Als Ende der 1960er Jahre bundesweit eine Schulreformdebatte geführt wurde und der Deutsche Bildungsrat in einem „Strukturplan für das Bildungswesen“ die „Betonung der Differenziertheit der individuellen Lernbedürfnisse“ darin festschrieb, entstand der Gedanke an eine „Schulassistenz“. Die schülereigenen Unterschiedlichkeiten hinsichtlich Lerngeschichte, Lernweg, Fähigkeit und Lernziel sollten mittels individualisierender Maßnahmen für einzelne Schüler und Schülergruppen in den Lernprozessen berücksichtigt und durch gezielte Unterstützungsmaßnahmen weitgehend ausgeglichen werden, um ein Mehr an Bildungsgerechtigkeit zu erreichen. Dafür brauchte es aber auch ein Mehr an Personal, das zudem gezielt für diese Aufgaben ausgebildet werden sollte.
Pädagogische Assistenz als eigenständiges schulreformerisches Anliegen
Bayern war am Ende das einzige Bundesland, das diese Vereinbarung der besonderen Fördermöglichkeiten und Unterstützung an den „Volksschulen“ vor über 50 Jahren auf den Weg brachte: die „Pädagogische Assistenz“.
Ein bis heute währendes Erfolgsmodell für differenzierte und individuelle Förderung an den Grund-, Mittel- und Förderschulen war geboren und sowohl die Schulen, die Schüler als auch die Lehrerkollegien haben trotz anfänglicher Unsicherheit über die eigentlichen Aufgaben und Einsatzmöglichkeiten schnell erkannt, dass dieses pädagogische Zusatzpersonal ein enormer Gewinn für die Bildungsgerechtigkeit in Bayern darstellt.
Sowohl die „Pädagogischen Assistent*innen“ von damals als auch die Förderlehrer*innen von heute sind in ihren Schulen Pioniere, „Macher“, Organisatoren und Stützen. Sie haben sich bewusst für diesen Beruf entschieden und gehen die Herausforderungen im schulischen Alltag mit Mut, Engagement, hoher Professionalität und enormer Sozialkompetenz an. Deshalb sind sie auch sehr gefragt und werden stets als wertvolle Bereicherung des Lehrpersonals empfunden.
Fehlinterpretationen bremsen die Entwicklung des Berufsbildes
Leider gab es auch eine Zeit, in der diese neu geschaffene Pädagogische Assistenz als Bedrohung für die gerade erreichte akademisierte Lehrerbildung gesehen wurde und auch von Seiten des BLLV wurde unter diesem Blickwinkel gefordert, die Ausbildung einzustellen. Dass dieser Gedanke nicht unbegründet war, zeigte sich spätestens mit dem Kienbaum-Gutachten 1994/95, als im Zuge von Sparmaßnahmen vorgeschlagen wurde, „Pädagogische Assistent*innen“ mit der Klassenführung in den Jahrgangsstufen 1 und 2 zu betreuen und so eine Art „Billig-Lehrer“ aus dem eigenständigen schulreformerischen Anliegen zu machen. Wenn die Ausbildung auch diesen Sturm überlebt hat – mit der sukzessiven Schließung von 3 der anfänglich 4 Institute wurde die Entwicklung und Verbreitung dieses Berufsbildes stark beeinträchtigt.
Förderlehrer*innen als Teil multiprofessioneller Lernbegleitung
Die Ausbildungsinhalte waren zu Beginn noch sehr an den Strukturen der traditionellen Lehrerbildung orientiert, doch im Laufe der Jahre wurden die Lehrpläne den tatsächlichen Bedürfnissen und Gegebenheiten des Berufsbildes angepasst, sodass den Schulen, den Klassenlehrkräften und vor allem den Schülern heute hervorragende und bestens ausgebildete Spezialisten für die Individualisierung und Differenzierung zur Seite stehen.
Mit ihren vielfältigen Qualifikationen stellen Förderlehrkräfte heute ein wichtiges Element auch im Sinne der Multiprofessionalität an den Grund-, Mittel und Förderschulen in Bayern dar. Gerade durch die zunehmende Heterogenität im Lern- und Leistungsverhalten der Schüler sind individuelle Förderung und differenzierte Lernangebote notwendiger denn je. Und genau das können Förderlehrkräfte leisten! Sie gestalten und beschreiten Lernwege mit den Schülern, für die im Klassenunterricht nicht genügend Zeit und Raum vorhanden sind. Sie erzeugen Lernumgebung und Lernbedingungen für die Schüler, damit individuelle Lernerfolge erreichbar werden. Dadurch entwickeln die Schüler Motivation und Lernfreude und somit eine positive Einstellung zum Lernen und zur Schule.
