Bild: Frauenärztin Claudia Sievers setzt sich für eine bessere Versorgung von Frauen in der Menopause ein.
Bild: Frauenärztin Claudia Sievers setzt sich für eine bessere Versorgung von Frauen in der Menopause ein.
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Es geht nicht nur um Hitzewallungen

Wie Frauen besser durch die herausfordernde Phase der Menopause kommen, weiß die Münchner Frauenärztin Claudia Sievers.

Als Frauenärztin kommt Claudia Sievers mit allen Phasen, die der weibliche Körper durchläuft, intensiv in Kontakt. Die Menopause hat sich Sievers noch einmal in besonderer Weise angenommen und setzt sich für eine bessere Versorgung von Frauen in diesem Lebensabschnitt ein. Dabei ist es ihr ein Anliegen, Frauen wie Männer über die Menopause aufzuklären. Wichtig: Raus aus der Tabuecke!

BLLV-Akademie: Wissen die Frauen, die Ihnen begegnen, Patientinnen oder Freundinnen aus dem Privatleben, genügend über die Menopause und was da mit ihrem Körper passiert?

Claudia Sievers: Das ist sehr unterschiedlich. Viele Frauen wissen erstaunlich wenig über die Menopause und die Veränderungen, die sie mit sich bringt – und das oft bis sie selbst in diese Phase kommen. Leider ist das Thema immer noch mit Tabus und Halbwissen behaftet, sodass Informationen häufig nicht so offen zugänglich sind, wie es sinnvoll wäre. Einige wichtige Aspekte, die oft unklar oder missverstanden sind: Frauen kommen recht oft zu mir und berichten, dass sie Belastungen, die sie früher gut wegstecken konnten, plötzlich nicht mehr so gut kompensieren können. Zum Beispiel bis spät abends arbeiten, wenig schlafen.

Manche Patientinnen haben Angst davor, an Demenz erkrankt zu sein, weil ihnen Wörter oder Namen nicht mehr einfallen. Dabei ist auch das ein häufiges Symptom der Wechseljahre. Auch die große Bandbreite der Symptome wundert viele: Es geht nicht nur um Hitzewallungen! Wechseljahresbeschwerden können auch Schlafstörungen sein, oder Gelenkschmerzen, Blutungsstörungen, Probleme mit der Blase, Schmerzen beim Sex oder eben Konzentrationsstörungen. Die Dauer der Wechseljahre wird oft unterschätzt: sie dauern im Schnitt sieben Jahre – können aber auch seltener bis zu 15 Jahre und länger dauern.

Es herrscht auch oft Unklarheit darüber, was Frauen zur Linderung der Beschwerden tun können. Informationen zur Hormonersatztherapie, alternativen Behandlungsmethoden, und Lifestyle-Änderungen sind oft schwer zugänglich oder von Vorurteilen geprägt, sodass Frauen manchmal nicht die passenden Hilfsmittel kennen. Die gute Nachricht für alle, die Beschwerden haben, ist: Man kann immer etwas machen, es gibt vielfältige Möglichkeiten. Aber wir müssen drüber reden und Hilfe - noch - aktiv einfordern!

Zur Person: Claudia Sievers

Claudia Sievers ist Frauenärztin aus München. Sie betreut an zwei Standorten Frauen in allen Lebensphasen. Ihr Augenmerk liegt auf der ganzheitlichen Frauenheilkunde. ->  claudiasievers.de und www.villinger-praxis.de

BLLV-Akademie: Was sind verlässliche Quellen, wenn ich mich für das Thema Menopause informieren will?

Claudia Sievers: Eine sehr professionelle Quelle ist unser Fachverband, die Deutsche Menopausengesellschaft. Dort finden Sie unter dem Reiter "Patientin" wissenschaftlich fundierte Webinare zum streamen und weitere Informationen.

"Die Dauer der Wechseljahre wird oft unterschätzt: sie dauern im Schnitt sieben Jahre – können aber auch seltener bis zu 15 Jahre und länger dauern."

BLLV-Akademie: Was könnte man tun, um die Frauen besser auf die Menopause vorzubereiten und zu begleiten?

Claudia Sievers: Ich würde es gut finden, wenn alle Frauen ab 40 von ihren Krankenkassen schon einmal einen positiv konnotierten Flyer erhielten, in dem sie über alle wesentlichen Punkte informiert werden. Auch sollten Haus- und Betriebsärztinnen und -ärzte Frauen ab 35/40 besonders im Blick haben. Ab diesem Alter können viele Veränderungen bereits eine Facette schwankender Hormonspiegel sein. Die sogenannte Midlifecrisis ist eine Gemengelage aus Lebensereignissen mit Hoffnungen und Erwartungen, hormonellen Veränderungen und dem schlichten biologischen Alterungsprozess. Leider landen noch viel zu oft Frauen in der Psychosomatischen Klinik, die ggfs schlicht von einer Therapie der Hormonstörung profitieren würden.
Es ist auch wichtig zu verstehen, dass wir ab 30 aufwärts bereits aktiv in unsere Prävention investieren sollten, damit es erst gar nicht Burnout oder Erschöpfung kommt.

