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Akzente - 1/2022 Politik
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Resilient: Wellness, oder was?

Lang ist's her. Doch was die BLLV-Präsidentin in ihrer Rolle als Lehrerin und Schulleiterin an Team- und Supervisionsarbeit erlebte, hat sie auch für die Rolle als Chefin eines ehemals männlich geführten Verbandes gestärkt.

Resilient sein. Das klingt so nach der neuen Fitnessformel. Egal, ob in meiner Rolle als Hauptschullehrerin oder als Schulleiterin – immer waren da diese Erwartungen: Dich haut nichts um! Dich darf nichts umhauen. Du bist Vorbild. Bist immer gut drauf. Aber mal ehrlich: Wer so drauf ist, der ist nicht resilient, sondern resistent – gegen die Wahrnehmung der kompletten Wirklichkeit. Wirklich resilient sein, das habe ich damals gelernt, das heißt: authentisch bleiben, es sich eingestehen, wenn was schief läuft, wissen, wie man mit einer Krise umgeht. Und das heißt allemal: Wie man sich Hilfe holt.

Resilient als Lehrerin: Einer meiner besten Schüler in einer 8. Klasse war intelligent, eloquent, beliebt, auch wenn er im Heim gewohnt hat. Als der Junge einmal an der Tafel etwas vorrechnen sollte, wusste er plötzlich nicht weiter. Die anderen lachten und ich sagte: „Na, das wirst du doch hinkriegen!“ Da versuchte der Lackl, schon damals zwei Köpfe größer als ich, mich zu ohrfeigen. Ich konnte mich gerade noch wegducken. Alle waren baff, auch der Schüler selbst. Mehr ist nicht passiert, und es tat ihm dann auch sehr leid.

Ich hätte mich nun verhalten können, wie es später eine Kollegin bei uns an der Schule tatsächlich getan hat. Ein Zweitklässler hatte ihr den Schulranzen drauf geworfen. Das traf sie auch innerlich: Sie haderte mit sich und der Welt, zog sich zurück, wurde krank, irgendwann kündigte sie. Doch ich hatte nicht nur Lehramt studiert, sondern auch Psychologie. Und eine Lehre aus vielen Stunden Eigentherapie war: Unterscheide zwischen der Situation, der Person und der konkreten Handlung! Mein Schüler kannte es von zuhause her nicht anders, da wurde bei Stress immer geschlagen. Ich musste mich nicht als Simone Fleischmann angegriffen fühlen und denken, ich hätte versagt.

Gesund bleiben kann man nur, wen man sich solcher Tatsachen bewusst ist. Ich war auch damals in Supervision, wusste, dass ich mit meinem Schulleiter reden kann. Auch im Lehrerzimmer hat man sich über solche Schüler ausgetauscht, hat erfahren, dass auch andere sich schwer tun mit dem oder der oder mit bestimmten Eltern, hat gemeinsam überlegt, wie man bestimmte Kinder bestmöglich fördern kann oder wie man den Elternabend plant.

Resilient als Schulleiterin. Es war mein erster Schultag in meiner Rolle als Schulleiterin. Da war dieses Mädchen namens Zoe. Ich betonte das „o“ statt das „e“. Und Zoe saß in der hintersten Reihe. Gleich zwei Fehler auf einmal, wie ich schnell merken sollte: Am Ende des Schultags kam der Vater ins Sekretariat gestürmt und verlangte den Schulleiter. „Den“! Er kannte mich, er wusste, dass ich „der“ Schulleiter war. Die Karriere seines Kindes sei schon mit dem heutigen Tag beendet, polterte der Jurist los. Ich wusste, dass er wusste, dass ich die Schul leiterin bin – und dachte: Wie schräg ist das denn? Ich sagte: „Da müssen Sie schon mit mir vorlieb nehmen.“

Die Situation hätte schief gehen können, wenn ich versucht hätte, all die gelernten schlauen Sätze loszuwerden, von wegen: Ich-Botschaften senden und so. Stattdessen habe ich es mit Humor genommen, aus der Distanz der Metaebene. Auch nach dieser Situation habe ich gemerkt, wie wichtig es war, drüber zu reden. Mit der Sekretärin genauso wie in der interdisziplinären Supervisionsgruppe.

Resilient als Präsidentin. Frisch im Amt als BLLV-Präsidentin, erstes Gespräch mit einem bestimmten Minister. Verabredet waren wir im Landtag. Er wollte es dann spontan draußen auf akzenteder Terrasse führen.. Da nahm er meine Handtasche, stellte sie auf einen der Freiluftstühle und grinste. Da, bitt'schön, sollte ich Platz nehmen. Ich überlegte kurz – und setzte mich zu meiner Tasche. War das jetzt eine Niederlage für mich als Frau? Galt ich hier jetzt als das Pupperl, das die Männer herumschieben können, wie es ihnen passt?

Ich war die erste Frau an der Spitze dieses Verbandes. Mächtig groß waren die Fußstapfen meiner Vorgänger. Mir war von Anfang klar: Ich kann das Amt nur übernehmen, wenn ich ich bleiben kann. Dazu gehörte für mich als Frau, die dialogisch aufgestellt ist und auch parteifrei: Ich will mit allen reden können, auch mit denen aus der Regierung. Die Sache mit der Handtasche habe ich dann so reflektiert: Du wirst als eine gesehen, der man auf einer humorvollen Ebene begegnen kann, die nahbar ist. So bin ich gestärkt raus gekommen aus der Situation.

Die professionelle gemeinsame Reflexion, anschauen, was gut war und was nicht, das hilft mir auch innerhalb des Verbandes. Alle dort wissen: ich habe nicht nur einen Coach, sondern gleich drei. Einen persönlichen, meine Referentin und: ein tolles Team im Präsidium, der Geschäftsstelle und unter den ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen. Alle, die in diesem Haus BLLV arbeiten, geben mir Kraft, durch jeden wird mir klar, wie das geht, Präsidentin sein. Und weil ich weiß, wie wichtig ein solcher professioneller Austausch ist, fordere ich auch hier an dieser Stelle: Der Staat muss auflegen. Supervision muss genuiner, bezahlter Bestandteil innerhalb der Lehrerarbeitszeit werden.
Resilienz ist ja kein Wellness-Programm. // Simone Fleischmann

Artikel aus der bayerischen schule #1/2022



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