Berührender Unterricht der überzeugt
Für die Besucher war es ein spannender Einblick, die Kinder hatten es aber natürlich dafür doppelt schwer. Drei Mädchen und drei Jungen aus der 5c konnten üben, was sie noch nicht so gut können: Lesen. Und ihr Üben sollten sie vorführen. In 45 Minuten wurden ein detailliert vorstrukturierter Unterricht und ein Feuerwerk der Didaktik vorgeführt. Förderlehrerin Lisa Weich ließ die Kinder Dialoge lesen und vorspielen, um deren Intonationsfähigkeiten zu verbessern. In einer anderen Übung sollten die Kinder Wörter nicht nur auf Anhieb erkennen und flüssig lesen, sondern auch verstehen können. Sie kamen einzeln an die elektronische Tafel, um zu zeigen, was Worte wie „stolz“, fröhlich“, „unsicher“, oder „genervt“ bedeuten. Mit dem Finger zogen sie dafür das Wort, für das sie sich gemeldet hatten, zu jeweils einem gezeichneten Kind mit entsprechendem Gesichtsausdruck.
Die Kinder absolvieren ähnliche Trainingssequenzen wöchentlich einmal, erklärte Lisa Weich. Die Lesegeschwindigkeiten dokumentiert sie individuell. Und kann auf Anhieb zeigen, dass eine der Schülerinnen am 8. November noch 48 Wörter pro Minute gelesen hat, am 16. Mai schon 76, Steigerung: 55 Prozent. Die Ergebnisse beeindruckten die Teilnehmer natürlich und machten sehr deutlich, was Förderlehrkräfte erreichen können. "Wenn jedes Kind in Bayern so viel Lernzeiteffizienz hätte wie diese sechs hier in diesem Lese-Förderunterricht, dann bräuchten wir uns um Mindeststandards in den 4. Klassen keine Gedanken machen“, kommentierte im anschließenden Gespräch deshalb auch BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann den beeindruckenden Unterricht.
Wertschätzung für individuelle Förderung heißt auch Wertschätzung für Förderlehrkräfte
Förderlehrkräfte erfüllen heute längst nicht mehr nur die Aufgaben einer pädagogischen Assistenz. Heute gehört zum weit gefächerten Einsatzspektrum die Differenzierung und, was in Geretsried zu beobachten ist, eigenverantwortlicher Unterricht. Trotz dieser enorm wichtigen Funktion sinkt die Zahl der Förderlehrer. Im Landkreis der Schule in Miesbach teilen sich 24 Schulen sieben Förderlehrkräfte, sagt Beate Buchberger. Amtlichen Statistiken zufolge sei zwischen 2017 und 2023 die Zahl der FöL um 33 Prozent gesunken. In ganz Bayern sind es nur noch 1190. „Und das bei steigenden Schülerzahlen und zunehmender Leistungsheterogenität.“ Eine anrollende Pensionierungswelle und mangelnder Nachwuchs werden den Trend verschärfen.
Im Fachgespräch wurde noch viel diskutiert, nach Hintergründen und Informationen gefragt, die im Unterricht nicht zu sehen waren. Beispielsweise, dass die Vorbereitung für jede ganz normale Stunde zwei Stunden Vorbereitungszeit erfordert. Das Wissen dafür ist von den Förderlehrkräften hart erarbeitet, oft genug in berufsbegleitenden Seminaren auf eigene Kosten. „Es war ein wahnsinnig toller Unterricht“, resümiert Susanne Arndt. BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann ergänzt, man habe heute bei allem Vorführstress „ein Höchstmaß an Wertschätzung“ erlebt, und sie bekräftigte, dass sich der BLLV auch und gerade für die Förderlehrerinnen und Förderlehrer einsetzen wird: für Besoldungsgerechtigkeit, für die angemessene Wertschätzung und bessere Rahmenbedingungen.
Ein ausführlicher Artikel über das PtP „Förderlehrkräfte an der Mittelschule“ in Martinsried von Christian Bleher erscheint auch in der nächsten Ausgabe der bayerischen schule. Auszüge davon wurden hier schon verwendet.