Kein Rucksack, keine Handtasche, geschweige denn ein Baumwollbeutel bietet Platz genug für das, was Fachlehrerin Franka Popp für einen ganz normalen Donnerstag in der Schule braucht. Ihre Schultasche ist ein Wäschekorb. Und in den packt sie, was eigentlich in das Klassenzimmer oder in das persönliche Fach im Lehrerzimmer gehört. Denn Franka Popp ist Fachlehrerin und fährt für ihren Unterricht viele verschiedene Schulen an – an einem normalen Schultag sind es vier. Häufig verbunden mit zeitintensiver Parkplatzsuche.
Als Fachlehrer wäre es gut, ein Oktopus zu sein
Und das ist nicht das einzige, was ihren Schultag erschwert: Kurzfristig angesetzte Doppelführungen von Klassen, fehlende und beengte Werkräume erschweren ihren Unterricht massiv. Nach der achten Stunde ist ihr Donnerstag zu Ende. „Ich bin die letzte Lehrkraft im Schulgebäude und verabschiede mich von der Putzfrau. Ein Oktopus zu sein wäre gut, mit mehreren Armen, Augen und Herzen. Denn morgen geht es so weiter.“
Die Politiker Matthias Fischbach (FDP, MdL, Mitglied des Ausschusses für Bildung und Kultus), Margit Wild (SPD, MdL,Mitglied des Ausschusses für Bildung und Kultus ), Anna Schwamberger (MdL, schulpolitische Sprecherin der Grünen und Mitglied des Ausschusses für Bildung und Kultus) und Tobias Gotthardt (Freie Wähler, MdL, Stellvertr. Vorsitzender des Ausschusses für Bildung und Kultus) sind beeindruckt vom Einblick in das Arbeitsleben von Franka Popp.
BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann betont: „Die anwesenden Politikerinnen und Politiker hier wissen genau, was hier unsere Thematik ist – Ihnen müssen wir keine Nachhilfe geben, wie vielleicht einem anderen Politiker, was ein Fachlehrer oder eine Fachlehrerin ist“, meint BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Was aber die die speziellen Herausforderungen der Fachlehrerkräfte sind, da sind Fischbach und seine Politikerkollegen für den Input von Brigitte Eisenhut (Fachgruppenleiterin Ernährung und Gestaltung), Dimitri Telent (Fachgruppenleiter Musisch-Technisch) und Franziska Popp (Bezirksvertretung Ernährung-Gestaltung aus Unterfranken, Bettina Ondrusek (1. stellvertretende Leiterin der Fachgruppe Ernährung und Gestaltung) und Franziska Gallasch (BLLV- Kreisverband Augsburg, Fachlehrerin an einer Mittelschule) dankbar.
Fischbach (FDP): „Schulen müssten mehr Verantwortung bekommen, auch bei der Gestaltung ihres eigenen Schulhauses.“
Sie erfahren indirekt, dass grundsätzliche Dinge dringend überarbeitet gehören. Der Fakt, dass Fachlehrer 29 Stunden arbeiten müssen bei einer Vollzeitstelle, GS- und MS-Lehrerinnen und Lehrer hingegen nur 27 bzw. 28. Sie erfahren, dass das Hin- und Herfahren zwischen Schulstandorten nur unzureichend angerechnet wird. Sie erfahren, dass Fachlehrer mit fehlenden Werkräumen und zu engen Räumen, schlechter Ausstattung, wie etwa zu kleinen Tischen kämpfen müssen. Ein unhaltbarer Zustand, findet Fischbach: „Schulen müssten mehr Verantwortung bekommen, auch bei der Gestaltung ihres eigenen Schulhauses.“
Kompetenzorientierung oder Berufsorientierung für Fachlehrkräfte nicht mehr möglich
Das sind die strukturellen Probleme, mit denen Fachlehrkräfte zu kämpfen haben. Und dann ist da noch das Problem, dass es zu wenige Lehrerinnen und Lehrer gibt für zu viele Schülerinnen und Schüler. Und Fachlehrerinnen und Fachlehrer plötzlich für Dinge eingesetzt werden, wofür sie nicht gedacht sind. Damit die Staatsregierung sagen kann: „Wir haben genügend Lehrer.“ Bettina Ondrusek (1. stellvertretende Leiterin der Fachgruppe Ernährung und Gestaltung), sagt: „Vor zehn Jahren musste ich 12 Schülerinnen und Schüler in der Stunde unterrichten, jetzt sind es 24.“ „Kompetenzorientierung oder Berufsorientierung, also die eigentlichen Ziele einer Fachlehrerkraft, fällt damit weg“, so Ondrusek.