BLLV-Akademie: Wissen Männer genügend über die Menopause?

Claudia Sievers: Ich denke, das kann ich mit ziemlicher Sicherheit mit Nein beantworten. Ausnahmen bestätigen die Regel! Dabei wäre es so wichtig, dass auch sie mehr über das Thema Menopause wissen und aufgeschlossen diesem Thema gegenüberstehen. Schließlich pflegen Männer ja regelmäßig Kontakt zu Frauen: Sei es der zur eigenen Frau, zur Schwester, Kollegin oder Freundin. Menopause ist deshalb eben nicht nur Frauensache, und eben nicht nur Privatsache: Es ist Zeit, diese Lebensphase zu enttabuisieren und gesellschaftsfähig zu machen. So ist das ja beim Thema Schwangerschaft auch passiert. Heute trauen sich viele Frauen, in aller Öffentlich zu stillen! Deshalb rate ich: Liebe Frauen, informiert euch erst mal selbst gut, und dann redet mit euren Männern, Freunden, Kollegen offen über die veränderte Situation. Selbstbewusst! Sprecht an, was ihr braucht!

Mittlerweile haben ja auch die großen Unternehmen erkannt, dass Menopause ein Thema ist, mit dem sie sich beschäftigen müssen. Es ist ein ökonomischer Zwang in Zeiten des Fachkräftemangels. Kluge Unternehmen investieren in Strukturen, die Frauen in den Wechseljahren unterstützen. Seien es Aufklärungsveranstaltungen für Mitarbeiterinnen oder Führungskräfte-Workshops. Das könnte ich mir übrigens auch für Schulen vorstellen: Infoveranstaltungen für das gesamte Kollegium, damit ein breiteres Wissen da ist. Aber besonders wichtig ist das Thema natürlich auch für die Schulleitung, damit sie ein gutes Arbeitsumfeld schaffen kann.

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BLLV-Akademie: Laut Studien reduziert jede vierte Frau ihre Arbeitszeit oder geht früher in Rente, weil sie mit Wechseljahresbeschwerden zu kämpfen haben. Wie müssten die Arbeitsbedingungen sein, damit belastete Frauen den Arbeitsalltag besser bewältigen können – besonders im Hinblick auf den Schulalltag?

Claudia Sievers: Zunächst einmal vorweg: Meine Eltern waren beide Lehrer – ich habe also höchsten Respekt für die Anforderungen und Belastungen dieses Berufs. Und erst recht für Lehrerinnen in der Menopause.

Zu Ihrer Frage: Das Hauptproblem in der Menopause ist Erschöpfung und Schlafmangel. Das ist natürlich besonders problematisch für Lehrerinnen, die um 8 Uhr vor der Klasse stehen müssen. Hitzewallungen erwischen einen auch ganz anders vor einer Klasse, als wenn man alleine im Büro vor dem Computer sitzt. Wichtig ist, dass grundsätzlich ein offenes Klima rund um dieses Thema mit Kollegium und Schulleitung herrschen sollte. Schulen könnten Lehrerinnen in den Wechseljahren kurze, fest eingeplante Pausen zwischen den Unterrichtsstunden gewähren. Ein Ruheraum oder eine Rückzugsmöglichkeit für eine kurze Pause könnte in solchen Fällen hilfreich sein, um wieder Energie zu tanken. Mal raus aus dem großen Lehrerzimmer.
Innerhalb der Grenzen der Stundenplangestaltung könnten betroffene Lehrerinnen nach Möglichkeit eine etwas spätere Unterrichtszeit beantragen, die besser zu ihrem Energielevel passt.

Schulen oder Schulträger könnten die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Lehrerinnen proaktiv unterstützen, zum Beispiel durch spezielle Beratungsangebote, die Möglichkeit von gesundheitsorientierten Freistellungen oder Kooperationen mit Beratungsstellen, die sich auf die besonderen Anforderungen der Menopause konzentrieren.

Lehrerinnen könnten ein Netzwerk innerhalb des Kollegiums aufbauen, um gegenseitige Unterstützung zu ermöglichen. Bei kurzfristigen, von Wechseljahresbeschwerden ausgelösten Fehlzeiten könnten Kolleg:innen bei Vertretungen einspringen, und umgekehrt.

Angesichts möglicher Hitzewallungen eignet sich Kleidung, die das verzeiht: Lockere/luftige Materialien, Zwiebelschalenoberteile, Twinsets. Ich empfehle den guten alten Fächer, einen Ventilator und die Möglichkeit zu Lüften. Klar: Sowas bemerkt die Klasse. 

