Lock down, Distanzunterricht, Gesundheitsschutz, Homeoffice, Wechselunterricht, FFP2-Masken, Digitalisierungsturbo, mebis, Mehrfachbelastung der Kollegen und der Eltern, Abschlüsse, W-LAN-Versorgung, Leistung, Prüfungen, Noten, Notbetreuung und was wird in diesem Zusammenhang nicht noch alles diskutiert!
Aber was ist mit den Kindern?
Ja, die Kinder bekommen entweder viele Arbeitsaufträge mit Arbeitsblättern und aus den Büchern, sie schicken multimediale Inhalte auf den mannigfaltigen High End-Plattformen, über Endgeräte und Internetzugänge oder zahlreichen Videokonferenzen und vieles mehr.
Und dann? Dann ist ja alles gut, so fallen sie wenigstens nicht durchs digitale Netz.
Aber ist das alles? Ist es damit getan? Was ist damit eigentlich erreicht?
Nicht mal die halbe Miete, denn diese Kinder sind trotz der schicken digitalen Welt verloren – verloren im Distanzunterricht.
Und so agierten manche Kolleginnen und Kollegen im ersten Lockdown, indem sie mit dem Fahrrad zu den Kindern gefahren sind. Warum eigentlich? Nicht nur weil die Kinder vielleicht keinen Internetzugang hatten, sondern weil die Lehrerinnen und Lehrer spürten, dass die persönliche Begegnung fehlt, der echte Kontakt mit der realen Beziehung, der ganze Mensch oder einfach das In-die-Augen-Schauen.
Wir, als Profis für Bildung und Erziehung wissen, was das Fundament von guter Bildung ist: Die Beziehung, das soziale Miteinander und der ganzheitliche Kontakt zwischen uns Lehrerinnen und Lehrern und den Kindern.
Bildung mit Herz.Kopf.Hand: Das ist der ganzheitliche Bildungsbegriff, dem sich der BLLV verschrieben hat. Das war im Mai 2019 – jetzt 2021, mitten in der Corona-Pandemie gewinnt dieser Blick mehr denn je an Brisanz.
Gerade die Kinder, die uns Lehrerinnen und Lehrer eben als ganzen Menschen – vom kleinen Zeh bis zur Haarspitze – brauchen, vermissen uns jetzt im Distanzunterricht am allermeisten. Sie sind verloren – verloren zu Hause.
Sie waren es, die leider immer schon aufgrund der sozioökonomischen Hintergründe Bildungsverlierer waren. Und sie sind es nochmal mehr, wenn Schule als Distanzangebot stattfindet.
Diesen Kindern fehlt:
- Der ganzheitliche Kontakt zu den Lehrerinnen und Lehrern: Das Zuhören und das Nachfragen, das Helfen und Unterstützen, das Erklären und v.a. das individuelle Motivieren;
- Das gemeinsame Lernen im Klassenzimmer: Die Mitschülerinnen und Mitschüler, die zusammen im Unterricht lernen, sich gegenseitig unterstützen und anregen. Eigenständiges und selbstständiges Lernen wäre im Distanzunterricht gefragt – ganz ohne die anderen Kinder und die persönliche und individuelle Zuwendung des Lehrers. Das fehlt den Kindern jetzt – das haben sie nicht gelernt – das können sie nicht;
- Das morgendliche Ankommen, der Erzählkreis, die Gruppenarbeit, das Fußballspielen in der Pause, das gemeinsame warme Mittagessen, das gemeinsame Spiel in der Mittagsbetreuung, das kreative Miteinander in der Arbeitsgruppe in der Ganztagsschule, etc. Die sozialen Kontakte in der Schule;
- Die Tagesstruktur: Das pünktliche morgendliche Aufstehen, der gemeinsame Schulweg, das gemeinsame Schulfrühstück, die Vorviertelstunde, der rhythmisierte Unterrichtsablauf, die Pause, das Mittagessen, der Nachmittag mit Hausaufgaben oder im Ganztag, im Hort oder in der Mittagsbetreuung, der Heimweg;
- Die umfassende, stabile und professionelle Ausstattung für den Distanzunterricht: Die Endgeräte für Schülerinnen und Schüler, rechtssichere und datenschutzkonforme Lernplattformen und selbstverständlich verlässliches WLAN müssten eigentlich selbstverständlich sein, wenn so eine lange Distanzunterricht angeboten werden muss;
- Das Unterstützungssystem in der Schule: Die Förderlehrerin, die Schulsozialarbeiterin, der Jugendsozialarbeiter, die Schulpsychologin, der Beratungslehrer, die Schulbegleitung, der Integrationsberater, die Berufsberaterin, der Intensivkurslehrer, der DAZ-Kurs, das modulare Förderangebot in Mathe oder Deutsch, der Plus-Kurs in Englisch oder die AG Schach oder Schulgarten.