Bild: Lehrkräfte sind immer von vielen Menschen umgeben. Das macht einerseits den Beruf des Lehrers besonders schön. Wenn die Pausen aber zwischendurch fehlen, geht das sogenannte
Bild: Lehrkräfte sind immer von vielen Menschen umgeben. Das macht einerseits den Beruf des Lehrers besonders schön. Wenn die Pausen aber zwischendurch fehlen, geht das sogenannte "Crowding" zu Lasten der Psyche.
Crowding besonders belastend für Lehrkräfte Startseite
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Nichts mehr fühlen, damit man funktioniert

Die psychische Belastung für Lehrkräfte ist enorm. Vielfach negieren Lehrkräfte jedoch daraus resultierende psychische Probleme, anstatt den Fehler in den unhaltbaren Arbeitsbedingungen zu sehen und für Selbstfürsorge einzutreten.

In einem Artikel des Ärzteblatts weist der Autor Dr. Michael Mehrgardt, ein Psychologischer Psychotherapeut, auf die extrem belastende Arbeitssituation für Lehrkräfte hin. Für ihn sind Lehrer die Profession mit dem höchsten Erkrankungsrisiko: Je nach Untersuchung zitiert er, dass 50 Prozent und mehr der Pädagogen nicht die Regelaltersgrenze erreichen. Die Hälfte davon aufgrund psychischer Probleme.

Welche Faktoren krank machen

Von allen Faktoren, die krank machen, stellt der Autor besonders das sogenannte „Crowding“ in den Mittelpunkt. Lehrerinnen und Lehrer seien ständig von vielen Menschen umgeben. Dieses „Crowding“ führe zu ständiger sensorischer Überstimulation. Diesem könne sich die Lehrkraft selbst in Pausen nicht entziehen. „Dies erfordert ständige physische, psychische und geistige Arbeit und verbraucht Energie“, so Mehrgardt. Der Effekt: Nach dem Schultag, bei Ferien- oder Pensionsstart verfalle die Lehrkraft in einen komaartigen Zustand.

Der Autor folgert: „Nicht einmal Basisbedürfnisse, für andere Berufsgruppen selbstverständlich, sind erfüllt.“ Er nimmt konkret Bezug auf Lärmpegel, die ebenso überschritten werden wie Kohlendioxid-Grenzwerte und fehlende Pausen, um auch nur auf Toilette gehen zu können. „Lehrer sitzen zwischen allen Stühlen, haben für die ihnen übertragenen Aufgaben keine Ressourcen, nicht einmal rechtlich abgesicherte Befugnisse. Wenn es im Klassenraum mit 30 Schülern drunter und drüber geht, fragt niemand nach dem Anteil von Lernbehinderten, Migranten oder Verhaltensauffälligen. Vielmehr scheint der Lehrer Schuld an allem und verantwortlich für alles, was im Klassenraum vor sich geht“, schildert Mehrgardt die Situation seiner Patienten.

Warum Lehrer die Herangehensweise von Therapeuten besonders fordern

In der Therapie fordern Lehrkräfte Therapeuten besonders, stellt Mehrgardt fest. Oftmals sitzen sie nicht aus eigenem Impuls beim Therapeuten, sondern weil der Hausarzt sie schickt. Sie wehren ab, Probleme und Leidensdruck zu haben, rationalisieren ihre Situation und betonen, wie gerne sie Lehrer oder Lehrerin sind.

Mehrgardt sieht dieses Verhalten als Bewältigungsstrategie: „Pädagogen müssen, um unter diesen Umständen zu funktionieren, ihre Selbstwahrnehmung abschalten.“ In der Therapie erkennt er diese Strategie deshalb als überlebensrelevant für den Patienten. Mehrgardt versucht im zweiten Schritt seinen Patienten für die Stressoren seines Berufs ersteinmal grundlegend zu sensibilisieren.

Oftmals handelt es sich bei Lehrkräften um Menschen, die biographisch in eine Rolle gewachsen sind, wo sie sich viel um die Bedürfnisse anderer kümmeren, aber sehr wenig um die eigenen, was in der Therapie beleuchtet werden muss. Im vierten Schritt übt Mehrgardt mit seinem Patienten Abgrenzungsmechanismen und Selbstfürsorge. Dafür muss die Lehrkraft ggf. auch gegenüber ihren Kollegen einstehen und dafür werben.

Psychotherapeut fordert bessere Arbeitsbedingungen

Neben höheren Bezügen setzt sich der Psychotherapeut Mehrgardt für bessere Arbeitsbedingungen ein und fordert eine Veränderung des Schulsystems und eine Verbesserung des Lehrer-Images in allen Medien. Außerdem fordert er genügend ergänzende Fachkräfte (für Drogen-, Gewalt-, Aidsprävention, Sozialarbeit, Psychotherapie und Psychiatrie) für die Schulen. Darüber hinaus sieht er die Begrenzung der Anzahl der Unterrichtsstunden bei einer Vollzeitstelle auf 20 und der Arbeitstätigkeit auf 40 Wochenstunden als sinnvoll. Zu seinen weiteren Forderungen zählt er gesundheitspräventive Maßnahmen, die Einrichtung einer wirksamen Berufsgenossenschaft und die Einrichtung von Arbeitsplätzen für Lehrkräfte in der Schule.

--> Zum ausführlichen Artikel des Ärzteblatts

 

Weitere Informationen

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