Fachunterricht genießt nicht den Stellenwert, den er verdient. Fächer wie Ernährung und Soziales, Werken und Gestalten, Musik, Sport, Kunst, Technik oder Informationstechnik fristen im schulischen Alltag, bei dem es um Noten und Berechtigungen geht, ein Schattendasein. „Dass das so ist, heißt noch lange nicht, dass es gut ist“, erklärte die Präsidentin des BLLV, Simone Fleischmann. Ziel des Schulbesuchs müsse die ganzheitliche Bildung sein. Fachunterricht trage viel dazu bei, jungen Menschen die Kompetenzen zu vermitteln, auf die es später ankomme - und von der die Gesellschaft von morgen profitiere. Es sei ihr ein großes Anliegen, den Fachunterricht an bayerischen Schulen aufzuwerten. Ergebnisse einer Befragung (unten verlinkt), die der BLLV Ende 2016 unter 1100 Fachlehrkräften durchgeführt hat, zeigten jedoch ein anders Bild. Zwar sind fast 83% mit ihrem Beruf zufrieden und über 72% fühlt sich auch von der Schulleitung bzw. Schulaufsicht unterstützt - dennoch: Die Lehrkräfte fühlen sich sehr belastet. Annähernd gleich viele der Befragten geben an, bei der Berufsausübung massiv gestresst zu sein. Verhaltensauffälligkeiten der Schüler/innen machten ihnen zu schaffen (94%), geringe Lernmotivation(80%), aber auch die Beschaffung des Unterrichtsmaterials: Über 70% fühlen sich dadurch sehr strapaziert, für 84% stellt der damit verbundene hohe Aufwand eine enorme Anstrengung dar. Fleischmann stellte einen ganzen Katalog an Forderungen vor, darunter auch die, Teamstunden einzuführen. Das gängige Stundenmaß von derzeit 29 Wochenstunden pro Lehrerin sei nicht mehr zeitgemäß.
Eine ganze Reihe weiterer Umstände machten den Berufsalltag der Fachlehrkräfte unnötig schwer: Zum Beispiel der Mangel an Arbeitsplätzen für den Unterricht. Er stresst 87% aller Befragten. „Da es an vielen Schulen die für den Unterricht erforderlichen Räume nicht gibt, müssen die Lehrerinnen auf die Suche gehen. Das kann zermürbend sein“, so Fleischmann. Vor allem binde es Zeit, die anderswo dringend gebraucht würde.
Über 72% beklagen fehlende Fach- und Vorbereitungsräume an den Schulen. Die zur Verfügung stehenden Räume wiederum verhindern aus Sicht von über 70% der Befragten kommunikative oder eigenständige Sitzformen. Die Hälfte der Befragten klagt über ein schlechtes Raumklima und/oder eine schlechte Belüftung. Knapp 70% fühlt sich aufgrund schlechter Raumakustik von Lärm belästigt. Die Räume müssten zudem häufig gewechselt werden (für 72% belastend). Auch der durch Schulwechsel bedingte zeitliche Aufwand ist für über 66% ein Belastungsfaktor. Wie oft es Fachlehrer/innen darüber hinaus mit veralteten oder defekten Geräten zu tun haben, lässt sich nur ahnen: 67% aller Befragten nennen dies jedenfalls als einen Aspekt, der den Unterrichtsalltag beschwerlich macht.
Rund 80% geben zudem an, Schüler/innen in den Abschlussklassen ohne Vorkenntnisse als besonders belastend zu erleben, über 70% empfinden Schüler/innen mit Inklusionsbedarf als große Anstrengung, da sie sich der Kinder annehmen und gerade im sicher relevanten Bereich große Bedenken und Sorgen haben. Über 66% leiden darunter, aus dienstlichen Gründen immer wieder die Schule wechseln zu müssen.
„Fachlehrerinnen und -lehrer wissen ganz genau, was sie brauchen, damit sich ihre Situation verbessert“, sagte Fleischmann. Ihr Forderungskatalog falle entsprechend lang aus: So verlangen 60% Ruhe- und feste Arbeitsräume. Bessere Lagermöglichkeiten für Materialen wollen knapp 63% und über 61% möchten eine bessere Ausstattung ihres Fachraumes. Er sollte zudem nicht zusätzlich belegt werden. Ganz oben stehen mehr Poolstunden - diese wünschen sich über 92%. Knapp 70% fordert eine Dezimierung der umfangreichen Organisations- und Verwaltungsaufgaben und einen deutlichen Ausbau von Supervisions- und Coaching-Angeboten (knapp 73%). Nach Ansicht Fleischmann müssten darüber hinaus auch die Gruppenstärken begrenzt werden. „Es kann nicht sein, dass so viele Schüler/innen im Fachunterricht beschult werden, wie in den Raum passen - eine Höchstgrenze von 12 Schüler/innen erscheint sinnvoll.“ Erleichterung würde es auch bringen, wenn Fachlehrkräfte künftig an einer Schule unterrichten könnten.
Es gehe auch nicht an, dass Fachlehrkräfte immer wieder dazu angehalten werden, Klassen mitzuführen, Vertretungen oder zusätzliche Aufsichten zu übernehmen. „Das stellt für den überwiegenden Teil der von uns befragten Personen eine enorme zusätzliche Belastung dar und dient doch nur dem einen Zweck, Unterrichtsausfälle zu kaschieren. Auch damit muss endlich Schluss sein.“
Die BLLV-Befragung lege offen, dass es brennt, fasste Fleischmann zusammen. „Wir wissen um die Notwendigkeit ganzheitlicher Bildung - wir wissen aber auch, dass guter Unterricht nur dann umzusetzen ist, wenn es die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen gibt.“ Das gelte auch und besonders für Fachlehrkräfte. An das Kultusministerium appellierte sie, die Nöte der Berufsgruppe ernst zu nehmen und spürbare Verbesserungen einzuleiten.
Andrea Schwarz, BLLV-Pressereferentin M.A. Tel: 089/ 72 100 129, presse (at) bllv.de