Mit der Sprache allein ist es nicht getan
Lehrer/innen mit der Zusatzqualifikation "Deutsch als Zweitsprache" sind gesucht. Zwar kann das Fach in Bayern bereits seit 2008 im Studium fürs Lehramt an Grund- und Mittelschulen als Unterrichtsfach gewählt werden. Die Nachfrage ist aber weit höher als die Zahl der zur Verfügung stehenden Lehrkräfte. Hinzu kommt: mit der Sprache allein ist Integration nicht getan.
Rund 60.000 Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung sitzen in Bayerns Schulen. Die Sprachbarriere ist dabei nur eine Hürde. Viele der Kinder brauchen auch Unterstützung im sozialen oder emotionalen Bereich. Die rund 900 Schulpsycholog/innen in Bayern können dies mit ihren durchschnittlich sechs Wochenstunden nicht auffangen.
Eine Expertengruppe des BLLV arbeitet deshalb einer ergänzenden, kurzfristig umsetzbaren Lösung. Die Gruppe schlägt vor, das Konzept des Integrationshelfers, das man bereits aus Schulen mit inklusivem Profil kennt, auch auf Sprach- und Übergangsklassen anzuwenden. Für die Integrationshelfer ergäben sich vier Hauptaufgaben: (1) die Teilhabe am Schulleben zu erleichtern, (2) die Integration in den Klassenverband zu unterstützen, (3) Krisensituationen zu erkennen und abzumildern und (4) die Selbstständigkeit der betroffenen Schüler/innen zu fördern.
Seit Sommer letzten Jahres ist dabei bundesweit eine neue Personengruppe in den Blick geraten: Von Pädagog/innen und Lehrer/innen, die selbst eine Fluchtgeschichte haben, versprechen sich Bildungsexperten besonders effektive Unterstützung. Könnte man diese als Integrationshelfer gewinnen, wäre das ein Gewinn für alle.
Die Idee stammt aus Nordrhein-Westfalen: Dort bietet die Uni Bielefeld gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung ein Aufbauprogramm für Lehrer/innen mit Fluchthintergrund an. "Lehrkräfte Plus" heißt die einjährige, akademische Qualifizierungsmaßnahme, die im August 2017 mit ihrem ersten Ausbildungsjahrgang gestartet ist. Auf 25 zur Verfügung stehende Plätze kamen 270 Bewerbungen.
Voraussetzung für die Teilnahme ist eine pädagogische Ausbildung und Lehrerlaubnis im Herkunftsland sowie ein Sprachniveau von mindestens B1. In einem Intensivsprachkurs arbeiten sich die Teilnehmer/innen hoch auf das Sprachniveau C1. Erst dann folgen die didaktischen, pädagogischen, fachlichen und interkulturellen Ausbildungskurse. Ausbildungsort ist die der Uni angegliederte Bielefeld School of Education (BiSEd). Unterstützt wird das Programm von der Bertelsmann Stiftung und dem NRW-Ministerium für Schule und Bildung, Laufzeit: drei Jahre.
Der BLLV kann sich vergleichbares auch für Bayern vorstellen. Schätzungen zufolge handelt es sich auch in Bayern um 1500 bis 2500 Personen. Dazu müssten an mehreren bayerischen Unis Qualifizierungsprogramme eingerichtet werden. Zugangsvoraussetzung wäre ein Universitätsabschluss als Lehrerin oder Lehrer im Herkunftsland, der Flüchtlingsstatus und Englisch- oder Deutschkenntnisse (Niveau B1).
Inhalte des einjährigen Qualifizierungs-Programms (zwei Semester) wären aus Sicht des BLLV ein (1) Deutsch-Intensivkurs, (2) interkulturelle Kompetenz und Sensibilisierung, (3) pädagogische und fachdidaktische Kurse und (4) Praktika.
Mehr dazu stellt der BLLV in den kommenden Monaten vor.