Die Haltung des BLLV zum Islamunterricht

Petition an Landtagspräsidentin Barbara Stamm am 21.3.2016

Einstimmiger Beschluss des BLLV-Landesausschusses vom 11.3.2016

Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) setzt sich seit dem einstimmigen Beschluss unseres Landesvorstands von 1999 als einer der ersten überhaupt für einen Islamunterricht an bayerischen Schulen ein. Seitdem wurden viele einzel­ne Angebote verschiedenen Schulen geschaffen. Mit der Einrichtung des Schulversuchs erstmals im Schuljahr 2003/2004, den der BLLV nachhaltig unterstützt, wurde das Angebot erheblich ausgebaut. Da der Schulversuch 2014 um 5 Jahre verlängert wurde und aktuelle Entwicklungen die Bedeutung des Islamunterrichts nochmals unterstreichen, richtet der BLLV diese Petition an den Bayerischen Landtag.

Die Kriterien, die der BLLV seit Beginn für den Islamunterricht formuliert hat, sind nach wir vor ohne Einschränkung gültig und müssen garantiert sein:

  • er korrespondiert mit Artikel 7 Grundgesetz und den relevanten Artikeln der Verfassung des Freistaates Bayern;

  • er unterliegt der deutschen staatlichen Schulaufsicht;

  • curricular gründet er auf den vorhandenen Fachlehrplänen für den Schulversuch Islam­unterricht an bayerischen Schulen;

  • er wird von qualifizierten Lehrkräften mit staatlicher Lehrbefähigung in deutscher Sprache erteilt;

  • die Lehrkräfte für diesen Unterricht werden an Hochschulen im Rahmen eines Lehramts­studiums ausgebildet, hierfür sind die entsprechenden Kapazitäten an bayerischen Uni­versitäten zu schaffen bzw. zu erweitern sowie Ressourcen für Praktika zu schaffen.

Religionsunterricht für Musliminnen und Muslime soll zur Bildung einer muslimischen Identität in Deutschland und zum Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft verhelfen und darf deshalb weder durch national noch durch religiös einseitige Inhalte verengt werden; deswegen muss sicher­gestellt werden, dass die Lehrerlaubnis Musliminnen und Muslimen unterschiedlicher religiöser Prägung gewährt wird.

Der laufende Schulversuch Islamunterricht erfährt hohe Wertschätzung seitens der Schülerinnen und Schüler, aber auch der Schulen; er zeigt aber ebenso, dass diese Form religiöser Bildung zur Entwick­lung einer islamischen Identität und durch seine interkulturelle Komponente zum friedlichen Zusam­menleben aller Religionsgemeinschaften beiträgt. Gleichzeitig kann ein fachdidaktisch angemessener Islamunterricht in der staatlichen Schule auf wissenschaftlich-theologischer Basis positive Impulse setzen, die auch in die Glaubensgemeinschaften hineinwirken. Allerdings bedürfte es für die Praxis des Islamunterrichts einer gründlicheren fachwissenschaftlich-theologischen Begleitung sowie einer laufenden didaktisch-methodischen Evaluation, deren Ergebnisse für die Fortschreibung curricularer Vorgaben notwendig und hilfreich wären.

Der BLLV sieht in den didaktischen und methodischen Grundsätzen der vorhandenen Fachlehrpläne für den Schulversuch Islamunterricht eine gute Grundlage für die Weiterentwicklung der Lehrpläne in Richtung der Kompetenzorientierung. Künftige Lehrpläne sowie alle Lehr- und Unterrichtsmittel, insbesondere die genehmigten Schulbücher, dürfen die bisher erreichten Standards – gerade im Hinblick auf die interreligiöse/interkulturelle Dimension sowie die innerislamische Pluralität – nicht unterschreiten.

Dem BLLV ist bewusst, dass bisher in Bayern der konfessionelle Ansprechpartner gem. Artikel 7 GG für den Islamunterricht fehlt; hier sind alle Muslime und staatliche Institutionen in der Pflicht ein Übereinkommen zu erzielen.

