Die Süddeutsche Zeitung berichtet nach dem Ende der diesjährigen Olympischen Spiele über die Kritik, die Schulen seien Schuld am schlechten Abschneiden der deutschen Teilnehmenden. Die Reform der Bundesjugendspiele, bei der der Wettkampf in einen Wettbewerb umgewandelt wurde, sei zu "kuschelig" - argumentiert wird mit dem natürlichen Drang des Menschen sich zu messen.
Simone Fleischmann plädiert weiterhin für die Reform, und benennt den Kern des Events, nämlich ein "Event für die ganze Schule und damit das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken". Sportlich leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler dürfen nicht außer Acht gelassen und durch Vergleiche mit sportlich Leistungsstärkeren beschämt werden.
Sie unterstützt damit die Aussage des Ausschusses der Bundesjugendspiele, der eine "freudvolle, spielerische Ausrichtung" für die Grundschulen begrüßt. Die Idee des Events soll kein Leistungsvergleich sein, sondern soll Kindern Freude vermitteln sein Bestes zu geben, wobei Fairness, Respekt, Teamfähigkeit und die Vermittlung von sozialen Kompetenzen im Mittelpunkt stehen.
„Müssen wir Kinder, die leistungsschwach sind, noch beschämen?“
Kaum ist die Reform der Bundesjugendspiele im Geist des olympischen Mottos „Dabei sein ist alles“ umgesetzt, fordern manche den Rückschritt. BLLV-Präsidentin Fleischmann stellt klar: Zusammengehörigkeitsgefühl und Inklusion sollten im Vordergrund stehen.
Hintergrund vom 01.07.2024
Wenn’s nicht weh tut, ist es keine Leistung.
Dieses alte Denken scheinen manche Funktionäre und Politiker einfach nicht ablegen zu können. Besonders, wenn es um den Schulsport geht. Dann wird gerne theoretisiert, wie schlimm es doch für die Gesellschaft sei, wenn der Leistungsgedanke allzu weit in den Hintergrund gerät, gerade beim Sport. Hier brauche es doch den echten Wettkampf und nicht nur den Wettbewerb, wie ihn die Reform der Bundesjugendspiele vorsieht – die deswegen bitte sofort wieder zurückgenommen gehört!
Motivation macht alle besser
Wie dieser viel beschworene Wettkampf im Schulalltag aber konkret oft aussieht, beschreibt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann im Gespräch mit dem Münchner Merkur so: „Das sozial benachteiligte, unsportliche, vielleicht auch dicke Kind traut sich nicht, in die Grube zu springen. Viele, die nicht bloßgestellt werden möchten, melden sich am Tag der Bundesjugendspiele also krank. Andere zwingen sich mitzumachen, sind aber traurig, wenn wieder nur die Sport-Asse gewinnen.“ Fleischmanns Fazit: „Solche Wettkämpfe befeuern die Starken und hängen die Schwachen ab.“ Für sie stellt sich die Frage: „Müssen wir Kinder, die ohnehin leistungsschwach sind, noch beschämen?“
Denn Bildung im Sinne der Förderung jedes einzelnen Kindes heißt, Formate zu finden, die für alle motivierend sind und jedem ermöglichen, sich zu verbessern. Dabei ist wissenschaftlich mit einer Vielzahl empirischer Befunde belegt, dass auch Leistungsstarke profitieren, wenn sie Leistungsschwache beispielsweise in einer Mentorenrolle unterstützen dürfen. Leistungsschwache verbessern sich wiederum, wenn sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten Erfolge erleben.
Geht es um den Vergleich oder um den Lernprozess?
Deswegen regt BLLV-Präsidentin Fleischmann an, die Bundesjugendspiele als Event für die ganze Schule anzulegen, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken. So könnten sie auch ein starkes Instrument für Inklusion sein. „Sport ist viel mehr als eine Urkunde“, betont sie.
Das Argument, es brauche in Schulen ganz generell vergleichende Leistungsbewertungen, damit Kinder sich selbst einschätzen lernen, verkennt dabei, dass moderne Feedback-Formate wie Lernentwicklungsgespräche eben genau die Selbsteinschätzung der Kinder fest in den Prozess mit einbeziehen – wesentlich mehr, als das reine Ziffernformate vermögen.
Worauf es wirklich ankommt
Wenn nun also wieder einmal behauptet wird, die Gesellschaft nehme Schaden, wenn Leistung nicht vergleichend und selektiv bewertet wird, zeigt sich ein verengter Horizont: Wo Bildung eine wichtige Ressource ist, kann es sich eine Gesellschaft gar nicht leisten, wenn nicht alle Potenziale aller Kinder und Jugendlichen bestmöglich entwickelt werden.
Die Reform der Bundesjugendspiele zielt darauf ab, ein Wir-Gefühl zu erleben, die Gemeinschaft zu stärken und soziale Kompetenz zu schulen. Und darauf kann die Gesellschaft in diesen Zeiten ganz sicher nicht verzichten …
» zum Artikel des Münchner Merkur: „Rolle rückwärts für die Bundesjugendspiele?“ (kostenpflichtig)