Auch im Einsatz als Tandem-Lehrkräfte haben sich viele Förderlehrer*innen bereits erfolgreich bewährt und die durchwegs positiven Rückmeldungen sowohl von den Klassen- als auch von den Förderlehrkräften machen deutlich, dass ein „Zwei-Lehrer-Prinzip“ für alle Beteiligten einen enormer Gewinn an Lehr- und Lernkultur darstellt.
Der BLLV setzt sich erfolgreich für die Förderlehrer*innen ein
Dieses pädagogische und personelle „Plus“, das den Schulen durch die Förderlehrer*innen zu Teil wird, hat auch die Sichtweise des BLLV verändert. Auf allen Ebenen setzt sich der BLLV und seine Fachgruppe für die Förderlehrkräfte aktiv bei den verantwortlichen Stellen für Verbesserungen der beruflichen Bedingungen von Förderlehrer*innen ein. Als Erfolge sind hier die Verkürzung der Beförderungswartezeiten, die Ausweitung der Beförderungsstellen in A10 und A11, die Anhebung der Seminarleitungen nach A12 sowie die Aufstockung der aktuellen Ausbildungszahlen zu nennen. Als Beleg für diese erfolgreiche Arbeit kann auch gelten, dass 2008 wieder ein weiteres Institut im Süden Bayerns eröffnet wurde, um bayernweit eine bessere Verteilung zu erreichen und seit einigen Jahren auch die Ausbildungskapazitäten an den Instituten regelmäßig erhöht wurden.
Fehlende Anerkennung und Missbrauch durch den Dienstherren
Förderlehrer*innen wollen ihren Beruf mit Professionalität, Freude und Begeisterung ausüben und stellen sich auch stets motiviert neuen Herausforderungen. Leider wird gerade im Jubiläumsjahr die Freude durch die Erhöhung des Anteiles im eigenverantwortlichen Unterricht getrübt. Zunehmend hat der Dienstherren den Schwerpunkt des Einsatzes verändert und die eigentliche Aufgabe der individuellen Lernförderung rückte mit der Einberechnung in die Lehrerwochenstundenzuweisung in den Hintergrund. Die aktuellen Umfragen der Landesfachgruppe Förderlehrer im BLLV haben gezeigt, dass viele Förderlehrkräfte überwiegend oder ausschließlich eigenverantwortlich im Lehrerbreich eingesetzt werden und so hunderte von Lehrerplanstellen ersetzen. Das war und ist so nie die Aufgabe von Förderlehrer*innen gewesen!
Außer der Umbenennung in „Förderlehrkräfte“ - was für den Dienstherren sicher mehr von Vorteil war als für die betroffene Berufsgruppe selbst - zeigen sich die Verantwortlichen am Kultusministerium in den letzten 50 Jahren sehr uneinsichtig und beharren auf dem Standpunkt, dass Förderlehrkräfte zwar im Lehrerbudget eingesetzt werden sollen, aber nicht den Status „Lehrer“ und auch keine angemessene Anpassung der Besoldung erhalten können, obwohl bereits seit 1997 ein Landtagsbeschluss existiert, der eine Angleichung an die Fachlehrer*innen fordert.
Wir gratulieren herzlich und bleiben für euch dran!
50 Jahre sind ein wahrer Grund zum Feiern und wir freuen uns, dass der BLLV heute mit seinem Einsatz für die Förderlehrer*innen durchwegs positive Reaktionen erzeugt. Es wird aber sicher noch einiges an Überzeugungsarbeit und Diskussionen zu stemmen sein, um die Sichtweise der Verantwortlichen in Politik und Verwaltung zu verändern, und die beruflichen Bedingungen für die Förderlehrer*innen aufzuwerten. Der BLLV wird sich weiter intensiv für zeitnahe Verbesserungen einsetzen, denn die Argumente und Fakten zeigen deutlich, dass der „Mehrwert“ der durch den Einsatz von Förderlehrer*innen an den Schulen in Bayern entsteht, auch in Zukunft wertvoll und absolut notwendig ist. Doch jetzt ist es vor allem an der Zeit sich zu freuen und zu gratulieren! Happy Birthday, liebe Förderlehrer*innen!