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Was kann „RocketTutor“? Startseite Topmeldung
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Nachhilfe mit KI: Gute individuelle Förderung, Defizite beim sozialen Lernen

Im Gespräch über eine Nachhilfe-KI für den Mathematikunterricht sieht BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann Chancen für individualisierte Lernförderung und Entstigmatisierung, stellt aber klar, dass Kompetenzen in der Schule in sozialen Settings angewendet und abgefragt werden.

Das KI-Tool „RocketTutor“ bietet Nachhilfe in Mathematik, inklusive personalisiertem Chat für Nachfragen. Die Macher Lionel Rühlemann und Yue Wu, die sich im Informatikstudium an der Technischen Universität München kennenlernten, sowie der erfahrene Digitalentwickler Komaldeep Chahal stellen ihre Anwendung in der Abendzeitung mit einem großen Ziel vor: „Unsere Mission ist, dass wir jedem Lernenden auf der Welt – da sind wir noch nicht, aber perspektivisch – die besten Chancen in der Bildung bieten", so Lionel Rühlemann, dessen Eltern und Großeltern selbst Lehrkräfte sind bzw. waren.

Vorteile ihres Tools gegenüber menschlicher Nachhilfe sei die hochfrequente Verfügbarkeit, das selbstbestimmte Lernen in Thema und Häufigkeit und der niedrigere Preis. Eine internationale Ausweitung sowie weitere Fächer seien geplant.

KIs können passgenau unterstützen

Der BLLV hat vielfach darauf hingewiesen, dass KI-Tools mit ihren Möglichkeiten zur Personalisierung einen enormen Beitrag zu individueller Förderung bieten und – bei fairer digitaler Ausstattung – für mehr Bildungsgerechtigkeit sorgen können. Insbesondere Nachhilfe ist leider oft ein Privileg, das nur Schülerinnen und Schüler mit dem entsprechenden elterlichen Hintergrund zuteilwird.

Daher zeigt sich auch BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann im Gespräch mit der AZ über Rocket Tutor offen: Da Lehrkräfte in Zeiten akuten Personalmangels nicht statt, wie eigentlich nötig, mehr, sondern immer weniger auf einzelne Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler einzugehen vermögen, könnten KI-Lernplattformen das möglicherweise ausgleichen. Entscheidend sei aber eine gemeinsame und transparente Evaluierung der Angebote: "Wir müssen solche Tools als Lehrer checken und mit Eltern, sowie Schülern darüber sprechen", sagt Fleischmann.

Schule ist ein sozialer Ort

Auch die Scham, Nachhilfe zu brauchen falle weg: "Mit den Tools bekommt das ja keiner mit", berichtet die BLLV-Präsidentin.

Allerdings mache es schon einen Unterschied, das Gelernte in einem Nachhilfe-Tool anzuwenden oder in der Schule. "Wir fragen Leistung immer noch im sozialen Setting ab", sagt Simone Fleischmann, weswegen dafür eben auch soziale Kompetenzen notwendig sind, die von Mensch zu Mensch vermittelt werden. Darum sind KI-Tools als zielgenaue Ergänzung für Bildungsprozesse enorm wertvoll, können die menschliche Interaktion aber nicht ersetzen. Diese Balance sollten mögliche Nutzerinnen und Nutzer, Eltern und Lehrkräfte immer im Blick haben, regt die BLLV-Präsidentin an. 

Wenn’s ohne Nachhilfe nicht geht, dann stimmt was nicht

Zudem muss Schule eigentlich so aufgesetzt und ausgestattet sein, dass der Lernerfolg nicht davon abhängt, ob und wie Nachhilfe organisiert wird. Dazu braucht es aus Sicht des BLLV einen veränderten Leistungsbegriff, längeres gemeinsames Lernen mit entsprechender individueller Differenzierung und, um dies vernünftig umsetzen zu können, eine deutliche bessere Personalausstattung als derzeit. Die Defizite im Bildungssystem sollten nicht durch kommerzielle Angebote ausgeglichen werden müssen, sondern konsequent durch die behoben werden, die Bildung politisch verantworten.

» zum Beitrag der AZ: „Münchner Unternehmen bietet Nachhilfe mit KI: ‘Das ist das größte Problemfach‘“