"Wir brauchen jetzt Planbarkeit für 2019"

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Lehrerinnen und Lehrer im Islamischen Unterricht,


ich möchte Sie zu aller erst begrüßen. Ohne Sie wären wir heute nicht bei diesem Studientag. Und ohne Sie würden unsere Schülerinnen und Schüler muslimischen Glaubens in Bayern keinen islamischen Unterricht in Schulen erhalten. Sie leisten als Lehrerin und Lehrer trotz zum Teil schwieriger Rahmenbedingungen einen hohen persönlichen Einsatz. Sie erreichen über 15.500 Schülerinnen und Schüler muslimischen Glaubens. 

Dass ich diese große Zahl - über 15.000 - heute nennen kann, ist nicht zuletzt ein Erfolg des BLLV, der seit fast 20 Jahren an vorderster Stelle für das auf religiöse Erziehung, für Integration und für islamischen Unterricht an Schulen eintritt. Wir haben viel erreicht - sind aber noch nicht am Ziel.

Deshalb sind wir heute hier. Wir wollen uns Gedanken machen, was nach dem Modellversuch kommt, der bis 2019 genehmigt ist. Wir sind heute auch hier, um für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen einzutreten. Sie stimmen in vielen Fällen nicht.

Qualität sichern und steigern

Und wir sind hier, um zu zeigen, wie die Qualität gesichert und gesteigert werden kann. Für all diese Schritte brauchen wir über diesen Tag hinaus Unterstützung aus der Politik, dem Kultusministerium, aus der Schulverwaltung, den Schulleitungen, den Kirchen und der Gesellschaft. Allen, die aus diesem Bereichen heute zu uns gekommen sind, ein herzliches Willkommen und vielen Dank für Ihre Unterstützung - schon jetzt. 

Herzlichen Dank auch an die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg, die mit uns diesen Studientag vorbereitet und durchführt und deren Räume wird nutzen dürfen. Die FAU hat eine jahrzehntelange Tradition der Lehrerbildung für den Islamischen Unterricht. Ihre Ausbildungsqualität, die heute unter Leitung von Prof. Dr. Tarek Badawia steht, wird allseits hoch geschätzt.

Namentlich danken möchte ich an dieser Stelle auch Prof. Dr. Mathias Rohe und Prof. Dr. Johannes Lähnemann, der leider erkrankt ist. Danken möchte ich auch denjenigen, die sich im BLLV und der FAU für den islamischen Unterricht einsetzen - namentlich Dr. Werner Haußmann als zuständigem Referatsleiter sowie den ehemaligen Integrationsbeauftragten des BLLV Manfred Schreiner.

Bereits 1990 hatte der BLLV als größter bayerischer Lehrerverband von Manfred Schreiner einen Grundsatzbeschluss gefasst. Ich möchte ein paar Zeilen zitieren:

"Für Schüler islamischen Glaubens soll in den Schulen der Bundesrepublik islamischer Religionsunterricht angeboten werden, der

nach amtlichen vom jeweiligen Kultusminister anerkannten Lehrplänen

in deutscher Sprache -PAUSE von qualifizierten Lehrkräften mit entsprechender staatlicher Lehrbefähigung

unter deutscher Schulaufsicht erteilt wird.

Lehrkräfte für diesen Religionsunterricht sind an deutschen Universitäten im Rahmen des Lehramtsstudiums auszubilden. (...)"

Ein langer Satz - und es steht alles Wesentliche drin. Wenn es zu schnell ging: Sie finden den Beschluss von 1999 in Ihren Tagungsunterlagen. Fast 20 Jahre ist das her. Damals gab es keine Diskussion um die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört. Damals gab es keine Diskussion um muslimische Feiertage in Deutschland. Damals war die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland noch kleiner. Und damit auch die Zahl der Muslime. Das Thema Integration war damals noch nicht wahlentscheidend. Damals gab es weder AfD noch Pegida. Aber: Auch damals brannten Unterkünfte von Menschen anderen Glaubens und auch damals starben Migranten bei Anschlägen. Und auch damals gab es politische Kräfte, die genau dies mehr oder minder offen förderten.

