Das Kultusministerium hat es erneut abgelehnt, Gewaltakte gegen Lehrkräfte statistisch zu erfassen und nähere Auskünfte zu erteilen. In einem Bericht zu dieser Problematik, den die CSU-Fraktion von der Staatsregierung gefordert hatte, wurde weder die aktuelle Zahl der Opfer noch die der Präventions- und Unterstützungsangebote genannt, wie Thomas Gehring (Grüne) bei einer Diskussion im Bildungsausschuss kritisierte (Drs. 17/18751).
Ohne solche Angaben könne aber politisch nicht angemessen reagiert werden. Margot Wild (SPD) forderte ein "Konzept aus einem Guss" anstelle der zahlreichen Einzelmaßnahmen, die die Staatsregierung laut Bericht durchführe. Auch die CSU-Abgeordnete Caroline Trautner erklärte, sie habe sich eine differenzierte Betrachtung durch die Staatsregierung gewünscht und forderte Nachbesserung. Sie wollte etwa wissen, wie stark welche Schulart betroffen ist, um gezielt gegensteuern zu können.
Ein Vertreter des Kultusministeriums entgegnete, Experten gingen davon aus, dass die Gewalt an Schulen eher rückläufig sei. Und verwies darauf, dass im laufenden Kalenderjahr 309 Veranstaltungen zur Prävention und zur Lehrergesundheit angeboten würden, an denen jeweils 12 bis 15 Lehrkräfte teilnehmen könnten.
Der stellvertretende Ausschussvorsitzende, Gerhard Waschler (CSU), argumentierte, weitere Statistiken brächten "keinen Erkenntnisgewinn". Aufschlussreiche Zahlen liegen allerdings schon lange vor. Der BLLV und sein Dachverband VBE setzen sich seit Jahren intensiv für eine verbesserte Informationsgrundlage und mehr Schutz für Pädagoginnen und Pädagogen ein, und gaben 2016 eine Forsa-Umfrage in Auftrag, die erstmals Licht in das Tabu-Thema brachte.
Erschreckendes Bild
Die repräsentative Auswertung für Bayern ergab ein erschreckendes Bild: 55 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer gaben an, an der eigenen Schule psychische Gewalt erlebt zu haben, 14 Prozent erlebten physische Gewalt und 33 Prozent Cybermobbing. Persönlich betroffen sahen sich innerhalb der fünf Jahre vor der Umfrage 18 Prozent durch psychische, 4 Prozent durch physische Gewalt und 3 Prozent durch Cybermobbing.
Hochgerechnet auf ganz Bayern ergab sich eine Zahl von 3 800 Lehrerinnen und Lehrern, die in diesem Zeitraum Opfer körperlicher und 17 500 Opfer seelischer Gewalt wurden. 59 Prozent der Befragten gaben an, sich durch die Staatsregierung nicht ausreichend unterstützt zu fühlen. Die Grünen im Landtag griffen damals die Forderung des BLLV nach einer amtlichen Statistik auf.
Ihre Anfrage (Drs. 17/15794) ergab: Das Kultusministerium war das einzige Ministerium in Bayern, das Gewalt gegen die eigenen Beschäftigten nicht erfasst. Die Grünen forderten daher eine systematische und anonymisierte Erfassung, die auch differenziert, von wem die Gewalt ausgeht (Drs. 17/16980). Während SPD und FW diese Forderung unterstützten, lehnte die CSU-Mehrheit sie im Juni 2016 ab. Der stellvertretende Ausschussvorsitzende, Gerhard Waschler (CSU), verwies auf die Belastung der Schulleitung durch die Aufgabe, Daten für eine neue Statistik beizubringen. Aufwand und Ertrag ständen in keinem Verhältnis.
Der damalige Kultusminister Ludwig Spaenle teilte dem BLLV mit: "Eine statistische Erfassung führt aus unserer Sicht zu keinem Mehrwert für die Betroffenen und könnte diese sogar unter Umständen davon abhalten, sich vertrauensvoll an Vorgesetzte zu wenden." Die jüngste Diskussion im Bildungsausschuss könnte schon bald einen unerwarteten Schub von Regierungsseite her erfahren: Denn die CSU-Abgeordnete Trauter wurde wenig später zur Kultusstaatssekretärin ernannt. In dieser Funktion könnte sie die geforderten Zahlen nun selbst vorlegen