Zum Start des Unterrichts nach den Weihnachtsferien zieht der Bayerische Rundfunk im heutigen „Thema des Tages“ ein Fazit, wie die von der Staatsregierung zum Schuljahresbeginn verordnete Verfassungsviertelstunde ankommt. Schülerinnen und Schüler der Grundschule Berg am Laim zeigen sich besonders begeistert vom Schulparlament: „Ich finde, das ist schon wichtig und eine gute Sache, weil da bespricht man Sachen, die dafür sorgen, dass die Schulregeln besser eingehalten werden oder so etwas. Es macht Spaß!“
Schulleiter Dr. Michael Hoderlein-Rein, BLLV-Experte und 3. Vorsitzender des MLLV, hat dabei ganz bewusst das Schulparlament als ein zentrales Instrument der Demokratieerziehung gewählt: „Die Idee, Mitbestimmung in die Grundschule zu bringen und den Kindern zu vermitteln, dass sie etwas zu sagen haben in unserer Gesellschaft, gibt es schon lange“, sagt Hoderlein-Rein. „Dass das jetzt verankert wird und in der Schule verpflichtend ist, halten wir für sehr sinnvoll.“ Denn es gehe um „Werteerziehung und Demokratieerziehung.“
Mitbestimmung ist eine Grundsatzfrage
Dabei lässt sich ein Schulparlament natürlich nicht in einer Viertelstunde abhalten. Das vom Ministerpräsidenten gewählte Etikett passt in der Praxis nicht zu den von der Erziehungswissenschaft entwickelten Methoden, mit denen sich Bildungsziele wie demokratisches Handeln auch wirklich erreichen lassen, wie der BLLV in der Debatte um die Verfassungsviertelstunde vielfach betont hat.
„Wenn wir ein Schülerparlament einführen, wenn wir Klassen- und Schülersprecherwahlen abhalten, dann ist das die höchste Form der Umsetzung der Verfassungsviertelstunde an den Schulen“, sagt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. „Das heißt, ich lebe und erlebe partizipative Elemente von morgens bis zum Nachmittag in der Schule – in allen Formaten, die möglich sind, damit Schülerinnen und Schüler ihre Schule gestalten.“
Freiräume konsequent nutzen
Daher nutzen viele Schulen die Freiräume, die Kultusministerin Stolz in der Umsetzung der Verfassungsviertelstunde geschaffen hat, für Instrumente, die tatsächlich Partizipation, Eigenverantwortung und Gestaltungsermächtigung bei Schülerinnen und Schülern ermöglichen – wie Klassenräte, Klassensprecherversammlungen oder politische Rollenspiele.
An der Grundschule Berg am Laim werden beispielsweise Klassensprecherwahlen mit Wahlkabinen und Wahlurnen abgehalten, genau wie das bei der anstehenden Bundestagswahl üblich ist. So werden Schülerinnen und Schüler spielerisch an die Ausübung ihres höchsten Verfassungsrechts herangeführt.
Aufnehmen, was Kinder und Jugendliche beschäftigt
Die Ministerin zeigt sich gegenüber dem BR angetan von dieser Kreativität der Schulen in der Ausgestaltung der Demokratieerziehung: „Ich habe mir mittlerweile die Verfassungsviertelstunde an mehreren Schulen, auch an unterschiedlichen Schularten, vor Ort angeschaut und ich bin wirklich begeistert von der Umsetzung – aber auch, mit welcher Begeisterung die Schülerinnen und Schüler dabei sind.“ Große Themen waren in Gesprächen darüber Meinungsfreiheit und Social Media, so die Ministerin. „Es ist etwas, was unsere Schülerinnen und Schüler bewegt, was aus ihrer Lebensrealität ist.“
Das ist aus Sicht des BLLV entscheidend, um junge Menschen zur Mitgestaltung zu motivieren, betont auch Präsidentin Simone Fleischmann: „Wir müssen die Themen, die in der Gesellschaft heiß diskutiert werden, in die Mitte des schulischen Tuns stellen!“
Lernen am aktuellen Zeitgeschehen
Das betont auch Politikwissenschaftler Peter Koch, der als abgeordnete Lehrkraft Deutschunterricht gibt und Demokratiestunden hält, gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. Er plädiert dafür, ganz aktuell für „die Auseinandersetzung mit der Aussetzung der Faktenchecks auf sozialen Medien.“ Entscheidend ist dabei für ihn der fächerübergreifende Ansatz: „Da werden die Fächer Deutsch, Englisch, Ethik, Geschichte, Politik, Mathematik, Informatik gefordert, um herauszufinden, was das bedeutet, wenn soziale Medien sich dem Fakten überprüfen entziehen.“
Aus Kochs Sicht greift das ursprünglich angedachte Format der Verfassungsviertelstunde für einen solchen Ansatz von phänomenologischem Lernen aber zu kurz: „Das aber tatsächlich in so einem Viertelstundentakt von Woche zu Woche durchzureichen, funktioniert nicht. Politische Bildung braucht einfach ein größeres und kontinuierlicheres Gewicht.“
Ehrliche Analyse, bitte
Der BLLV plädiert daher dafür, Demokratieerziehung grundsätzlich als Querschnittsaufgabe zu sehen, der dann allerdings deutlich höhere Priorität im gesamten Schulalltag eingeräumt werden muss. Präsidentin Simone Fleischmann setzt dabei auch auf die geplante Evaluation der Verfassungsviertelstunde durch die Politik: „Ich erwarte mir, dass die Evaluation zeigt, dass die Verfassungsviertelstunde nicht die alleinige Lösung sein kann, um Demokraten zu erziehen, um Partizipation einzuüben und um Bürgerinnen und Bürger für ein Leben in der Demokratie vorzubereiten. Denn dafür brauchen wir einfach mehr!“
» zum BR-Podcast „Thema des Tages“: „Wie kommt die Verfassungsviertelstunde an bayerischen Schulen an?“
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„Vermitteln, dass Kinder in unserer Gesellschaft etwas zu sagen haben“
Der Bayerische Rundfunk analysiert die Umsetzung der Verfassungsviertelstunde und sieht die vom BLLV dazu geforderten Freiräume, die die Kultusministerin geschaffen hat, genutzt. BLLV-Experte Dr. Michael Hoderlein-Rein begrüßt den Schwerpunkt Demokratieerziehung.