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Veränderte Projektprüfung: Brief an den Kultusminister

Die neue Projektprüfung bringt Lehrkräften mehr Gesundheitsschutz, sie muss aber auch den Bedürfnissen der Schüler gerecht werden, stellt der BLLV in einem Brief an Kultusminister Piazolo klar, und fordert eine Erweiterung des Rahmenhygieneplans.

Brief an den Kultusminister


27.11.2020: Schreiben von BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann an Staatsminister Prof. Dr. Michael Piazolo, MdL

"Coronabedingte Änderung der Projektprüfung / Rahmenhygieneplan"

Sehr geehrter Herr Staatsminister,

mit Schreiben vom 13.11.2020 (III.2-BS7501-2020/61/4) wurde mitgeteilt, dass die Projektprüfung im Schuljahr 2020/21 coronabedingt modifiziert werden soll. Der praktische Teil solle entfallen, da nicht sichergestellt werden könne, dass der dazu notwendige Kompetenzerwerb abgeschlossen sei. Stattdessen solle die Projektprüfung nur aus einer leicht veränderten Projektmappe und einer 15-minütigen mündlichen Einzelprüfung bestehen.

Uns geht es einerseits um die Projektprüfung und andererseits um den Rahmenhygieneplan.

Wir möchten uns bei Ihnen zuallererst für den frühen Zeitpunkt der Mitteilung bedanken, denn so können sich die Kolleginnen und Kollegen bereits jetzt darauf einstellen.

Die angekündigten Modifikationen führen verständlicherweise zu Irritationen und Fragen unterschiedlichster Art, die alle ihre Berechtigung haben. Bei uns im BLLV gibt es innerhalb unserer Mitglieder daher ebenfalls unterschiedliche Stimmen hierzu. Uns beiden ist ja diese Vielfalt bereits auf mehreren Ebenen begegnet. Wir beide hatten schon oft drüber gesprochen, dass es die Lösung, die für alle gut ist, in der jetzigen Zeit einfach nicht gibt.

Einschätzung des BLLV zur Projektprüfung:

Wie bereits erwähnt, gibt es innerhalb der Fachlehrerinnen und Fachlehrer hier unterschiedliche Einschätzungen zu den von Ihnen angekündigten Änderungen. So natürlich auch bei uns im Verband. Es ist mir immer ein großes Anliegen, hier Transparenz herzustellen, daher finden Sie im Folgenden beide Perspektiven unserer Kolleginnen und Kollegen mit Pro und Contra Punkten zur aktuell veränderten Projektprüfung.

1.1. Contra:

Die Änderungen an der Projektprüfung widersprechen massiv den wichtigsten Grundsätzen der berufsorientierenden Fächer der Mittelschule.

Es ist absolut unumstritten, dass die besonderen Stärken unserer Schülerinnen und Schüler in der praktischen Umsetzung der Inhalte liegt und nicht in deren theoretischen Aufarbeitung. Und genau in der Förderung dieser praktischen Kompetenzen liegt die Kernaufgabe der BoZ-Fächer. Die Vermittlung von theoretischen Inhalten soll die handlungsorientierte Unterstützung der Praxis ermöglichen und keinesfalls in den Vordergrund gestellt werden. Die vom KM vorgeschlagene Prüfungsform stellt aber genau diese Aspekte in Frage. Das aufgeführte Format nimmt den Schulleitungen und Fachkolleginnen und -kollegen vor Ort jede Möglichkeit, die, wohlgemerkt schulinterne, Projektprüfung mit einem Fokus auf die Praxis zu gestalten. 

1.2. Pro:

Aus folgenden Gründen begrüßen wir die Änderung der Projektprüfung mit maximalem Gesundheitsschutz:

  • Beschulung von teilweise 300 Schülerinnen und Schülern pro Woche, teilweise klassen- und jahrgangsübergreifend, mit Einsatz an mehreren Dienstorten. Insbesondere für Fachlehrkräfte, die einer Risikogruppe angehören, eine schwierige Situation;

  • Fachlehrkräfte reinigten nach jeder Stunde Werkzeuge, Schulkücheninventar, Tastaturen, Mobiliar, etc. weil der Sachaufwandsträger dies nicht umsetzen konnte;

  • Fachunterricht im Regelbetrieb, obwohl die Einhaltung der Hygieneverordnung nicht möglich war;

  • Durchführung der Projektprüfung im Schuljahr 2020 unter schwierigsten Bedingungen, gesundheitlichen Risiken und einem unverhältnismäßigem Mehraufwand.


