verbessert werden. Jetzt ist nicht die Zeit für einfache Lösungen und Polemik. Aber jetzt ist die Zeit für langfristig tragende Konzepte für Arbeitsbedingungen, Multiprofessionalität und Attraktivität, um so Bildungsqualität auch über Corona hinaus zu sichern. Dazu braucht es einen konstruktiven Diskurs aller an Schule Beteiligten, für den der BLLV bereit steht. » Die politische Erklärung im Wortlaut



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