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Belohnungen für Einserschüler: Differenzierter wäre schön

In Bayern gibt es für Einser im Zeugnis traditionell Freifahrten bei Bahn und Schifffahrt. Der Bayerische Rundfunk fragt, ob das noch zeitgemäß ist. BLLV-Präsidentin Fleischmann stellt klar: Lob motiviert. Aber wofür gelobt wird, sollte gut überlegt sein.

Eine Eins im Zeugnis freut Schülerinnen und Schüler und wird in Bayern außerdem von Bahn, Seenschifffahrt oder Zoos mit Freikarten belohnt. Der Bayerische Rundfunk berichtet über diese Praxis und fragt: „Sind Belohnungen für Einserschüler zeitgemäß?“

„Prinzipiell will jeder Mensch von uns, wenn er eine tolle Leistung hinlegt, ein Lob haben“, sagt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann im Gespräch mit dem BR dazu. „Wir alle funktionieren so und die Kinder und Jugendlichen selbstverständlich auch. Eine tolle Leistung, ich werde gelobt, dann geht es mir besser. Das spornt mich an, das motiviert mich und damit ist die Motivation für die nächste Leistungserbringung gleich da.“

Kinder sind mehr als eine Note

Kritisch sieht Fleischmann allerdings die Fokussierung auf die Note eins: „Die Frage ist, was gelobt wird: Wenn der eine für die eins freies Schifferlfahren kriegt und der andere für die zwei nicht, dann wird nur die exzellente Leistung verstärkt. In Bayern gibt es einen ganz starken Fokus auf Bestleistung, das spiegelt sich auch im Schulsystem wider.“

Aus Sicht des BLLV ist der Ansatz, mit einer einzigen Ziffernnote die Fähigkeiten junger Menschen beschreiben zu wollen, viel zu eng, stellt Präsidentin Fleischmann klar: „Für uns Lehrerinnen und Lehrer ist die Note ohnehin zu wenig auf das Kind bezogen. Für uns geht es auch um Persönlichkeitsentwicklung, Social Skills und Zukunftskompetenzen, die gar nicht in Noten gemessen werden. Diese bilden wir in anderen Formen des Feedbacks ab.“

Auf die Entwicklung schauen statt aufs Absolute

Selbst wenn in Noten gedacht wird, stellt sich die Frage, ob nur die absolute Leistung belohnt werden sollte, oder eine Entwicklung im Sinne des „Growth Mindsets“, wie ihn die Erziehungswissenschaft präferiert: „Was ein Schüler hinlegt, der immer Fünfer in Mathe hatte und sich jetzt auf eine Drei hochgearbeitet hat, das ist eine exzellente Leitung und vielleicht sogar mit mehr Arbeit verbunden als bei einem Schüler, der schon immer Einser hatte", analysiert BLLV-Präsidentin Fleischmann. "Oder wer in der deutschen Sprache extrem zugelegt oder trotz einer Teilleistungsstörung eine gute Note geschafft hat.“

Dabei ist Simone Fleischmann natürlich bewusst, dass so etwas zu honorieren für diejenigen, die beispielsweise Freifahrten ausloben, schwer umzusetzen ist: „Wie soll ein Schifferlunternehmer so etwas belohnen? Ich verstehe natürlich, dass die Anbieter, die hier die Gewinne ausschütten, nur auf die absoluten Noten schauen.“

Gesucht: Pädagogische Innovation für Motivation und Lernerfolge

Wie der Bayerische Rundfunk berichtet, kommt aber Bewegung in die Belohnungspraxis. So gewährt der Tiergarten Nürnberg erstmals nicht Einserschülern kostenlosen Eintritt zu Ferienbeginn und -Ende, sondern allen Kindern, die ein selbstgemaltes Bild von ihrem Lieblingstier mitbringen. Einige Freizeitparks in Bayern verzichten bewusst auf Einserbelohnungen, damit Kinder den Leistungsgedanken auch mal hinter sich lassen können.

Simone Fleischmann hofft indes auf weitere Schritte im Sinne eines schülerzentrierten und prozessorientierten Bildungsbegriffs: „Vielleicht finden sich ja auch innovative, moderne Unternehmen, die genau solche besonderen Leistungsentwicklungen und -prozesse durch einen Preis auszeichnen. Trotzdem erdreisten wir uns nicht, Schifffahrts-Unternehmern dreinzureden, wenn sie weiter Einser belohnen, denn das ist deren Angelegenheit. Unser Lern- und Leistungsbegriff ist allerdings ein anderer …“

» zum Bericht bei BR24: „Freifahrt und Co: Sind Belohnungen für Einserschüler zeitgemäß?“