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Gewalt an Schulen: Grenzen setzen und allen eine Chance geben

Die Gewalt an Schulen nimmt zu, der Deutschlandfunk fragt nach Ursachen und Lösungsansätzen. BLLV-Präsidentin Fleischmann sieht eine Enthemmung in digitalen Räumen und warnt vor reflexartigen Schuldzuweisungen, die dringend nötige Integration erschweren.

Die regelmäßigen Umfragen unter Lehrkräften des BLLV-Dachverbands VBE (Verband Bildung und Erziehung) und zuletzt die Zahlen des Bayerischen Landeskriminalamts zeigen deutlich: Die Gewalt an Schulen nimmt weiter zu – unter Schülerinnen und Schülern sowie gegen Lehrkräfte. Der Deutschlandfunk begibt sich unter dem Titel „Gewalt an deutschen Schulen: Schwieriger Kampf gegen ein wachsendes Problem“ auf Spurensuche und stößt auf eindrückliche konkrete Fälle, die das bestätigen, was die Zahlen zeigen: Es gibt zum einen mehr Grenzüberschreitungen an Schulen und die Taten werden zum anderen auch brutaler.

Der Deutschlandfunk sieht Gewaltdarstellungen, die Kinder ohne Wissen der Eltern konsumieren, als ein Problem. Ebenso zu viel Bildschirmzeit, insbesondere in sozialen Medien, die zu einer realweltlichen Vereinsamung führen und zulasten von Sozialkompetenzen im „echten“ Umgang mit anderen gehen. Außerdem habe die Corona-Pandemie zu einem Verlust an Sozialkompetenz und zu Vereinsamung geführt.

Ursachen für Gewalt liegen meist außerhalb der Schule

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann stellt im Gespräch zum Thema zunächst klar, dass Gewalt an Schulen nichts grundsätzlich Neues ist: „Ich habe in meinen 15 Jahren als Schulleiterin natürlich sehr häufig Schlägereien schlichten müssen. Da konnte ich das noch relativ gut klären, weil das ‘live‘ war.“

Doch inzwischen sei für Lehrkräfte die Ursache einer Auseinandersetzung oft nicht mehr nachvollziehbar: „Jetzt haben wir aber das Problem, dass viele Konflikte, die in der Schule sichtbar werden, auf Cybermobbing zurückgehen oder irgendwas, das auf Tiktok lief, auf irgendeine schräge und oft weit über die Grenze gehende Einlassung von Schülern gegenüber einem anderen Schüler“, berichtet Fleischmann.

Unterschiedliche Voraussetzungen sind eine enorme Herausforderung

Häufig seien die Schülerinnen und Schüler selbst überfordert, wenn sie diesen Konflikt dann plötzlich von Angesicht zu Angesicht austragen müssen, beobachtet die BLLV-Präsidentin: „Dann treffen die sich in der Klasse und es heißt: ‘Um Gottes Willen, jetzt ist der ja hier neben mir!‘ Denn wenn man sich nicht mehr im scheinbar anonymen Raum des Netzes trifft, sondern sich sieht, hat das eine andere Qualität.“

Bei der Ursachenforschung fordert die BLLV-Präsidentin Fleischmann einen differenzierten Blick statt populistischer Schnellschüsse, in denen Zuwanderung als angebliche Hauptursache behauptet wird – obwohl die Zunahme an Tätern mit Migrationshintergrund schlicht der Zunahme am Anteil der Gesamtbevölkerung entspricht. Die unterschiedlichen Voraussetzungen der Kinder und Jugendlichen stellen Schulen dabei natürlich vor Herausforderungen, schildert Simone Fleischmann: „Wir kommen um die Integrationsdebatte nicht herum, wir müssen jeden Tag reagieren. Wir müssen die Mama von Ann-Sophie beruhigen, dass sie schon die nötige zwei in der vierten Klasse kriegt, obwohl ihr Mitschüler Mohammed noch nicht mal Deutsch kann. Diese Heterogenität zu parieren ist für uns die größte Herausforderung. Das geht nicht alleine. Die Gesellschaft muss erkennen, dass wir dafür wesentlich mehr Ressourcen in die Schule packen müssen.“

Zukunft sichern heißt allen eine Chance geben

Dabei ist es aus Sicht des BLLV wenig hilfreich, wenn aus Gesellschaft und Politik harsche Worte kommen, die Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund unter Pauschalverdacht stellen. Denn statt einer zunehmenden Verrohung von Sprache und einer Rhetorik der Spaltung und Ausgrenzung bräuchten Schülerinnen und Schüler positive Beispiele, aus denen sie Respekt, Toleranz und gegenseitige Wertschätzung lernen können. Denn Kinder lernen am Vorbild – und damit eben gegebenenfalls auch vom schlechten.

Schule und Gesellschaft müssen sich daher zum einen aus einer grundsätzlichen Haltung dem Thema Integration ernsthaft und konstruktiv stellen, zum anderen aber aus ganz konkret pragmatischen Gründen, stellt Simone Fleischmann klar: „Sie werden von mir und vom BLLV niemals die Ansage hören, dass wir diese Kinder nicht wollen. Denn wir wissen, dass die Gesellschaft der Zukunft eine heterogene sein wird. Wer soll denn die Fachkräfte herbringen? Ich muss mal ganz platt sagen: Wenn wir hier zu wenige sind und zu viele Alte, dann müssen wir dafür sorgen, dass Menschen hier in Deutschland und in Bayern Fuß fassen. Das geht aber nur, wenn wir ihnen in der Schule die Chance dazu geben.“

» zur Sendung im Deutschlandfunk: Gewalt an deutschen Schulen: Schwieriger Kampf gegen ein wachsendes Problem