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Geschlechteridentität sensibel diskutieren

In der Debatte um die Regenbogen-Beflaggung von Münchner Schulen während der „Pride Weeks“ verweist BLLV-Präsidentin Fleischmann auf das politische Überwältigungsverbot und stellt gleichzeitig klar, dass Schulen das Thema Geschlechteridentität sensibel behandeln.

Weil Münchner Schulen vom städtischen Schulrat per offiziellem Schreiben eingeladen wurden, rund um den Christopher Street Day Regenbogenfahnen zu hissen, ist insbesondere in konservativen Kreisen eine teils heftige Debatte darüber entbrannt. Begründet hat der zuständige Schulrat Kraus (Bündnis 90/Die Grünen) die Initiative so: „Das Referat für Bildung und Sport will mit der Beflaggung der Regenbogenfahne an den Schulen Solidarität mit allen LGBTIQ* Personen signalisieren und Empowerment fördern.“

Die Kritik lautet aber, dass Schulen damit gegen das Neutralitätsgebot und gegen Überparteilichkeit verstoßen würden. BLLV-Präsidentin Fleischmann räumt dazu im Gespräch mit der WELT ein: „Eine solche Flagge ist ein politisches Statement. Schulen sind nicht dazu da, diesbezügliche Wünsche zu erfüllen.“

Gleichzeitig könnten Schulen sich aber nicht blind und taub stellen, wenn Kinder und Jugendliche das Thema auch aus aktuellen Anlässen in den Unterricht mitbringen, stellt Simone Fleischmann klar: „Schülerinnen und Schüler haben großen Diskussionsbedarf zu Transgender und Geschlechtsidentität“, berichtet die BLLV-Präsidentin. „Damit müssen Schulen umgehen.“

Schutz aller Geschlechtsidentitäten ist Auftrag des Bundesverfassungsgerichts

Wie dieser Umgang auszusehen hat, leitet sich unmittelbar aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2017 ab. Dort heißt es:

„Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) schützt die geschlechtliche Identität. Es schützt auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG schützt auch Menschen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, vor Diskriminierungen wegen ihres Geschlechts.“

Die Aufgabe, diese beiden Grundsätze umzusetzen, ist dabei allen Behörden gestellt – damit auch den Schulen.

Keine Parteipolitik sondern universelle Werte

Aus diesem Grund weist auch das Bildungsreferat der Stadt München den Vorwurf der politischen Parteinahme zurück und verweist auf Wertevermittlung als übergeordnetes Bildungsziel: „Die Regenbogenflagge drückt weltweit die Stimmung für Frieden, Aufbruch und Veränderung aus. Sie ist damit nicht nur überparteilich, sondern Ausdruck universeller Werte.“

Im Schreiben von Schulrat Kraus heißt es dazu: „Das Referat für Bildung und Sport will mit der Beflaggung der Regenbogenfahne an den Schulen Solidarität mit allen LGBTIQ* Personen signalisieren und Empowerment fördern.“ Kraus betont dabei eine „förderliche pädagogische Wirkung.“

Was allen hilft: Sensibilität und Dialog

Kraus hatte bereits im Februar in einem Leitfaden den Stand der empirischen Forschung zum Thema zusammengefasst: „Belastung und Suizidgefährdung für transgeschlechtliche Jugendliche nehmen deutlich ab, wenn sie die Erfahrung von Akzeptanz machen und die Möglichkeit haben, ihr Geschlecht selbstbestimmt zu leben.“

Der BLLV hatte schon im Zuge des Verbots bestimmter Formen geschlechtergerechter Sprache durch die Staatsregierung klargestellt, dass die dahinterstehende Haltung im Widerspruch zu grundlegenden übergreifenden Bildungszielen steht: „Kinder wollen eine diverse Gesellschaft, denn sie erleben sich selbst als divers“, schildert Simone Fleischmann und meint: „Ich finde es daher absolut hilfreich, dass es auch in der Gesellschaft Sensibilitäten für unterschiedliche Orientierungen gibt. Wir sollten uns dieser Diversität gemeinsam bewusst werden. Wir wollen eine offene, integrative Gesellschaft und Schule ist Vorbild für gesellschaftliche Entwicklungen. Unser Selbstverständnis als professionelle Pädagoginnen und Pädagogen bedeutet: Wir gehen darüber mit den Schülerinnen und Schülern in den Dialog, und zwar sehr sensibel.“

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