Verwirklichung der Religionsfreiheit

Der BLLV erkannte schon vor rund 20 Jahren, dass die Achtung der religiösen Identität ein wesenticher Beitrag zur Integration ist. Wir haben schon damals einen Islamischen Unterricht gefordert. Einen Unterricht, der die Verwirklichung der Religionsfreiheit des einzelnen in einer pluralen Gesellschaft stärkt und der weniger von außerschulischen Wünschen bestimmt wird. Wir forderten einen Unterricht von ausgebildeten Lehrkräften in deutscher Sprache, unter der Aufsicht der bayerischen Schulaufsicht und nach den Regeln eines staatlich genehmigten Lehrplans.

Über viele Zwischenschritte, zahlreiche Gespräche, Anhörungen und Beschlüsse haben wir viel erreicht. Das sogenannte "Erlanger Modell" war dabei ein Meilenstein, an dem der BLLV ebenfalls mitgewirkt hat. Seit 2009 haben wir einen Modellversuch. Genehmigt wurde er für 5 Jahre. 5 Jahre, die sehr erfolgreich verliefen. Darum konnte er 2014 um weitere 5 Jahre verlängert werden. Heute findet der Islamische Unterricht an 337 Schulen statt. Die aller meisten davon sind Grund- und Mittelschulen. Aber es gibt nur 4 Realschulen und 2 Gymnasien. Ich freue mich sehr, dass heute auch eine Reihe von Vertreterinnen von Realschulen, Gymnasien und Berufsschulen unter uns sind.

Nochmals: 15.500 Schülerinnen und Schüler muslimischen Glaubens erreichen wir. Aber über 90.000 muslimische Schülerinnen und Schüler an allen Schularten in Bayern warten auf ein reguläres Angebot islamischen Unterrichts.

Erreicht wurde das bisherige Angebot OHNE oder vielleicht besser: trotz Artikel 7,3 des Grundgesetzes. Wir wollen, dass dieser Artikel 7,3 jetzt nicht zum Hindernis stilisiert wird. Allein, dass das Angebot des Islamischen Unterrichts von den muslimischen Eltern akzeptiert wird und sie ihre Kinder dorthin schicken, allein das spricht für sich. Übrigens: Einer Studie zu folge befürworten 70 % der Lehrer und Lehrerinnen islamischen Religionsunterricht.

Eine gewaltige Zustimmung! Wir wollen uns nicht gegen die Arbeit und Anliegen muslimischer Verbände stellen. Wir wollen mit denen, die dialogbereit und lösungsorientiert sind, zusammenarbeiten. Nur eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist im Interesse der Kinder und Jugendlichen. Und um die geht es ja.

Lehrermangel auch beim Islamunterricht

Was zählt ist aber nicht nur die Quantität. Der BLLV setzt sich immer auch für Qualität ein. Niemand akzeptiert schlechten Islamischen Unterricht nur, damit es überhaupt islamischen Unterricht gibt. Wir sind zufrieden mit den erarbeiteten Lehrplänen. Wir zollen der Ausbildungsqualität hier an der FAU hohen Respekt. Gleichzeitig wissen wir, dass es zu wenige ausgebildete Islamlehrkräfte gibt.

Neulich sagte mir eine Lehrerin aus dem Islamischen Unterricht: Dieses Jahr geht's mir recht gut: Ich unterrichte Islamischen Unterricht an 11 Schulen und fahre in der Woche 300 Kilometer - letztes Jahr waren es noch 12 Schulen. Sie erzählte weiter, sie kenne die Kollegen an den Schulen nur vom Sehen - und die sie genauso. Denn nach einer Unterrichtsstunde hetze sie ins nächste Schulhaus. Möglichkeit zum Gespräch bleibe da keine.

Die meisten Lehrkräfte arbeiten mit befristeten Verträgen, weil wir noch immer im Modellversuch sind. Formal sicher korrekt - aber für Sie als Betroffene eine enorme Belastung. Staatliche Lehrkräfte mit der Qualifikation für Islamischen Unterricht werden leider nicht immer im Islamischen Unterricht eingesetzt.