Deshalb empfehle ich zu offener Kommunikation nach dem Motto: „Wisst ihr was, Pubertät kennt ihr oder habt ihr schon von gehört. Bei meinem Körper passiert gerade was Ähnliches, deswegen habe ich gerade Hitzewallungen“. Wir dürfen da selbstbewusst sein! Man könnte in dem Zusammenhang auch in Sexualkunde mal einen kleinen Schlenker machen zum Thema Menopause, damit die Schülerinnen und Schüler da schon einmal ein bisschen Verständnis bekommen.


"Das Gute: Die meisten Lehrerinnen sind Beamtinnen und haben Zugang zu guter medizinischer Versorgung! Nutzen Sie das!"

BLLV-Akademie: Was können Frauen für sich selbst im Privaten tun, um gut durch die Wechseljahre zu kommen?

Claudia Sievers: Jede Frau erlebt die Wechseljahre unterschiedlich, sodass ein individuell abgestimmter Ansatz oft am besten funktioniert. Ein Mix aus gesundem Lebensstil, emotionaler Unterstützung und gezielter Beratung kann helfen, diese Phase positiv zu gestalten.

Einige Ansätze, die oft hilfreich sind: 

Erstens: Gesunde und ausgewogene Ernährung: Eine Ernährung, die reich an Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten ist, kann das Wohlbefinden unterstützen. Auch kalziumreiche Lebensmittel wie grünes Gemüse oder Nüsse helfen, Knochendichte und -gesundheit zu bewahren. Lebensmittel mit Phytoöstrogenen (z.B. Sojaprodukte, Leinsamen) könnten ebenfalls unterstützend wirken.

Zweitens: Regelmäßige Bewegung: Bewegung, insbesondere Krafttraining, wirkt nicht nur positiv auf die Knochengesundheit, sondern auch auf die Stimmung und Energie. Mind-Body-Sportarten wie Yoga, Pilates, QiGong oder Zumba können helfen, das Körperbewusstsein zu stärken und für Entspannung zu sorgen, was sich positiv auf Schlaf und Stress auswirkt.

Drittens: Genügend Schlaf und Schlafhygiene: Schlafprobleme sind in den Wechseljahren häufig. Gute Schlafhygiene – regelmäßige Schlafzeiten, ein kühles Schlafzimmer und eine abendliche Entspannungspraxis – können den Schlaf verbessern. Auch Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung oder Meditation können hilfreich sein.

Viertens: Stressreduktion und Achtsamkeit: Techniken zur Stressreduktion wie Achtsamkeitstraining, Meditation oder Atemübungen helfen, innere Ruhe zu finden und Hitzewallungen oder Stimmungsschwankungen zu lindern. Sich täglich Zeit für Entspannung zu nehmen, kann das Wohlbefinden deutlich verbessern.

Fünftens: Offene Kommunikation und soziale Unterstützung: Das offene Gespräch mit Freundinnen, Partner:innen oder Kolleg:innen hilft, Verständnis zu gewinnen und emotionale Unterstützung zu erfahren. Auch Selbsthilfegruppen oder Online-Communities bieten Austausch und Ermutigung.

Sechstens: Wissensaufbau und Beratung: Sich über die Wechseljahre und ihre möglichen Symptome zu informieren, hilft, Unsicherheiten abzubauen und auf Veränderungen vorbereitet zu sein. Auch ein Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt kann sinnvoll sein, um individuelle Ratschläge zu bekommen und die besten Optionen zu besprechen.

Siebtens: Selbstakzeptanz und positives Mindset: Die Wechseljahre als natürlichen Teil des Lebens zu akzeptieren und sie als Chance für Veränderung und Selbstreflexion zu sehen, kann helfen, emotional besser durch diese Phase zu kommen. Viele Frauen nutzen diese Zeit, um sich auf persönliche Ziele und Interessen zu fokussieren und sich selbst neu zu entdecken.

Achtens: Gezielte Ergänzungsmittel: Manche Frauen finden durch Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamin D, Magnesium, Omega-3-Öle und B-Vitamine Unterstützung. Wichtig ist es jedoch, hier vorher eine individuelle Beratung einzuholen, um zu klären, was sinnvoll und gut verträglich ist.

Neuntens: Hormonherapie (HT) erwägen: Für einige Frauen kann eine individuell abgestimmte Hormontherapie (HT) hilfreich sein, um stärkere Beschwerden wie Hitzewallungen oder Schlafstörungen zu lindern. Dies sollte jedoch gut abgewogen und in Absprache mit einer Ärztin oder einem Arzt entschieden werden.

Zehntens: Eigene Bedürfnisse ernst nehmen: Es ist besonders wichtig, in dieser Zeit gut auf die eigenen Bedürfnisse zu hören und sich selbst Fürsorge zu gönnen. Kleine "Ich-Zeiten oder das Setzen von Grenzen im Alltag helfen, Energie und Stabilität zu bewahren. Das Gute: Die meisten Lehrerinnen sind Beamtinnen und haben Zugang zu guter medizinischer Versorgung! Nutzen Sie das!