Gotthardt (Freie Wähler) räumt Lehrermangel ein
Dass Gotthardt von den Freien Wählern in der Gespräch mit dem BLLV unumwunden einräumt, dass es natürlich an Lehrern mangele und dies Wurzel des Übels für viele Missstände in der Schule sei, sorgt in der Diskussionsrunde für Anerkennung. „Aber Lehrer fallen nicht einfach vom Himmel – das ist klar. An diesem Thema müssen wir dranbleiben.“
Ausdruck von Wertschätzung und Anreiz für Nachwuchslehrer signalisiert auch angemessene Bezahlung. Auch dazu positioniert sich Gotthardt von den Freien Wählern ganz klar: „Ich bin für A13 als Einstiegsgehalt für alle Lehrer. Wir brauchen einfach mehr Köpfe.“
Nitschke: BLLV hat bereits Verbesserungen für Fachlehrer auf den Weg gebracht
BLLV-Vizepräsident Gerd Nitschke betont, welche Verbesserungen der BLLV bereits für die Fachlehrerinnen und Fachlehrer erkämpft hat. Speziell seit der Landtags-Petition im September 2019 sei der BLLV besonders engagiert daran, die Situation für die Fachlehrer zu verbessern.
Und dieses Engagement trägt Früchte: Im vergangenen Herbst konnte der BLLV über 400 Beförderungen für Fachlehrkräfte verkünden, im Februar dieses Jahres wurde ein weiteres Staatsinstitut (Standort Bad Aibling) bewilligt, was die Lehrerbildung aufwertet. Noch ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung: Eine zusätzliche, verbindliche Anrechnungsstunde bei Mehrhäusigkeit. „Auch für nächstes Jahr sind Schritte geplant, was sich positiv für Fachlehrer auswirken wird“, gibt sich Nitschke optimistisch.
Dass Fachlehrkräfte mehr Unterrichtsstunden leisten müssen als Grund- und Mittelschullehrkräfte, ist durch nichts zu rechtfertigen
Franziska Gallasch, Fachlehrerin an einer Mittelschule, betont, wie hoch der Organisationsaufwand für Fachlehrkräfte sei. Sie hätten um die 130 Schülerinnen und Schüler zu betreuen, müssen durch die Mehrhäusigkeit an diversen Konferenzen teilnehmen. „Dass Fachlehrerinnen und Fachlehrer mehr Unterrichtsstunden leisten müssen als Grund- und Mittelschullehrkräfte ist durch nichts zu rechtfertigen“, fasst Gallasch zusammen. Das leuchtet auch den anwesenden Politikern nicht ein.
In diesem Zusammenhang moniert Brigitte Eisenhut (Leiterin der FG EG) die begrenzten Beförderungsmöglichkeiten und betont hierbei die vielen zusätzlichen Aufgaben, die Fachlehrkräfte übernehmen - wie etwa Projektprüfungen. Da stimmt ihr Anna Schwarmberger (Grüne) zu: „Warum soll ich Engagement zeigen, wenn ich nicht weiterkomme? Deshalb müssen hier unbedingt Anreize geschaffen werden!“ Fischbach gibt ihr Recht: „Leistung muss honoriert werden.“
Dimitri Telent (Leiter FG Musisch-Technisch) weist darauf hin, dass Fachlehrkräfte häufig die gleichen Inhalte wie universitär ausgebildete Lehrer vermitteln – dafür aber weniger Geld bekommen. Indirekt werden sie so als Sparmodell eingesetzt werden und kaschieren das eigentliche Problem: Lehrermangel.
Margit Wild (SPD) zeigt Verständnis für die Situation der Fachlehrkräfte: „Bedauerlicherweise ist das System Schule sehr hierarchisch, auch innerhalb einer Schule. Das muss sich ändern. Gerade in der Pandemie muss klar sein, dass jeder Pädagoge zählt. Und das heißt auch: A13 für alle.“ BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann ergänzt: „Gerade in der Pandemie müssen Kinder besonders aufgefangen werden – und das kann ganzheitliche Bildung – durch Fachlehrer. Es schaudert mich, wenn externe Kräfte, keine professionellen Kräfte, eingesetzt werden sollen“, so Fleischmann.
>> Die aktuelle Situation der Fachlehrkräfte im Dossier dargestellt
>> BLLV fordert Verbesserungen noch in diesem Schuljahr