In seiner Pressekonferenz zum Schuljahresstart vom 3. September stellte der BLLV konkrete Forderungen an das Kultusministerium und an die Kultusministerin Anna Stolz. Die Pressekonferenz des Kultusministeriums folge drei Tage später am 6. September und griff viele der Forderungen und Fragestellungen des BLLV auf. Schon vor dem Start hatte Bayern2 am Morgen Simone Fleischmann dazu befragt, was die aktuellen Herausforderungen sind, wie die Kernkompetenzen der Schülerinnen und Schüler gefördert werden können und was sich die Lehrerinnen und Lehrer vom Kultusministerium erwarten. Wir haben die Antworten der BLLV-Präsidentin für Sie herausgestellt.
Die Herausforderungen im neuen Schuljahr
"Es herrscht immer noch Lehrermangel – manchmal mehr, manchmal weniger. Ich muss das in den Mittelpunkt stellen, weil viele Eltern das spüren werden. Und auch viele Kinder werden fragen: 'Warum gibt es denn eigentlich keine AG Volleyball?' Und Eltern werden fragen: 'Warum kommen denn die Kinder nicht mehr in einen Förderkurs?' Die Kolleginnen und Kollegen an der Schule werden auch merken, dass wir wieder Vertretungen leisten müssen. Das soll jetzt alles kein Lamentieren sein. Wir freuen uns auch, wenn es wieder losgeht, keine Frage. Aber wir müssen einfach die Grenzen sehen. Und der Lehrermangel – vor allem im Grund-, Mittel- und Förderschulbereich – ist jetzt schon viele Jahre am Start. Und er wird auch nächstes Schuljahr, ab kommendem Dienstag, wieder uns alle beherrschen. Und deswegen muss man das auch ehrlich benennen."
Sieht es mit dem Lehrkräftemangel an den Grundschulen nicht bald besser aus?
"Ja, da kommt das Jahr 2026 ins Spiel. Aber da sind wir noch nicht. Wir sind immer noch in 2024. Das heißt, wir haben noch keine Entspannung. Vor allem im Mittelschulbereich ist noch kein Licht am Ende des Tunnels in Sicht. Da weiß keiner so recht, wie man diesen Lehrermangel langfristig beheben soll. Im Förderschulbereich haben wir weiterhin den gleichen Zustand wie die letzten Jahre. Im Gymnasium werden wir ab 2026 einen Lehrermangel bekommen und da wird der Aufschrei groß sein, weil natürlich die Lobby eine andere ist. Und da werden wir alle miteinander schauen müssen, dass man vorbeugende Maßnahmen trifft. Was damals die Maßnahmen an den Grundschulen waren und wozu die geführt haben, das haben wir gesehen. Da mussten dann die Lehrerinnen und Lehrer mehr arbeiten. Da sagt natürlich der eine oder andere: 'Das wird doch gehen!' Aber nein – denn das führte dazu, dass wir mehr Dienstunfähigkeiten verzeichnen mussten. Und es hat auch dazu beigetragen, dass nur ein Drittel der Kolleginnen und Kollegen in den gesetzlichen Ruhestand gehen. Alle anderen gehen vorher in den Ruhestand. Das sind Zeichen, die muss man jetzt sehen."
Was bedeutet denn die Umstellung von G8 auf G9 an den Gymnasien jetzt konkret?
"Wir haben ja alle mitbekommen, dass der Abiturjahrgang natürlich jetzt anders zu gestalten ist. Das wird man alles hinbekommen. Das ist aber der Punkt, warum am Gymnasium ab 2026 ein eklatanter Lehrermangel herrschen wird, weil dann das neue G9 vollständig umzusetzen ist. Das hat man politisch entschieden und hat eben verschlafen, dass man entsprechend gegensteuert. Und es ist schon etwas fatal, dass wir uns immer wieder in diesem 'Schweinezyklus' bewegen. Mal gibt es zu viele Lehrer, mal gibt es zu wenig Lehrer. Ja, man bemüht sich in Bayern, dass die Prognosen besser werden. Wir machen das auch ganz gut. Wir machen die Prognosen viel häufiger als andere Bundesländer. Aber trotzdem stimmt es dann irgendwie nicht. Und ich möchte es noch mal betonen: Am meisten werden die Schulkinder leiden und darauf werden wir – neben dem Blick auf die Lehrkräfte – im BLLV den Fokus legen.
Wie läuft das jetzt mit mehr Mathe und Deutsch an den Grundschulen nach PISA?
"Zunächst mal: Es gibt ja niemanden, der nicht sagt: 'Lesen, Rechnen, Schreiben ist verdammt wichtig'. Ja, das wissen auch wir. Da brauchen wir keine Konsequenzen aus PISA (Hier zum Hintergrund). Wir brauchen auch keinen Ministerpräsidenten, der das hektisch vorschlägt. Das wissen wir selbst, und das haben wir auch die Jahre über gesagt und daran gearbeitet. Wir hatten jetzt schon lange Zeit Lehrermangel an der Grundschule und da gab es Grundschulen, die hatten schon lange keine AGs mehr. Da gab es welche, die haben Musik streichen müssen. Es gab welche, die haben Werken in den Jahrgangsstufen eins und zwei nicht mehr machen können. Ja, wir wissen, dass wir etwas streichen müssen, damit wir andere Themen vorhalten können. Deswegen fordert der BLLV auf lange Strecke eine Ausweitung der Grundschulstundentafel: Mehr Stunden für die Kinder, mehr Förderung, mehr Differenzierung und keinesfalls weniger."
Wie erleben Sie den Austausch mit der Kultusministerin?
"Ich bin sehr froh, dass wir in einem sehr guten Austausch sind. Die Ministerin steht diesen Dialog, sie führt ihn in allen Regierungsbezirken. Deswegen haben wir ja auch am Anfang der Woche eine Pressekonferenz gemacht im BLLV und ihr ihre eigenen Hausaufgaben noch mal präsentiert. Ja, der Dialog ist gut, aber wir wissen auch, was Hausaufgaben sind. Die schreibt man auf und die muss man dann erledigen. Und deswegen erwarten wir auch, dass diese Hausaufgaben erledigt werden. Vor allem geht es darum zu wissen, dass man in einer Krisensituation nicht immer von allem noch mehr wollen kann – und so erlebe ich die Ministerin auch. Wir brauchen eine Fokussierung. Wir brauchen eine Ministerin, die hinsteht und sagt: 'Ja, im Grund-, Mittel- und Förderschulbereich ist es weiterhin eng!' Wir können nicht noch jeden Tag irgendwelche neuen Aufgaben drauflegen. Und manche Politiker? Es findet sich ja wirklich jede Woche irgendwas Neues, was wir an den Schulen noch zusätzlich tun könnten. Das können wir aber nicht machen. Wir müssen die Kernaufgaben mit der Kernmannschaft qualitativ gut umsetzen."
>> zur Pressemitteilung des Kultusministeriums zum Schuljahresbeginn