Warum wir nicht vergessen dürfen
Zur heutigen Gedenkveranstaltung im NS-Dokumentationszentrum München begrüße ich Sie herzlich. "Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen." Mit diesen Worten erklärte 1995 der damalige Bundespräsident Roman Herzog den 27. Januar zum zentralen Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus. „Künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen.“ Dies ist - zusammen mit der Aufklärung über den Nationalsozialismus - eine zentrale Aufgabe des NS-Dokumentationszentrums als Lern- und Erinnerungsort.
Bei der Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus findet in unserem Haus auch eine Selbstvergewisserung demokratischer Werte statt. Am Ende unserer Ausstellung steht das Vermächtnis des Auschwitz-Überlebenden Primo Lewi: „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“ Diesem Satz entspricht das Leitmotiv des Hauses: „Das geht mich auch heute etwas an!“Jeder ist mitverantwortlich, dass sich das, was in München seinen Ursprungsort hatte und im Holocaust endete, nie wieder ereignet. Das NS-Dokumentationszentrum ist das Bekenntnis der Landeshauptstadt München und seiner Bürgerinnen und Bürger dazu, aus der Geschichte zu lernen und das Gelernte weiterzugeben.
In Bayern gab es nach einer Recherche des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands Anfang der 1930er Jahre etwa 800 Lehrerinnen und Lehrer jüdischer Herkunft. Das diskriminierende Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 verfügte neben der Entfernung politisch missliebiger Beamter aus dem aktiven Dienst auch die Entlassung von Lehrerinnen und Lehrern jüdischer Herkunft aus den Lehrerkollegien. Viele von ihnen wurden wenige Jahre später deportiert und ermordet. Heute erinnern wir an diese Menschen mit einer Gedenkveranstaltung, die wir gemeinsam mit dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband und der Initiative Gedächtnisbuch für die Häftlinge des KZ Dachau organisiert haben. Mein besonderer Dank gilt dabei Frau Gerhardus sowie Herrn Dr. Reithmeier.
Der 27. Januar ist auch der Tag, sich die Tatsache zu vergegenwärtigen, dass Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bis heute existieren. Wir leben in einer von Vielfalt geprägten demokratischen Gesellschaft. Gleichwohl schüren rechtspopulistische und rechtsradikale Parteien und Organisationen Ressentiments gegen Minderheiten und versuchen, den ausgrenzenden Begriff der „Volksgemeinschaft“ wieder hoffähig zu machen. Dabei rufen sie auch offen zu Gewalt auf und erzeugen ein Klima der Feindseligkeit und Angst. Wir alle sind aufgefordert , uns gegen diese Tendenzen klar zu positionieren, für eine weltoffene demokratische Gesellschaft, gegen Antisemitismus, Rassismus und gegen jede andere Form von Diskriminierung. Wir tun das gegenwärtig besonders intensiv mit unserer Sonderausstellung "Nie wieder. schon wieder. Immer noch. - Rechtsextremismus in Deutschland seit 1945".
Wir wollen aufklären, damit jeder Demokrat genau weiß, gegen wen und gegen was man sich positionieren muss. Heute Nachmittag haben acht bayerische Schulen hier im NS-Dokumentationszentrum ihre Projekte vorgestellt, mit denen sie auf sehr unterschiedliche Art an die nationalsozialistischen Verbrechen erinnern. Solche Projekte machen Mut, dass auch die nachfolgenden Generationen die Erinnerung wach halten werden. "Denn nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten". (August Bebel) Im Sinne einer Auseinandersetzung mit der Geschichte und für eine vielfältige demokratische Gesellschaft wünsche ich uns allen eine würdige Gedenkveranstaltung.