Manche Absolventen sehen für sich in Bayern keine Perspektive. Manche sehen sich gar gezwungen in andere Bundesländer abzuwandern. Übrigens nicht nur Lehrer, sondern auch Fachleute aus der Lehrerbildung. Wir brauchen diese Experten aber hier - in Bayern!

Auch die Schülerinnen und Schüler haben vielfach Schwierigkeiten. Oft findet der Islamische Unterricht am Nachmittag statt, wenn der "normale" Unterricht vorbei ist. Und wenn der Islamische Unterricht vorbei ist, dann ist der Schulbus weg. Wie sollen Schülerinnen und Schüler daran teilnehmen, wenn sie anschließend nicht mehr heim kommen?

Ich will nicht ungerecht sein: Wir sind in einer Übergangsphase. Der Modellversuch ist bis 2019 genehmigt. Aber ich will unmissverständlich formulieren: Wir brauchen jetzt eine klare Perspektive für das, was nach dem Modellversuch kommt. Wir brauchen jetzt politische Entscheidungen, die allen beteiligten Sicherheit und Planbarkeit bieten. Was für das Gymnasium gilt, muss analog für den Islamischen Unterricht gelten! Planbarkeit. Und zwar ohne Abstriche.

Der BLLV fordert, dass der islamische Unterricht so schnell wie möglich als Regelangebot angeboten wird. Jede Schule, egal welcher Schulart, muss Islamischen Unterricht als normales Unterrichtsfach anbieten können. Jede Schülerin und jeder Schüler muslimischen Glaubens muss Islamischen Unterricht besuchen dürfen, wenn es gewünscht ist. Und zwar ohne, dass der Schulbus anschließend weg ist.

Entscheidungen vor der Landtagswahl nötig

Um ein flächendeckendes Regelangebot von guter Qualität zu erreichen, brauchen wir Kapazitäten in allen Phasen der Lehrerbildung und rechtzeitig deren Ausweitung. Wir brachen deutlich verbesserte Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte. Und wir brauchen Geld, um das alles zu finanzieren. Damit das im Jahr 2019 greift, brauchen wir jetzt die erforderlichen politischen Entscheidungen. Also noch vor der Landtagswahl 2018. Dafür setzt sich der BLLV ein.

Der große Erfolg des Modellversuchs legitimiert es, eine Entscheidung schon jetzt zu treffen. Wir haben Ihnen, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Studientages, bereits einen Resolutionsentwurf zu dieser Forderung vorgelegt. Wir werden die Resolution am Ende dieses Tages zur Abstimmung stellen. Bis dahin besteht Gelegenheit zu Diskussion.

Ich will noch auf etwas anderes hinweisen: Der BLLV hat das Manifest: HALTUNG ZÄHLT aufgelegt. Wir haben uns damit dem Schutz der Demokratie verschrieben. Wir alle wissen, wie notwendig das ist und dass unsere Demokratie nur sicher ist, wenn sie von uns gemeinsam gelebt wird. Heinrich Bedford-Strohm gehört zu den Erstunterzeichnern.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland fordert Islamunterricht für ganz Deutschland. Er sei die beste Möglichkeit, junge Muslime immun zu machen gegen die Versuchungen von Fundamentalisten. Prof. Harry Harun Behr formulierte: "Wir müssen ein attraktiveres Angebot machen als die Islamisten".

Islamischer Unterricht ist auch ein Schutz unserer Demokratie. Mein Wunsch: Möge von diesem Studientag ein kraftvolles Signal ausgehen für einen Islamischen Unterricht als Regelangebot in Bayern. Packen wir es gemeinsam an! Ich danke Ihnen.

                                                                                                                       Es gilt das gesprochene Wort

Rede von BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann,
anlässlich des Studientags "Quo vadis Islamischer Unterricht" in Nürnberg am 24.11.2017

 

Lesen Sie auch den Gastbeitrag von Simone Fleischmann im Münchner Merkur vom 29.11.2017