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Mit (Schul-)Kindern durch die Coronakrise Startseite
Schulschließung Hygieneregeln

Folge 5: Summende Kinderchöre, Ermüdungserscheinungen und die neue Normalität

Eingerichtet im neuen Pandemie-Leben: Check! Überbrückungslösungen gefunden, um grundsätzliche Normalität aufrechtzuerhalten: Check! Sehnsucht nach einem Leben ohne Corona: Ungebrochen groß. Was hilft: Über den eigenen Corona-Tellerrand blicken.

Lara Hoffmann arbeitet als Online-Redakteurin beim BLLV. Sie hat einen Sohn (5) und eine Tochter (7) und lebt mit ihrer Familie in Schwabing.  

Hände noch eincremen! Das ist mein neuer, unerbittlicher Satz geworden, den ich meinen Kindern hinterherrufe. Zu Beginn der Pandemie war es noch „Abstand halten!“ Und „Händewaschen!“- das können sie aber längst. Nur die Haut an den Händen zeigt deutliche Ermüdungserscheinungen vom vielen Waschen. Unser Leben mit Corona ist der neue Normalzustand geworden. Und der hinterlässt seine Spuren, verändert den Blick. Tanzende, schwitzende Massen in flackerndem Stroboskoplicht dunkler Clubs, wie sie mir in wehmütigen Filmschnipseln in Erinnerung an Vor-Corona-Zeiten in meinen Social-Media-Kanälen ausgespielt werden, kommen mir extrem absurd vor.

Viele sind dazu übergegangen, Partys auf Zoom zu feiern. Das ist nur bedingt ekstatisch. Doch treffen sie im Kern den aus der Not geborenen „Dann machen wir es halt selber“-Trend in der Pandemie. Wenn meine Tochter jetzt in der Schule „Kling, Glöckchen, Klingelingeling“ mit ihrer Klasse nur summt, dann singen wir es als Familie eben zuhause, mit ausgedrucktem Textblatt vor der Nase. Eine Holzbude zu zimmern und damit mir den Christkindlmarkt einfach selber zu schaffen, wie in einem Kundenmagazin eines Supermarktes kürzlich vorgeschlagen, ist mir dann aber doch drei Spuren zu abgefahren.

Freundschaften aufbauen und pflegen fällt schwer  

Was mir für meine Kinder leid tut: Dass sie sich in ihren Fähigkeiten und Vorlieben nicht mehr richtig ausleben können. Schwimmen lernen wird mein fünfjähriger Sohn wegen der geschlossenen Schwimmbäder jetzt deutlich später als meine Tochter, die in seinem Alter nichts lieber tat, als ihre Schwimmkurse zu besuchen. Richtig genervt ist er auch davon, dass er immer noch nicht in den Fußballverein gehen kann. Auf das Kicken mit mir im Park hat er nur noch begrenzt Lust.

Meine Tochter (7) war im 2. Halbjahr ihres ersten Schuljahres, als das Corona-Krokodil zuschnappte. Freundschaftliche Bande wurden in dieser Zeit gerade ganz zart geknüpft. Die haben bei den Schulschließungen, Klassenteilungen und Kontaktbeschränkungen stark gelitten. Verabredungen passieren nicht mehr zufällig und spontan, sondern müssen gezielt auf die Agenda gesetzt werden. Und ich ertappe mich bei dem Gedanken, die Eltern abzuchecken: Gehen sie verantwortungsvoll mit Corona um? Kann ich mein Kind guten Gewissens dorthin schicken?

Blick über den eigenen Corona-Tellerrand hilft

Auch bei der Entscheidung, ob mein Ende September geborener Sohn nächstes Jahr eingeschult werden soll oder nicht, spielt Corona eine Rolle. Und die Tendenz ist ganz klar: Lieber noch warten, vielleicht ist Schule dann wieder wie früher. Ohne Maske, ohne drohenden Distanz-Unterricht, stattdessen Kinder, die lautstark „In der Weihnachtsbäckerei…“ singen und vom Sportunterricht rotbackig und nach Kinderschweiß riechend nachhause kommen.

Ein bisschen tröstet es mich, wenn ich über meinen eigenen Corona-Tellerrand blicke, wie ich es mit Hilfe meiner Frisörin mache. Während Angelika die Haare unzähliger Menschen in Ordnung bringt, hört sie ihnen zu und weiß genau, was sie bewegt. Und ausnahmslos alles, was sie hört, dreht sich um Corona. Ihre Essenz: So unterschiedlich die Menschen sind und ihre Lebenssituation, so individuell trifft sie die Pandemie. Aber jeden belastet sie. Nur an einer anderen Stelle."

>> Zu weiteren Folgen der Serie "Mit (Schul-)Kindern durch die Corona-Krise"


Schule in Zeiten der Corona-Pandemie
Die Corona-Pandemie zeigt den hohen gesellschaftlichen Wert von Schule. Damit sie trotz akutem Lehrermangel funktionieren kann, fordert der BLLV in einer politischen Erklärung, die Fürsorgepflicht des Dienstherrn in maximalen Gesundheitsschutz für Lehrkräfte umzusetzen, insbesondere im wichtigen Präsenzunterricht. Entscheidungen und deren Kommunikation müssen regional, klar, verlässlich, frühzeitig und transparent sein und schulische Eigenverantwortung stärken. Fairness muss vor Leistungsdruck gehen, digitale Ausstattung schnell verbessert werden. Jetzt ist nicht die Zeit für einfache Lösungen und Polemik. Aber jetzt ist die Zeit für langfristig tragende Konzepte für Arbeitsbedingungen, Multiprofessionalität und Attraktivität, um so Bildungsqualität auch über Corona hinaus zu sichern. Dazu braucht es einen konstruktiven Diskurs aller an Schule Beteiligten, für den der BLLV bereit steht. » Die politische Erklärung im Wortlaut





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