Zahlreiche Beschäftigte des Sozial- und Erziehungsdienstes haben sich diesen Herbst an den Warnstreiks beteiligt. Nun gibt es seit letztem Wochenende einen Tarifabschluss mit Entgelterhöhungen und einer Laufzeit bis Ende 2022. Dabei hätte die Arbeitnehmerseite die Tarifauseinandersetzung gerne vertagt, jedoch hatten die Arbeitgeber schnell ihre Chance gewittert und auf eine Nullrunde gehofft.
Die Verhandlungen waren zäh, weil die Arbeitgeber die Corona-Situation für sich ausnutzen wollten und versuchten, die Beschäftigtengruppen gegeneinander auszuspielen. Somit wurden die Angestellten des öffentlichen Dienstes in den Konflikt gedrängt und ernteten harte Kritik, als sie von ihrem Streikrecht Gebrauch machten. Der öffentliche Verkehr lag teilweise lahm und Kindertagesstätten hatten geschlossen.
Details zur Tarifeinigung
In der dritten Verhandlungsrunde zum TVöD haben sich Gewerkschaften und Verbände mit den Arbeitgebern von Bund und VKA dann auf ein Tarifergebnis geeinigt. Die Mitglieder des BLLV im Sozial- und Erziehungsdienst wurden bei den Tarifverhandlungen vom dbb beamtenbund und tarifunion vertreten. dbb Verhandlungsführer Ulrich Silberbach bilanziert am 25. Oktober 2020, dass das Machbare erreicht wurde.
Ein Auszug der dbb Bundestarifkommission (BTK) zeigt folgende Ergebnisse: Entgelterhöhungen und kürzere Laufzeit. Im Detail:
- eine einkommensabhängige, steuer- und abgabenfreie Corona-Prämie in Höhe von 300- 600€ in 2020
- Ab 1. April 2021: 1,4%, mindestens 50 Euro
- Ab 1. April 2022: weitere 1,8%
- Azubis erhalten zu diesen beiden Terminen eine Erhöhung von jeweils 25 Euro
Es geht um mehr
Im ursprünglichen Angebot hatten die Arbeitgeber noch eine Laufzeit von 36 Monaten gefordert. Diese konnte auf 28 Monate (bis Ende Dezember 2022) reduziert werden. Die deutliche Verkürzung um acht Monate stellt einen deutlichen Erfolg dar.
Jedoch haben die pädagogischen Fachkräfte nicht nur aus Solidarität und für bessere Gehälter gestreikt, sondern auch dafür, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen und ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen.
Beziehungsarbeit massiv erschwert
Das Arbeiten in bayerischen Kindertageseinrichtungen im Herbst 2020 bringt die Pädagoginnen und Pädagogen an ihre Grenzen. Denn unter Pandemiebedingungen wertvolle Bildung und Erziehung der Kleinsten weiterhin zu gewährleisten, fordert die pädagogischen Fachkräfte enorm. Wichtiger als Applaus oder monetäre Wertschätzung ist für die Beschäftigten des Sozial- und Erziehungsdienstes, die sich an der Corona-Krise abarbeiten, Zeit für die Kinder und für individuelle Zuwendung. Denn das Personal war schon vor Corona enorm knapp. Um die Hygienekonzepte und Schutzmaßnahmen im Kitaalltag umzusetzen, bedarf es deutlich mehr Personal. Jetzt herrscht durchweg Personalmangel!
Der Regelbetrieb im Kitajahr 20/21 bedeutet Chaos und Überforderung. Rechtliche Vorgaben und Hygienekonzepte schränken gute Fachlichkeit ein und machen es schier unmöglich, ausgewogene pädagogische Beziehungen aufrechtzuerhalten! Die pädagogischen Fachkräfte fühlen sich allein gelassen und kommen tagtäglich an ihre Grenzen.
Gruppeneinteilung pädagogisch kontraproduktiv und logistischer Albtraum
Die pädagogischen Konzepte der Einrichtungen, die oft mühsam erarbeitet wurden, mussten von einem auf den anderen Tag über Bord geworfen werden. Viele Einrichtungen arbeiteten in einem offenen Konzept – dies ist mit der verordneten Gruppenregelung nun nicht mehr möglich. Räume müssen umstrukturiert werden, wenn diese überhaupt vorhanden sind. Genügend und entsprechende Räume in der Kita zur Verfügung zu haben, um dort jeweils 25 Kinder zu betreuen, ist keine Selbstverständlichkeit. Kostbare Zeit zur Vorbereitung geht verloren. Teambesprechungen, die dazu genutzt wurden um organisatorische Dinge zu klären oder notwendige Fallbesprechungen zu machen, werden, um den Alltag überhaupt bewältigen zu können, auf Eis gelegt.
Hinzu kommt, dass die Gruppenregelung wie auch die Raumregelungen Leitungen und ihre Teams vor ungeheure Herausforderungen stellen. Die Erstellung des Dienstplanes und die Einteilung der Kindergruppen bedürfen einer logistischen Meisterleistung. In den Randzeiten dürfen keine Gruppen zusammengelegt werden. Zum Schutz verständlich; in der Praxis jedoch fast nicht umsetzbar. In Kitas herrscht eine hohe Vielfalt an Arbeitszeitmodellen. Während eine Vollzeitkraft eine 39/40-Stunden-Woche leistet, haben manche Kinder sogar eine 45-Stunden-Woche. Viele Kitas können die neue Arbeitseinteilung nur im seltenen Idealfall abdecken, dass das Team gesund ist und sich niemand krankmeldet. Fortbildungen werden komplett abgesagt.
Mehr Zeit, mehr Personal und kindgerechte Hygienekonzepte mit Augenmaß!
Nichtsdestotrotz versuchen die pädagogischen Fachkräfte den Kindern einen bestmöglichen Alltag zu bieten. Es wird mit Masken gearbeitet und Abstand gehalten, regelmäßig Händegewaschen und stündlich der Raum gelüftet. Gesungen wird im Garten.
Eine Absehbare Verbesserung des Ausnahme-Kita-Betriebs ist nicht in Sicht.
Die pädagogischen Fachkräfte brauchen verlässliche Strukturen, um ihre beruflichen Aufgaben zu verrichten, um Sicherheit zu gewinnen und um mit Zuversicht ihren Erziehungs- und Bildungsauftrag zu erfüllen. Dazu benötigen sie vor allem Zeit, Personal und verständliche, jedoch auf gar keinen Fall hemmende, Regelungen der Hygieneverordnungen.
<< Sarah Heße, Leiterin der Fachgruppe Sozial- und Erziehungsdienst im BLLV