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Akzente - der politische Kommentar

Dranbleiben statt festhalten

In Skandinavien ist Schulpolitik eingebettet in eine Kultur des Vertrauens und der Veränderung. Bei einer Exkursion nach Kopenhagen konnte die BLLV-Führung einen Eindruck gewinnen von einem System im Fluss. Hierzulande scheut man Veränderungen - aber warum?

In Skandinavien ist Schulpolitik eingebettet in eine Kultur des Vertrauens und der Veränderung. Bei einer Exkursion nach Kopenhagen konnte die BLLV-Führung den Eindruck gewinnen: Es ist nichts faul im Staate Dänemark, sondern vor allem im Fluss. Während hierzulande so manches den Bach runtergeht. Weil man immer noch viel zu sehr top down denkt und tiefgreifende Veränderung scheut. Und sei es nur aus Angst, man könnte sie nicht mehr rückgängig machen.

Veränderungen führen zu Widerständen. Gerade im bayerischen Schulsystem. Wenn etwas ansteht, wird schnell abgewiegelt. Alles nur Ideologien! Lieber dreht man ein wenig an diesem Schräubchen, mal an jenem. Zum Beispiel so:

Bulimisches Lernen ist irgendwie doch out? Dann jetzt ebenkompetenzorientiertes Lernen.

Noten sind nicht mehr en vogue? Dann eben die ersten dreiHalbjahre in der Grundschule keine Noten – um dann wiederalles brutal auf genau drei Noten zu reduzieren.

Die Kultur der Digitalität erreicht uns mit voller Wucht? Dann statten wir die Schulen mal mit digitalen Endgeräten aus.Der Rest wird sich finden.

Die Gesellschaft driftet nach rechts? Schnell einzelne Projekteder Demokratiebildung fördern. Oder noch besser: Eine Verfassungsviertelstundeeinführen.

Schlechte Ergebnisse bei PISA? Na, dann schnell her mit einerzusätzlichen Stunde Deutsch.

Es stimmt mich traurig festzustellen, dass große Veränderungennicht angegangen werden, weil man an Traditionen festhält aus Angst ins Schwimmen zu geraten. In anderen Bundesländern finden Bürgerdialoge Bildung statt. Als ich das mal hier in Bayernan höchster Stelle eingebracht habe, hieß es: „Dann müsstenwir ja alles ändern.“ Ja, was ist das denn für eine Haltung? Da kann es beste wissenschaftliche Evidenz und Erfahrung aus der Praxis geben, die umfangreiche Umbaumaßnahmen im Schulsystem anzeigen, und man sagt: Nö,machen wir nicht.

Bei einer BLLV-Exkursion Ende Mai konnte ich studieren, wie man in Dänemark mit Veränderung umgeht (Bericht in #5 2024 folgt). Klar, dort herrschen ganz andere Traditionen. Dort gibt es bis zur achten Klasse keine Noten, alle Schülerinnen und Schüler bleiben zusammen bis zur neunten Klasse, es ist eine Kultur des Vertrauens und der gegenseitigen Wertschätzung. Die Bildungspolitik erkennt an, dass Profis vor Ort die besten Garanten für beste Bildung sind. Diagnostik wird stets vor Ort gefahren.

Und an der Schule selbst wird evaluiert. Hat es was gebracht? Dann weiter so. Hat es nichts gebracht? Dann nochmals verändern Beispiel Digitalisierung: Dänemark hat den Ruf frühzeitig gehört und sie umfassend integriert. Und darf durchaus fragen: Hat es was gebracht? Wo nicht, schraubt man wieder ein bisschen zurück. Man lernt in der Kultur der Digitalität, aber man lernt auch in Makerspaces, in Hubs und sehr handlungsorientiert. Beides darf sein, weil nichts um des Bewahrens willen bewahrt wird und nichts um der Erneuerung willen erneuert wird. Alles ist im Fluss. Nicht hektisch. Und nicht einfach mal so. Stets mit Konzept. Und das kann die Schulfamilie vor Ort am besten.

Ein Beispiel: Handlungsorientierte Aufgaben in einem Makerspacewerden nicht von Lehrerinnen und Lehrern entwickelt, sondern in Teams von Schülerinnen und Schülern mit Lehrkräften. Funktioniert eine Aufgabe nicht, hält man nicht starr daranfest, sondern verändert sie. Wer das dann tut? Naja, diejenigen,die diese Aufgaben bewältigen sollen. Also Experten-Zirkel mit Schülerinnen und Schülern. Das ist echtes Veränderungsmanagement, das ist professionell. PISA, Schock, Machtwort des MP, Panik, Curriculum hektisch überarbeiten – das ist echt ineffizientes Veränderungsmanagement, das ist stümperhaft.

Dann wird sich in Bayern also nie was groß ändern? Schulstruktur, Notensystem, Kultur des Misstrauens, Management top down? Da kann ich als BLLV Präsidentin nur sagen: Wir bleiben dran. Wenn nicht wir, wer sonst? Wir als Experten vor Ort sagen, dass es mit den Noten so nicht weitergehen kann,dass wir stets mit all unseren Bemühungen im Bereich der Integration, der Inklusion und der individuellen Förderung an systemische Grenzen stoßen. Dass es einfach keinen Sinn mehr hat festzuhalten, immer nur Bausteinchen zu versetzen und den Rahmen nie anzutasten.

Man muss das Alte ja nicht komplett einreißen. Vieles, was wir täglich an den Schulen vor Ort tun, ist hervorragend. Vieles von dem sollten wir bewahren. Aber eines muss uns klar sein: Wenn wir immer nur kleine Veränderungen wagen – und seien sie noch so effizient und sinnvoll – stoßen wir schnell an Grenzen. Das wollen wir nicht zulassen. Deswegen sagen wir:

Der BLLV bleibt dran.

>> bayerische schule online

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Längere gemeinsame Schulzeit, eigenverantwortliche Schule, Noten erst ab der 8. Jahrgangsstufe, Zwei-Pädagogen-Prinzip und ein Laptop für jedes Kind. Nein, das ist kein Traum, keine Vision, sondern Realität an Dänemarks Schulen. Ein Reisebericht des BLLV auf einer Exkursion nach Kopenhagen. ...
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