Sarah_Hesse_1_soz_unf_erz_dienst.jpg
Bayerischer Kinderbetreuungsgipfel 2023 Startseite Topmeldung

Bleibt die frühkindliche Bildung in bayerischen Kindertageseinrichtungen bald auf der Strecke?

180.000 neue Betreuungsplätze für Kinder wurden auf dem Bayerischen Kinderbetreuungsgipfel versprochen. Bei der Umsetzung scheint die Staatsregierung aber auf Quantität zu setzen statt auf Bildungsqualität!

Am 03. Juli 2023 hat der Bayerische Kinderbetreuungsgipfel mit Ministerpräsident Dr. Markus Söder sowie Vertreterinnen und Vertretern der Kommunen, der Wohlfahrtsverbände, von Kinderbetreuungseinrichtungen, des Amts für Jugend und Familie sowie der Elternschaft stattgefunden. Im Anschluss wurde in einer Pressekonferenz des Ministerpräsidenten mit Sozialministerin Ulrike Scharf und Kultusminister Prof. Dr. Michael Piazolo gemeinsam über die wesentlichen Ergebnisse informiert.

Personalmangel wird sich weiter verschärfen

Die Staatsregierung will bis 2028 insgesamt 180.000 neue Betreuungsplätze für Kinder schaffen. Davon sind 130.000 für Grundschulkinder gedacht. Die übrigen 50.000 Plätze sind für Kinder unter sechs Jahren geplant. Den damit notwendigen zusätzlichen Personalbedarf schätzt die Staatsregierung auf 60.000 Menschen (Quelle: dpa). Mit diesem Plan soll unter anderem der ab 1. August 2026 bundesweit geltende Rechtsanspruch auf die Betreuung von Grundschulkindern erfüllt werden. Zunächst gilt dieser für die erste Klasse, in den Folgejahren soll die Betreuung um je einen Jahrgang ausgeweitet werden. Ab August 2029 soll dann für jedes Grundschulkind von Klasse eins bis vier der Anspruch auf ganztägige Betreuung gelten – ohne Zweifel eine personelle und strukturelle Mammutaufgabe. Die ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangebote werden dann von Lehrkräften und pädagogischem Personal gemeinsam verantwortet – was wiederum einen zunehmenden Personalmangel zur Folge haben wird.

Qualität statt Quantität?

Die bayerische Staatsregierung betonte ihre Verantwortung als Familienland Bayern, setzt aber bei den Maßnahmen ausschließlich auf schnelle Lösungen. Somit soll dem erhöhten Bedarf an Personal mit zweifelhaften Strategien im Schnelldurchlauf begegnet werden, geplant sind vermehrt verkürzte Qualifizierungswege durch „Fast-Lanes“ und Unterstützung durch sogenannte „Teamkräfte“ – von pädagogisch ausgebildeten Fachkräften ist keine Rede.

Somit stellt sich die Frage: Sind bayerische Kindertageseinrichtungen zukünftig nur noch Betreuungs- und keine Bildungseinrichtungen mehr? Denn von frühkindlicher Bildung ist, wie der Name des Gipfels schon sagt, nicht mehr die Rede – nur noch von Betreuung.

Bayerische Kindertageseinrichtungen leisten aber so viel mehr als nur Betreuung und Beaufsichtigung von Kindern. Das pädagogische Personal vor Ort erfüllt tagtäglich den Förderauftrag, der die Bildung, Erziehung und Betreuung des Kindes, sowie die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung und die Begleitung von Bildungsprozessen eines jeden Kindes als Ziel hat.

Statt Ansprüche runterschrauben: Bessere Rahmenbedingungen schaffen!

Die Staatsregierung setzt bei den jetzt angekündigten Maßnahmen anscheinend nur auf Quantität und rühmt sich dabei mit der Menge an geplanten Betreuungsplätzen. Die pädagogische Qualität dürfte dabei aber auf der Strecke bleiben.

Es gäbe bessere Herangehensweisen, die bereits vielfach vom BLLV und anderen Fachverbänden empfohlen wurden. Dazu gehören Maßnahmen wie die Vergütung der Ausbildung, eine unbürokratischere Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, und eine bessere finanzielle Ausstattung, um die engagierten Pädagoginnen und Pädagogen zu entlasten, zu halten und dringend benötigte zusätzliche Fachkräfte zu qualifizieren und zu gewinnen. Diese wurden allerdings beim Kinderbetreuungsgipfel nicht erwähnt.

Wir dürfen es nicht zulassen, dass eine verfehlte Personal- und Bildungspolitik zu strukturellen Qualitätseinbußen und damit zur Einschränkung von Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern führt. Nur mit ausreichend gut ausgebildetem Personal kann das System der frühkindlichen Bildung dem Anspruch gerecht werden, echte Bildungs- und Chancengerechtigkeit herzustellen.

Das BLLV-Positionspapier zur frühkindlichen Bildung finden Sie HIER als PDF.



Mehr zum Thema

Themen:
Frühpädagogik