2. Forderungen des BLLV

Folgende Ergänzungen wünschen wir uns bei der Neukonzeption des Rahmenhygieneplans. Es ist für uns nicht nachzuvollziehen, dass in der aktuellen Fassung dieses Planes keinerlei Aussagen zu den unten benannten Fächern gemacht werden. Deswegen bitten wir Sie dringend, die 3 Fächer und die entsprechenden Maßnahmen aufzunehmen:

2.1 Unterricht im Fach Ernährung und Soziales
Abschnitt III.7.4

  • Unterricht in Soziales ist unter besonderen Hygieneauflagen und die gemeinsame Speisenzubereitung aus pädagogisch-didaktischen Gründen möglich.
  • Die allgemeinen Hygieneregeln sind bei der Zubereitung von Lebensmitteln zu beachten.
  • Nach Möglichkeit gegarte Speisen bei der Zubereitung sollten bevorzugt werden, welche gemeinsam im Rahmen des Unterrichts eingenommen werden können.
  • Arbeitsgeräte und Geschirr sollten nicht von mehreren Personen verwendet werden, bzw. gründlich abgewaschen sein.
  • Der Küchenarbeitsplatz soll vor der Benutzung einer anderen Person gründlich gereinigt worden sein.

2.1 Unterricht im Fach Werken und Gestalten

  • Der Unterricht in Werken und Gestalten ist möglich, trotzdem sollte ein klassenübergreifende Unterricht  und ein Klassenzimmerwechsel vermieden  werden.
  • Partner- und Gruppenarbeit ist bei Einhaltung des Mindestabstandes möglich, jedoch ist auf einen ausreichenden Abstand zur Lehrkraft bzw. zum sonstigen pädagogischen Personal zu achten.
  • Die gemeinsame Nutzung von Gegenständen sollte möglichst vermieden werden (kein Austausch von Arbeitsmitteln, Stiften, Linealen o. Ä.)

2.3. Unterricht in den Fächern musisch/technisch

  • Aufhebung von Mischgruppen jeglicher Art (klassen-, jahrgangsstufen- und schulverbundübergreifend)
  • Ausnahmslose Reduzierung der Gruppengrößen mit der Berechnungsgrundlage des Mindestabstands von 1,5 m.

Wenn für die Fächer Sport und Musik konkrete Angaben gemacht werden, dann eben auch für die oben angeführten Fächer. Unter 7.3.1 wird für den Musik- bzw. Instrumentalunterricht aufgeführt, dass von der Schule zur Verfügung gestellte Instrumente nach jeder Benutzung in geeigneter Weise zu reinigen sind, wobei hier auf ausreichende desinfizierende Wirkung („begrenzt viruzid“) geachtet werden soll. Zudem müssen vor und nach der Benutzung von Instrumenten der Schule die Hände mit Flüssigseife gewaschen werden.

Würde man diese Vorgaben auf z.B. das BoZ-Fach Wirtschaft in der 7. Jahrgangsstufe übertragen, dann entstünde bei einer 45 minütigen Unterrichtseinheit in einer Gruppe von 16 Schülerinnen und Schülern folgendes Szenario:

  • Zweimal Hände waschen: 20 Minuten;
  • 25 Minuten bleiben an Unterrichtszeit, in denen sich die Schülerinnen und Schüler an- und abmelden, aufräumen, sowie Tastatur, Maus Arbeitsplatz desinfiziert werden;
  • somit bleiben ca. 10 Min. effektiver Unterrichtszeit.

Das geschilderte Szenario macht deutlich, dass aufgrund aller einzuhaltenden Hygienemaßnahmen die Effizienz des Unterrichts extrem leidet. Mehrfach habe ich bereits betont, dass eine reale Erwartungshaltung in der Öffentlichkeit diesbezüglich transparent gemacht werden muss. Das gilt alles zwar nicht nur für diese Fächer, aber eben besonders für diese Fächer!

3. BLLV-Petition zu den Fachlehrkräften:

Ich kann Ihnen nicht schreiben, ohne dass ich mich nicht nochmals auf die Petition beziehe, die wir schon in vielen Gesprächen und auf vielerlei Ebenen diskutiert haben.

Sehr geehrter Herr Staatsminister, Sie haben uns zugesagt, sich auch weiterhin für die Interessen der Fachlehrerinnen und Fachlehrer einzusetzen – dafür danke ich Ihnen sehr! Aber die Punkte aus unserer Petition bedürfen auch weiterhin einer Lösung, auch wenn Sie bereits die ersten Schritte in die richtige Richtung eingeleitet haben:

Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Ausbau des Stellenkegels, Beförderungsämter schaffen Anrechnungsstunden für besondere Aufgaben und Anforderungen Deutliche Veränderung der Ausbildungskapazitäten

Entschuldigen Sie bitte, dass wir nun alles rund um die Bedürfnisse des Fachunterrichts integriert haben, aber genau diese Fächer machen es doch aktuell aus: Ganzheitliche Bildung, die gerade in Corona-Zeiten wichtiger denn je ist, fußt auf gerade diesen Kompetenzen aus eben diesen Fächern.

Wir erwarten von Ihnen, dass Sie gerade im Bereich der Mittelschule jetzt hier einen deutlichen Fokus setzen und unsere Anliegen realisieren. Es geht um uns Lehrerinnen und Lehrer, es geht um die Gesundheit alles Menschen an der Schule und ein Ehrlichmachen der Politik, dass gerade hier der Wert der Grund- und Mittelschulen liegt.

Herzlichen Dank!

Mit freundlichen Grüßen

Simone Fleischmann
Präsidentin des BLLV