Vordringlich ist jedoch, dass weit mehr muslimische Schülerinnen und Schüler eine angemessene religiöse Bildung in der Schule erhalten, in allen Jahrgangsstufen und allen Schularten sowie die Sicherung der Qualität des Islamunterrichts durch Dauerstellen für Lehrkräfte und weiterem Personal für Aus-, Fort- und Weiterbildung.

Derzeit werden im Grund- und Mittelschulbereich muslimische Lehrkräfte lediglich von Berater/innen Migration und/oder Fachbetreuer/innen Religion (nicht Islam!) begut­achtet und unterstützt. Eine tatsächliche Fachbetreuung bzw. Fachaufsicht, die eine ausgewiesene Expertise in Sachen Islam mitbringt, gibt es nicht. In den Gymnasien und Realschulen gibt es gar keine fachwissenschaftliche bzw. fachdidaktische Begleitung und Supervision, sodass die Lehrkräfte in der heiklen Phase des Aufbaus eines ordentlichen Unterrichtsfaches alleine gelassen sind.

Petitum

Kurzfristig fordert der BLLV zur Qualitätssicherung und zum Ausbau des Islamunterrichts in Bayern die Umsetzung folgender Maßnahmen:

  • An mehreren Schulen eingesetzte Lehrkräfte im Islamunterricht erhalten Entlastungsstunden, die ihren erhöhten Wegezeiten angemessen sind. Drei Schulen sind als maximale Anzahl an einem Tag ist festzulegen; die Entfernung zwischen den verschiedenen Einsatzorten an einem Tag sollte 30 Kilometer nicht überschreiten.

  • Um den im Einsatz vorhandenen Lehrkräften Sicherheit zu bieten und um Abwanderung in andere Bundesländer zu verhindern, sind vorhandene Arbeitsverträge zu entfristen und bei Vorhandensein der entsprechenden Voraussetzungen Verbeamtungen vorzunehmen.

  • Für Absolvent/innen der Studiengänge mit dem Fach Islamunterricht ist ein Bonussystem bei der Einstellungsnote zu entwickeln.

  • Für die erste Phase der Lehrerbildung sind Praktikumsstellen einzurichten und Praktikumslehrkräfte zu benennen.

  • Für die zweite Phase der Lehrerbildung sind Seminarlehrkräfte zu bestimmen und entspre­chende Voraussetzungen für die weitere Ausbildung zu schaffen.

  • Im Bereich der Fort- und Weiterbildung sollen adäquate Angebote und nachhaltige Strukturen entwickelt werden.

  • Der BLLV regt zudem eine Expertenkommission an, der religionspädagogische Fachleute mus­limischer Organisationen und der Lehrerverbände, Vertreter/innen der Ausbildungseinrich­tungen sowie Vertreter/innen des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) angehören. Aufgabe der Kommission sollte sein, den Islamunterrichtkritisch zu begleiten und ggfs. Verbesserungsvorschläge und Perspektiven zur Weiterentwicklung zu erarbeiten.

  • Analog zu den beiden christlichen Großkirchen sollte eine Fachbetreuerin/ein Fachbetreuer zur Begleitung und Supervision der Lehrkräfte auf Landesebene installiertwerden. Die vorhandenen Lehrpläne sind an die Standards des LehrplanPlus anzupassen.

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Der Ausschuss für Bildung und Kultus hat die BLLV-Petition am 16.06.2016 behandelt. Mit den Stimmen der CSU-Fraktion wurde die Petition abgelehnt (§ 80.4 GO: erledigt aufgrund der Stellungnahme der Staatsregierung). Die Fraktionen der SPD, der Freien Wähler und von Bündnis 90/Die Grünen stimmten hingegen für eine Berücksichtigung der Petition (§ 80.3 GO Würdigung).