Bei allen Gesprächen und Diskussionen, die derzeit rund um den richtigen Weg der Bildungspolitik in der Corona-Krise geführt werden, hat BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann einen Vorteil: Sie gehört keiner Partei an. Und kann deshalb Dinge ansprechen, die Politiker aus den unterschiedlichsten persönlichen, partei- und fraktionstaktischen Gründen nicht ansprechen wollen oder dürfen.
„Ich erlebe einen Kultusminister, der eigentlich genau weiß, was es bräuchte, der für meine Begriffe nicht die Freiheit hat, das richtige für Kinder und Jugendliche zu tun. Und ich erlebe einen Ministerpräsidenten auf dem Weg zum Bundeskanzler, der hinhört, der versteht, aber der die Politik macht, die ihm zuträglich ist." Fleischmanns Schlussfolgerung: "Es gibt zu viele Systembewahrer. Systeme bewahren erzeugt bei der Bevölkerung keinen Widerstand. Da werde ich als Politiker in der Regel wiedergewählt. Wenn ich gewählt werde, darf ich bei meinen Stammwählern wiederum nicht anecken.“
Bei manchen politischen Gesprächen wird geschachert wie auf einem Basar
Auf die Frage, warum in der Bildungspoltik zur Zeit so wenig politisch vorangeht, hat Fleischmann deshalb eine klare Antwort: die Bundestagswahl. Die löse eine politische Dynamik aus, die eine Sachpolitik in der Bildung derzeit deutlich erschwere.
Immer noch sei die Politik darauf fixiert, das Schuljahr im Normalmodus durchzuführen – obwohl das Schuljahr durch Lockdown, Distanzunterricht oder Wechselunterricht alles andere als normal war. „Manche Politiker schachern mit mir darum, dass man doch mit ein paar weniger Proben die Übergangszeugnisse machen könnte und vielleicht reicht zum Übertritt dann ja auch die 3,0 – da komme ich mir wirklich vor wie auf dem türkischen Basar.“
Schuljahr schenken, um Druck rauszunehmen
Mutig hingegen sei es, jetzt von dem Normalen, Altbekannten abzuweichen. Damit meint Fleischmann unter anderem, den Elternwillen beim Übertritt freizugeben und den Schulkindern, die unter der Pandemie gelitten haben, das Schuljahr zu schenken - ein freiwilliges individuelles Jahr, das nicht auf die Schullaufbahn angerechnet wird. Bildungsgerechtigkeit müsse gerade jetzt in den Fokus gerückt werden.
Pandemie zeigt die „Schmuddelecken“ des bayerischen Schulsystems
Unter dem Druck der Pandemie treten laut Fleischmann die „Schmuddelecken“ des bayerischen Schulsystems ans Tageslicht. „Die Systembewahrer hoffen jetzt, dass Corona bald vorbeigeht, damit das Licht wieder aus ist. Wir könnten aber auch putzen.“
Im Zusammenhang mit der aktuellen Pandemielage fordert Fleischmann, jetzt ein nachvollziehbares, auf die gesamte Gesellschaft hin gedachtes Konzept zu entwerfen. „Es passt nicht zusammen, dass ich mit 14 Kindern im Klassenzimmer sitze oder im Kindergarten Normalbetrieb läuft, aber in den riesigen Karstadt darf ich nicht rein“, so Fleischmann. Dies könnten viele nicht nachvollziehen und führe zu Widerständen, wie etwa kürzlich bei den streikenden Nürnberger Schülerinnen und Schülern.
Die Umstände, unter denen Lehrerinnen und Lehrer derzeit unterrichten, entsprechen eindeutig nicht den aktuellen Gesundheitsschutzbestimmungen. Fleischmann vermisst ein klares Hygienekonzept, sowie eine Impf- und Teststrategie. „Mit dem Testkonzept lässt der Gesundheitsminister den Kultusminister im Regen stehen. Auch mit der Impfstrategie eiern wir herum. Auch Raumlüfter gibt es noch nicht überall.“